Künftig werden nur noch Daumen gedrückt

In all die Freude über eine sehr gute Runde mischt sich bei den Regionalliga-Turnerinnen der TSG Backnang auch das große Bedauern, dass sie in der neuen Saison ohne ihre langjährigen Kampfrichterinnen Andrea Griem und Petra Wolf auskommen müssen.

Freuten sich über eine starke Saison: Coach Björn Kuhn, Noemi Schreiber, Felin Weißhaar, Lilli Braun, Aurelia Weller, Kampfrichterin Andrea Griem, Taina Griem, Emely Pokorny, Melina Weller, Emma Osswald, Lisa Baumgart und Trainerin Melanie Andergassen (hinten von links) sowie Laura Benkel, Lena Strohmaier und Kampfrichterin Petra Wolf (vorne). Foto: M. Spreter

© Mechthild Spreter

Freuten sich über eine starke Saison: Coach Björn Kuhn, Noemi Schreiber, Felin Weißhaar, Lilli Braun, Aurelia Weller, Kampfrichterin Andrea Griem, Taina Griem, Emely Pokorny, Melina Weller, Emma Osswald, Lisa Baumgart und Trainerin Melanie Andergassen (hinten von links) sowie Laura Benkel, Lena Strohmaier und Kampfrichterin Petra Wolf (vorne). Foto: M. Spreter

Von Uwe Flegel

Nein, sie sind nicht nur dafür da, um mit Kugelschreiber und Papier ausgestattet vom Mattenrand aus Punkte zu verteilen. Zumindest bei den Regionalliga-Turnerinnen der TSG war das nicht ihre einzige Aufgabe. In Backnang zählen die Kampfrichterinnen Petra Wolf und Andrea Griem seit vielen Jahren mit zum Team. „Wir haben zum Beispiel mit den Sportlerinnen und den Trainern besprochen, welche Übungen kommen bei den Wettkämpfen infrage, welche sind gefährlich für die Mannschaft, weil es leicht hohe Abzüge geben kann“, erzählen die zwei, die künftig nur noch als Zuschauerinnen dabei sind, wenn die TSG-Riege an Boden, Sprung, Schwebebalken und Stufenbarren ihre Übungen präsentiert. „Wir sind lange einen gemeinsamen Weg gegangen. Einen Weg, den ich mir ohne die zwei nicht vorstellen kann“, sagt Melanie Andergassen, die beide Kampfrichterinnen als Turnerin noch selbst und nun seit Jahren in der Funktion als Trainerin begleitet hat.

Wohl auch deshalb ist die 38-Jährige froh, dass Backnangs Frauenriege der 56-jährigen Griem und der 50-Jährigen Wolf in deren letzter Saison noch einmal ein tolles Jahr beschert hat. „Für uns lief es super“, ist sich das Trio einig, wie Rang vier unter den acht Mannschaften der Regionalliga Süd zu bewerten ist. Schließlich sei ursprünglich das Ziel gewesen, nur nicht abzusteigen. Das wurde in den drei Wettkämpfen problemlos erreicht. Nach dem Auftakt in heimischer Halle lag das Team aus dem Murrtal gar auf Rang zwei. „Da haben wir gemerkt, dass wir vorne mitmischen können, ohne dass für uns der Aufstieg aber ein Thema war“, sagt die Trainerin und lobt: „Viele Mädchen haben viel geleistet.“ Hinzu komme, so Andergassen: „Wir haben auch an Teamspirit dazugewonnen. Wir haben gerade eine schöne Mischung aus erfahrenen und jungen Turnerinnen.“ Überhaupt gebe es in der Abteilung einen richtig guten Zusammenhalt, erzählen die drei und nennen Björn Kuhn als Beispiel, der zusätzlich zu seiner Rolle als Drittliga-Turner auch noch Melanie Andergassen im Training der Frauenriege unterstützt. „Es wächst gerade viel zusammen. Das ist schön“, erzählt die 38-Jährige, die als Fünfjährige einst zur TSG kam und seitdem dabei geblieben ist.

