Lieber Netto, wie bei der Gehaltsabrechnung

Von Steffen Grün

„Mehr Netto vom Brutto“ versprechen Politiker den Arbeitnehmern des Öfteren zu Wahlkampfzeiten, ein Thema sind diese beiden Kategorien aber auch beim Silvesterlauf. Denn hier gibt es die Bruttozeit, die für alle Läufer besagt, wie lange sie vom Moment des Startschusses bis zu ihrer Zielankunft unterwegs waren. Diese Bruttozeit berücksichtigt nicht, wie lange es für die weiter hinten startenden Sportler dauert, bis sie überhaupt einmal die offizielle Startlinie überquert haben – das tut die Nettozeit, die für jeden individuell erst genau in dem Moment auslöst. Viel aussagekräftiger ist deshalb die Nettozeit, weshalb unsere Zeitung die Ergebnislisten auch nach dieser Kategorie sortierte und veröffentlichte. Im Gegensatz dazu tauchen in den offiziellen Resultaten, die über die Silvesterlauf-Internetseite zu finden sind, in der Gesamtwertung aber die Bruttozeiten auf. Es braucht einen Blick in die angehängte, persönliche Urkunde, um die interessantere Nettozeit zu erfahren. Seitens der Backnanger Organisatoren ist angedacht, das für Silvester 2019 zu ändern. Denn es ist letztlich wie bei der Gehaltsabrechnung: Netto macht einfach mehr Laune.

Die sich alljährlich stellende Frage, ob es beim Backnanger Silvesterlauf erneut einen Teilnehmerrekord gegeben hat, ist dieses Mal leicht zu beantworten: Ja, das hat es. Wobei es im Prinzip zielführender ist, von einem Finisherrekord zu sprechen – also die Zahl jener im Auge zu behalten, die das Ziel erreicht haben. Oder die im Hauptlauf zumindest eine 2,5-Kilometer-Runde bewältigten, denn ab diesem Zeitpunkt werden die Läufer in der offiziellen Ergebnisliste erfasst. Verteilt auf alle fünf Wettbewerbe waren es 1518 Zielankömmlinge, womit die alte Bestmarke aus dem Jahr zuvor (1344) deutlich übertroffen wurde. Seinen Anteil daran hatte der neue BKZ-Lauf über 5 Kilometer, den bei der Premiere sofort 178 Frauen und Männer absolvierten. Darüber hinaus stiegen die Zahlen im Mini-Marathon und bei den Bambini, während im Hauptlauf und bei den Staffeln ein leichter Rückgang zu notieren war.

Unverändert riesig ist seit vielen Jahren die Zuschauerresonanz. Vor allem in der Marktstraße hat es etwas von einer Bergankunft bei der Tour de France, wie die Fans am Streckenrand dicht gedrängt die Sportler den knackigen Anstieg hinauftreiben. Zur Freude der Läufer verteilen sich die Besucher aber auch auf andere Stellen in der Stadt, worauf der Veranstalter ein weiteres Mal reagierte: Beim Obstmarkt wurde noch eine Lautsprecheranlage installiert, damit die Infos der im Start- und Zielbereich beim Rathaus platzierten Sprecher Alexander Hornauer und Bernd Koppitz auch dort ankommen. Erst 2018 war der Lautsprecher an der Spitzkehre von der Uhland- in die Grabenstraße dazugekommen. Für die Breitensportler hat das aber auch zur Folge, dass sie sich auf dem halben Kurs bereits die Siegerinterviews im Ziel anhören dürfen und Jens Mergenthaler oder Isabel Leibfried entspannt plaudern hören, während sie selbst mehr oder weniger aus dem letzten Loch pfeifen.

Zu den Streckenabschnitten, auf denen die Läufer weitestgehend auf Unterstützung verzichten müssen, gehört die langgezogene Talstraße – seit einigen Jahren aber nur noch auf dem ersten Teil des Wegs zwischen Aspacher und Sulzbacher Brücke, denn 100 Meter vor dem Bleichwiesenkreisel hat sich ein zusätzlicher Zuschauer-Hotspot etabliert. Etwa 100 Leute kommen dort zusammen, um ihre Kumpels, aber auch die anderen Teilnehmer anzufeuern. Dazu gibt es wummernde Bässe und für alle, die es mögen, etwas Hochprozentiges aus einem kleinen Plastikbecherchen. Ob der Schnaps allerdings dazu beiträgt, die letzten Kräfte zu mobilisieren oder ob er vielmehr die letzten Körner kostet, sei dahingestellt.