Im Herzen von Europa

Nach der bitteren Niederlage in einem der größten Spiele der Eintracht -Geschichte steht gegen Mainz 05 sehr viel auf dem Spiel

Eintracht Frankfurt gewinnt in der Europa League nicht nur 35 Millionen Euro, sondern viele Sympathien – trotz der Niederlage in Chelsea. Jetzt gilt es, die internationalen Auftritte für die neue Saison zu sichern.

London Und dann tönte sofort „One Step beyond“ aus den Lautsprechern, der legendäre Song von Prince Buster in der Version von Madness. Die englischen Fans im Stadion an der Stamford Bridge tanzten, als wären sie alle Ska-Fans. „Don’t watch that, watch this. This is a heavy heavy monstersound“, heißt es zu Beginn des Kultlieds, das Donnerstagnacht, tief im Westen von London, den Abschluss einer irren Europapokalwoche orchestrierte. Eden Hazard hatte gerade den entscheidenden Elfmeter für den FC Chelsea verwandelt. Es war das 4:3 im Elfmeterschießen für die Gastgeber gegen Eintracht Frankfurt, nach regulärer Spielzeit und Verlängerung hatte es 1:1 (1:1, 1:0) gestanden – so wie nach dem Hinspiel. Der letzte Schuss des Abends von Hazard sorgte für ein Londoner Stadtderby im Finale der Europa League am 29. Mai in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan. Im anderen Semifinale setzte sich der FC Arsenal gegen den FC Valencia durch. Und weil am Dienstag dem FC Liverpool gegen den FC Barcelona ein ebenso legendenwürdiges Comeback gelang wie am Mittwoch Tottenham Hotspur bei Ajax Amsterdam, stehen sich auch in der Champions League zwei Mannschaften aus der Premier League im Finale gegenüber. Die drei Europapokalspiele zeigten nicht nur die Dominanz der steinreichen Premier-League-Vereine. Sie boten auch Dramen, die selbst bei den größten Kritikern des kapitalisierten Profisports romantische Gefühle hervorriefen.

Am Donnerstag rang auch den Anhängern des FC Chelsea die Haltung der Mannschaft und der Fans von Eintracht Frankfurt ­ Applaus und Anerkennung ab. Zunächst sanken die Spieler nach Hazards Siegtreffer auf den Boden. Doch die Eintracht-Fans richteten diese wieder auf. Sie klatschten nach dem K. o. minutenlang im Rhythmus, bis sich Spieler und Offizielle vor der Kurve aufgestellt hatten. Und dann sangen alle Frankfurter, es waren bestimmt doppelt so viele im Stadion wie die zugelassenen 2000, ihre Hymne, die mit der Zeile beginnt: „Im Herzen von Europa liegt mein Frankfurt am Main.“ Es war ein rührender Moment nach einer bitteren Niederlage in einem Spiel, das als eines der größten in die Geschichte der Eintracht eingehen wird. „Wir haben nichts in der Hand, aber es war eine sensationelle internationale Saison. Ich bin stolz“, sagte Eintracht-Trainer Adi Hütter nach dem Ende der so herausragenden europäischen Kampagne. Sechs Siege in der Vorrunde – gegen Limassol, Lazio Rom und Olympique Marseille – hatte zuvor noch keine deutsche Mannschaft geschafft. In der K.-o.-Phase spielten die Frankfurter in Schachtar Donezk, Inter Mailand und Benfica Lissabon drei Champions-League-Absteiger aus dem Wettbewerb. Und am Donnerstag, so fasste Adi Hütter das Geschehen gegen Chelsea zusammen, habe seine Auswahl den „Topfavoriten fast blamiert“. Aber eben nur fast.

Für den ersten Finaleinzug nach 39 Jahren hat es also nicht gereicht, 1980 hatten die Hessen den Wettbewerb, der damals noch Uefa-Cup hieß, gewonnen. Doch die Eintracht gewann nicht nur rund 35 Millionen Euro durch ihre Erfolge, sie hat sich auch wieder ins Bewusstsein des europäischen Fußballs gespielt und gefeiert. Wie kein anderer Club nahm der Club die von vielen Clubs zu Unrecht marginalisierte Europa League als Chance und nicht als Last an, Fans und Mannschaft trieben sich zu immer neuen Abenteuern an.

Aber so stolz die Frankfurter zu Recht auf das bisher Geleistete sein können – die Saison „kann natürlich noch bitter enden“, stellte Torwart Trapp ernst fest. Zuletzt zahlten die Profis in der Liga ihren Kraftakten in Europa Tribut, nur zwei Punkte aus den letzten vier Spielen und die letzte 1:6-Pleite in Leverkusen dokumentieren dies.

Verlöre die Eintracht am Sonntag (18 Uhr) zu Hause gegen den FSV Mainz 05 und zum Abschluss am 18. Mai beim FC Bayern, könnte sie sogar noch ganz aus den Europapokalrängen fliegen.

Am Sonntag hat die Eintracht also viel zu verlieren, und die ausgeruhten Mainzer würden allzu gerne den Spielverderber für den Stadtnachbarn spielen. Der Druck ist spürbar. Auch deshalb sagte Eintracht-Sportvorstand Fredi Bobic im Regen von London zum Abschied aus Europa: „Egal, was rauskommt, das ist eine überragende Saison.“

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Erstellt:
11. Mai 2019, 02:04 Uhr

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