In Prag gibt es mehr Geld als Heu

Beim Super-Grand-Prix geht es um fast zwölf Millionen Euro

Das Finale der Global Champions Tour sprengt alle Dimensionen. Das Turnier mit seinem exorbitanten Preisgeld katapultiert den Reitsport in eine neue Dimension. Das freut nicht alle.

Stuttgart Steve Guerdat startet nicht in Prag beim Super-Grand-Prix der Global Champions Tour (GCT). „Ich mag diese Tour, bei der die Preisgelder in die Millionen gehen, überhaupt nicht“, sagte der Schweizer beim Turnier in Stuttgart, „wenn du dort ständig mitreiten willst, sind die Pferde früher oder später am Ende. Außerdem bin ich kein Typ für die VIP-Bereiche.“ Es würde sich allerdings lohnen, zwischen Donnerstag und Sonntag ein Spitzenpferd in der tschechischen Hauptstadt zu satteln – es geht um so viel Preisgeld wie noch nie bei einem Springreitturnier. Knapp 11,5 Millionen Euro sind insgesamt als Prämien ausgelobt.

Klingt nach Schlaraffenland für Springreiter, liegt in Prag doch beinahe sechsmal so viel Geld im Parcours wie beim größten Reitturnier der Welt, dem CHIO in Aachen. Dort betrug die Gesamtdotierung für die Springreiter in diesem Jahr fast läppische 1,963 Millionen Euro. Qualifiziert für das Millionenspiel sind nur 16 Reiter, die Gewinner der 16 Stationen der Global Champions Tour – sowie die zwei namhaften Nachrücker Ludger Beerbaum und Daniel Deußer. Steve ­Guerdat hätte gar nicht dürfen, selbst wenn er in Prag hätte ausnahmsweise wollen.

Die Nummer zwei der Weltrangliste zählt zu den wenigen, die sich der GCT grundsätzlich verweigern, viele seiner Kollegen dagegen frohlocken über das Weihnachtsgeschenk, das man sich an der Moldau abholen kann. „Es ist viel zusätzliches Geld im Spiel, das ist gewaltig“, sagt Christian Ahlmann aus Marl. Und Marcus Ehning, eigentlich ein wortkarger Geselle, wird fast schon gesprächig. „Es gibt keinen, der sich dagegen wehrt, wenn es mehr Geld gibt“, sagt der 44-Jährige aus Borken, „im Golf oder Tennis ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Sieger eine Million bekommt – und beim Fußball gibt es Summen, da wird einem angst und bange.“ Nun macht sich auch der Reitsport auf in eine neue Dimension der Prämien – in Prag gibt es rund ums Turnier mehr Geld als Heu.

Ehning und Ahlmann sind zwar nicht fürs Einzel qualifiziert, sie dürfen trotzdem antreten und auf ein ordentliches Weihnachtsgeld hoffen – denn fast zehn Millionen Euro werden in einem Team-Wettbewerb ausgeschüttet, bei dem die Sieger-Equipe 2,743 Millionen Euro erhält. „Es hängt von den Sponsoren der Teams ab, wie das Geld aufgeteilt wird“, sagt Ehning, der für Valkenswaard United sattelt, das von der Investmentgruppe Sapinda finanziert wird.

Nebulös wie das Reglement mit 16 Stationen und den Play-offs gestalten sich die 19 Teams. Bei den Cannes Stars fehlt das frankophile Element, für die Schanghai Swans tritt kein Chinese an. Ahlmann reitet für die Scandinavian Vikings. „Da sind zumindest Skandinavier dabei“, scherzt er. Warum das GCT-Finale in Prag haltmacht, liegt an Anna Kellnerova. Die 22-Jährige startet für die Prague Lions und ist die Tochter von Petr Kellner, mit zehn Milliarden Euro Vermögen der reichste Tscheche. Der 54-Jährige besitzt ebenfalls mehr Geld als Heu, er hat die Pferde Silverstone und Catch me if you can gekauft, die zuvor von Laura Klaphake geritten wurden – die deutsche Championatsreiterin steht nun ohne Toppferd da.

Anna Kellnerova zählt wie einige andere Starter in Prag nicht zur Crème de la Crème im Reitsport, dennoch sind sie bei dem großzügig dotierten Finale dabei – was die GCT in ein diffuses Licht rückt. Die Regularien des Reit-Weltverbandes FEI sehen vor, dass Turnierveranstalter 60 Prozent der Startplätze nach Weltranglistenpunkten vergeben, 20 Prozent erhält die Gastgebernation, weitere 20 Prozent stehen zur Verfügung für Einladungen. Wobei die Wildcard kostenpflichtig ist: Der Reiter muss sie kaufen. Ein lukrativeres System hat GCT-Chef Jan Tops etabliert, mit Billigung der FEI. 30 Prozent der Plätze werden über die Weltrangliste bestimmt, zehn Prozent erhält die Gastgebernation, das Gros von 60 Prozent wird ­verscherbelt – dabei ist die Potenz des Geldbeutels der Starter entscheidender als das reiterliche Vermögen im Sattel. Ein Szenario vergleichbar mit der Formel 1, wenn sich Fahrer über Sponsorenmillionen ein Cockpit sichern. Dieses Geld ist ein wichtiger Teil der Finanzierung, es wird bei der GCT auf zwei Millionen Euro pro Saison geschätzt.

Nach einer Klage verdonnerte die belgische Kartellbehörde FEI und GCT im April, das Reglement anzugleichen. Sollte dies nicht geschehen, muss die GCT pro Tag 466 Euro bezahlen. 11,5 Millionen Euro reichen dafür genau 24 678 Tage. Das sind 67,6 Jahre. Es bleibt also noch Zeit genug.

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Erstellt:
12. Dezember 2018, 03:14 Uhr

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