Im Turnen brauchen Regionalliga-Teams entsprechend qualifizierte Kampfrichter

So wie Petra Wolf und Andrea Griem, die ebenfalls seit ihrer Kindheit bei der Turnabteilung des größten Backnanger Vereins, der TSG 1846 TuS, sind. 1987 beziehungsweise 1981 begannen beide, sich als Kampfrichterinnen zu engagieren. Seit mittlerweile 15 Jahren sind sie Inhaber der A-Lizenz und vergeben auf bundesweiter Ebene Punkte für kleine und große Turnerinnen. Eine Arbeit, die im Vergleich zu anderen Sportarten einen besonderen Stellenwert hat. Denn Vereine, die wie die TSG zum Beispiel in der Regionalliga turnen, müssen entsprechend hoch qualifizierte Kampfrichter stellen oder sie müssen sie bei „anderen Vereinen einkaufen“, erklärt Andrea Griem. Es gibt Klubs, die auf diese Möglichkeit zurückgreifen müssen. Backnang musste das bisher nicht. Zudem ist es „auch für unsere Mädels angenehmer, wenn da ein vertrautes Gesicht sitzt und ihre Übung mit beurteilt“, berichtet Petra Wolf.

„Für uns ist es schon ein Problem, dass zwei so erfahrene Leute wegbrechen“, bedauert Melanie Andergassen den Ausstieg des Duos, das damit aber nicht alle seine Tätigkeiten beendet, die es im Verein, dem Turngau Rems-Murr oder dem Schwäbischen Turnerbund innehat. Kürzertreten werden beide aber schon. Auch weil sie sich nicht mehr die anspruchsvollen und zeitintensiven Prüfungen und Schulungen antun wollen, die es für eine Lizenzverlängerung braucht. „Die Lizenz gilt immer für einen olympischen Zyklus“, erklären Wolf und Griem. Heißt: Nach dieser Saison starten die nächsten vier Jahre, wird der Code de Pointage, die Wertungsvorschriften, neu festgelegt. Die zwei Backnangerinnen wollen und müssen dafür nicht mehr büffeln.

Denn klar ist, dass sich auch im Turnen in den vergangenen Jahren viel verändert hat. Petra Wolf erzählt lachend: „Das geht schon mit den Namen los, früher hießen die Mädels Melanie, heute tauchen da immer öfter solche Namen wie Cheyenne auf.“ Manchmal ist es vielleicht ein Glück für sie und ihre Kolleginnen, dass sie nur die Übungen bewerten muss. Allerdings gibt es noch durchaus wichtigere Entwicklungen. „Bei mir waren es damals noch echte Vereinsmannschaften“, erinnert sich Melanie Andergassen und stellt fest: „Heutzutage sind wir als TSG Backnang beinahe schon in der Ausnahmerolle, der Rest ist fast immer eine Wettkampfgemeinschaft (WKG) sowie an einen Olympia- oder anderen Stützpunkt angedockt.“ Trotzdem kann die Riege aus dem Murrtal offensichtlich weiterhin gut mithalten und die Trainerin sowie die beiden Kampfrichterinnen sind sich einig: „So arg weit weg vom Niveau der Dritten Liga waren wir dieses Jahr definitiv nicht.“

Künftig müssen das am Mattenrand nun allerdings andere als Petra Wolf und Andrea Griem beurteilen. Deren Platz ist bei den Wettkämpfen der Backnanger Regionalliga-Riege nun auf der Zuschauertribüne, wo sie sich mit wachen Augen ganz aufs Daumendrücken konzentrieren können. Kugelschreiber und Papier sind in der neuen Saison das Arbeitszeug von anderen.

Großes Engagement und viele Ehrungen

Andrea Griem kam 1971 als Sechsjährige zur TSG. Nach ihrer Zeit als aktive Turnerin, unter anderem war sie Mitglied im Landeskader, war sie und ist zum Teil heute unter anderem noch Trainerin, Kampfrichterin und Fachwartin Gerätturnen. Auch beim Turngau, dem Schwäbischen Turnerbund und der Deutschen Turn-Liga, die die bundesweiten Ligen organisiert, engagierte sie sich. Dafür erhielt Andrea Griem viele Auszeichnungen vom STB, dem DTB, dem WLSB und dem Verein. Von der TSG gab es unter anderem die goldene Vereinsehrennadel und die Ehrenmedaille.

Petra Wolf begann 1971 ebenfalls als Sechsjährige mit dem Turnen. Auch sie engagierte sich früh schon im Verein, hatte dort vor allem die Jugendarbeit und das Kampfrichterwesen im Blick. Bei Zweiterem ist sie zudem seit vielen Jahren im Turngau Rems-Murr und dem Schwäbischen Turnerbund seit vielen Jahren tätig. Auch Wolf hat für ihre Arbeit bereits einige Auszeichnungen erhalten. Darunter sind silberne Ehrennadeln von der TSG Backnang und dem STB sowie die bronzene Ehrennadel des DTB.

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Erstellt:
28. Dezember 2021, 06:00 Uhr

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