Kritik für den Kritiker

Bayern-Trainer Niko Kovac holt nach dem 5:0 gegen den BVB zum Rundumschlag gegen die Zweifler aus – Tadel von Rummenigge

Das 5:0 im Topduell gegen Borussia Dortmund war ein Befreiungsschlag für den FC Bayern – und den Trainer Niko Kovac. Einen Tag später aber kritisiert der Vorstandschef den Coach öffentlich.

München Fußballspiele werden manchmal auch erst nach dem Schlusspfiff entschieden. Dann, wenn die Kamerascheinwerfer und Mikrofone angeschaltet sind, dann, wenn die Kugelschreiber der Reporter zwischen den Fingern liegen, oder, wie das heute längst Usus ist, die Aufnahmetaste auf dem Smartphone gedrückt ist.

Dann, wenn es um die sogenannte Deutungshoheit geht.

Niko Kovac weiß das, er ist ein Medienprofi, und so nutzte er am Samstagabend die Katakomben der Münchner Arena für seinen ganz persönlichen Befreiungsschlag. Den ersten des Abends hatte es ja vorher auf dem Platz gegeben. Beim 5:0 gegen Borussia Dortmund sah man eine überragende, zupackende Elf des FC Bayern. Gefräßig müsse man sein, das predigte einst schon immer ein ehemaliger Münchner Welttorhüter mit blonden Haaren – und genau das waren die Bayern nun mal wieder im Topduell gegen den BVB: gefräßig und nimmersatt.

Eine Stunde später biss der Trainer Niko Kovac zu. Hoch droben auf dem Pressepodium wurde der nach dem Aus in der Königsklasse gegen den FC Liverpool wieder latent in der Kritik stehende Coach gefragt, ob das denn nun ein Befreiungsschlag für ihn persönlich gewesen sei. Es war die Steilvorlage für eine kleine Brandrede.

„Ob die Kritik so sein muss – scheinbar ist das so in der heutigen Zeit – ob das so sein muss, das stelle ich infrage“, sagte Kovac recht pauschal in Richtung der Medienschaffenden und ergänzte: „Das, was ich nicht will, was mir einer antut, mache ich selbst nicht – das ist das Wort zum Sonntag.“ Kovac, das war zu spüren, wollte sich endlich Luft verschaffen.

Er kritisierte also seine Kritiker, die Reporter, die in seinen Augen zu schlecht über ihn schreiben oder reden – und widmete sich dabei auch noch der viel diskutierten Discoparty von Abwehrmann Jérôme Boateng wenige Stunden nach dem Spiel gegen den BVB in einem Münchner Edeltanzschuppen. „Lasst die Leute doch das machen, was sie möchten“, polterte Kovac: „Es geht in unserem Geschäft nur noch um Nebensächlichkeiten und nicht mehr darum, ob du gewonnen oder verloren hast, das ärgert mich, und das muss mal gesagt werden.“ Und weiter: „Ich bin kein Moralapostel, aber wir müssen mal klarkommen, es ist nicht in Ordnung, was hier abgeht.“

Niko Kovac, klar, war gestärkt am Samstag nach dem Gala-Auftritt des FC Bayern, er nutzte die Gunst der Stunde für seinen kleinen Rundumschlag – er bestätigte damit aber auch in gewissem Sinne unfreiwillig, dass er ein angezählter Trainer ist.

Und das im Übrigen nicht nur – wie von ihm am Samstag kolportiert – in der öffentlichen Meinung, sondern auch intern. Denn die Kritik nach dem Achtelfinal-Aus in der Königsklasse gegen Liverpool, sie kam ja auch von einigen Führungsspielern. Zu defensiv, zu mutlos sei die Taktik gewesen, solche Dinge sagten etwa keine Geringere als Mats Hummels und Robert Lewandowski.

Und nun, nach der mit Abstand besten Saisonleistung im Bundesliga-Spitzenspiel gegen Dortmund, schwang immer die große Frage mit: Warum kicken die Bayern nicht immer so – und warum nicht schon so gegen Liverpool? Und: Liegt es an Kovac, dass sich diese Elf, wenn überhaupt, offenbar nur gegen Top-Gegner voll disziplinieren und motivieren kann? Oder liegt es an den angeblich satten Profis selbst?

Am Samstagabend übernahm Sportdirektor Hasan Salihamidzic von Vereinsseite zunächst die Rolle des Hinterfragers, als er sagte: „Man fragt sich das schon, warum haben wir das nicht gegen Freiburg gemacht oder gegen Düsseldorf – da waren wir vielleicht ein bisschen verhalten und nicht so aggressiv.“

Einen Tag später dann ging Karl-Heinz Rummenigge in die Bütt. Und was der Vorstandschef am späten Sonntagvormittag im Fernsehstudio von Sky neben dem BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zum Besten gab, dürfte Kovac, etwas überspitzt formuliert, zurück auf den Boden der Tatschen geholt haben – nachdem er am Samstag ja tatsächlich mal ordentlich abgehoben hatte. Sein Luftsprung nach dem Tor zum 3:0 von Javi Martínez dürfte selbst Jürgen Klopp, den wohl Besten in diesem Fach, erstaunt haben.

Nun aber gab Karl-Heinz Rummenigge die Spaßbremse. Eine Jobgarantie für Kovac über die Saison hinaus? Ausgeschlossen! „Es gibt für niemanden eine Jobgarantie bei Bayern München“, sagte Rummenigge mit Nachdruck: „Jeder muss liefern, wer mit dem Druck nicht umgehen kann, ist im falschen Club.“ Rumms, das saß – und es ging noch weiter.

Es ging um den Krisen­herbst im vergangenen Jahr, mit dem 3:3 gegen Fortuna Düsseldorf als Tiefpunkt. Rummenigge kritisierte Kovac nun offen dafür. Seine Sätze im Staccato-Takt, es waren verbale Watschn für Kovac: „Was im Oktober und November passiert ist, war selbst kreiert. Wir haben uns selbst das Bein gestellt, weil der Trainer in unglaublich großem Stil rotiert hat. Das hat zu Unruhe in der Mannschaft geführt. Ich bin ein erbitterter Gegner der Rotation. Da sind ein paar Dinge in die falsche Richtung gelaufen. Das haben wir deutlich angesprochen, und das ist dann korrigiert worden.“ Und als wäre all das noch nicht genug, widmete sich der Vorstandschef auch noch dem Aus in der Champions League – und auch diese Aussagen, nun ja, sie stärkten Kovac nicht gerade den Rücken.

„Ich war schon frustriert nach dem Liverpool-Spiel, wir haben das Rückspiel nicht ausreichend mit Mut und Herz gespielt“, sagte Rummenigge: „Wir hätten wie jetzt gegen Dortmund mit offenem Visier angreifen sollen.“

Im Subtext klang dabei immer mit, dass Kovac seine Lektionen gelernt habe, ein Stück Wohlwollen war also dabei bei Rummenigges Ansagen. Es war aber eben auch klare Kritik am Coach, für den die Grundordnung immer erst mal das Wichtigste ist.

Was bleibt also? Der FC Bayern gewinnt mit 5:0 im Spitzenspiel, der Trainer holt zum Rundumschlag gegen die Kritiker aus – und wird dann einen Tag später von seinem Chef angezählt. Willkommen beim FC Bayern, Niko Kovac!

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Erstellt:
8. April 2019, 06:06 Uhr

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