Löws gefühlte Turnierwoche: Dreiakter in der Corona-Blase

dpa Köln. 28 Mann für drei Spiele in sieben Tagen - so lautet Löws Formel für die Power-Woche der Nationalelf. Corona wird zur zusätzlichen Herausforderung, gerade beim Trip nach Kiew. Sportlich soll es vorwärts gehen. „Die Spieler haben richtig Bock“, wird versichert.

Die Drei-Länderspiele-Mission erinnert Bundestrainer Löw an ein Turnier. Foto: Christian Charisius/dpa

Die Drei-Länderspiele-Mission erinnert Bundestrainer Löw an ein Turnier. Foto: Christian Charisius/dpa

Im Kölner Nieselregen huschte Joachim Löw nach einem vorbildlich mit Maske und Corona-Abstand aufgenommenen Handy-Foto für einen Fan ins Teamhotel und startete in eine seltsame Arbeitswoche.

Mit der ersten Abordnung seines XXL-Kaders ohne den erkälteten Timo Werner und acht weitere Nachzügler um den erst später anreisenden Bayern-Block muss der Bundestrainer mit der Nationalmannschaft eine Mission der besonderen Art bewältigen. „Wir haben drei Spiele innerhalb von sieben Tagen, das ist schon anspruchsvoll und erinnert mich an ein Turnier“, erklärte Löw. Türkei, Ukraine, Schweiz heißen die Prüfungen - und das unter den Erschwernissen der Corona-Pandemie, speziell mit der Auswärtsreise ins Risikogebiet nach Kiew.

DFB-Direktor Oliver Bierhoff sieht alle Beteiligten vor besonderen Herausforderungen. „Wir wollen sie meistern und erfolgreich meistern. Wir wollen auf der Länderspielreise erfolgreich Fußball spielen, guten Fußball spielen und als Mannschaft zusammenfinden“, sagte der 52-Jährige am Montag beim Treffpunkt von zunächst 18 Akteuren. Der erkrankte Chelsea-Stürmer Werner soll zeitnah nachkommen, ist für den ersten Akt gegen die Türkei aber damit ein Streichkandidat. Auch Antonio Rüdiger vom FC Chelsea, der am letzten Tag des aktuellen Transfensters von Löw freigestellt wurde, fehlte am Montag noch.

Bierhoff und Löws Assistent Marcus Sorg stellten sich am ersten Tag der Aufgabe, den Wert des Länderspiel-Dreiakters zu erläutern und zu verteidigen. Das zusätzliche Testspiel am Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) gegen die Türkei behagt Löw nicht. Er hätte lieber trainiert und Kräfte gespart. Die Partie ist aber für den DFB finanziell wichtig. Der Verband muss auch seinen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der UEFA (40 Länderspiele in vier Jahren) nachkommen.

„Man muss ehrlich sein, das Türkei-Spiel hat nicht die Wertigkeit der Nations League“, gestand Bierhoff. Er sprach von „Kopfzerbrechen für die Trainer“, wie sie die Belastung am sinnvollsten aufteilten.

Löw reagierte mit einem Mammutkader. 28 Mann für drei Spiele in sieben Tagen lautet seine Formel nach der Absage des verletzten Schalkers Suat Serdar. Die stark belasteten Münchner Manuel Neuer, Niklas Süle, Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Serge Gnabry, die Leipziger Marcel Halstenberg und Lukas Klostermann sowie der noch angeschlagene Toni Kroos stoßen erst am Dienstagabend zum Team und werden gegen die Türken nicht eingesetzt. „Drei Spiele in kurzer Folge sind unsinnig“, bemerkte Bierhoff zu Löws Einsatzplanung.

Eher pessimistisch stufte der Manager die Aussichten ein, gegen die Türkei erstmals seit fast einem Jahr wieder vor Publikum zu spielen. Die Infektionszahlen in Köln lagen zu Wochenbeginn bei einem leicht gestiegenen Inzidenzwert von über 38. „Meine Hoffnung ist nicht groß“, kommentierte Bierhoff. Die finale Entscheidung trifft das Gesundheitsamt Köln. Der DFB würde 9200 Freikarten verteilen.

Corona, Corona, Corona - das verflixte Virus diktiert auch den zweiten Länderspielzyklus des Jahres. „Es ist immer ein Flug auf Sichtweite“, stöhnte Bierhoff. Im Kölner Hotel lebt der DFB-Tross in einem abgeriegelten Raum auf zwei Etagen. Der Aufenthalt begann für alle mit Testungen. Der Kurztrip nach Kiew an diesem Freitag wird in einer total abgeschotteten Team-Blase erfolgen. „Die Verantwortung gegenüber den Vereinen ist uns sehr wichtig“, erklärte Bierhoff.

Meldungen über zwei positiv getestete Akteure der ukrainischen Gastgeber wurden auch im DFB-Quartier aufmerksam registriert. Das Hygienesystem greife auch bei anderen Nationen, schlussfolgerte Bierhoff. „Wir planen, dass alles funktioniert“, versprach er.

Auf dem Spielfeld soll es ebenfalls besser funktionieren als bei den 1:1-Unentschieden zum Nations-League-Auftakt gegen Spanien und in der Schweiz. „Es geht nichts über den Sieg, gute Gewinne und tolle Tore“, sagte Bierhoff. Das erklärte Oktober-Ziel sei es, wieder Begeisterung für die Nationalelf zu wecken. Er nehme die Stimmungen rundum sehr ernst, sagte der 52-Jährige. Über Sinn oder Unsinn von Länderspielen im Herbst werde freilich jedes Jahr neu diskutiert. Und bei den „tollen Turnieren“ im Sommer erkenne dann jeder: „Es lohnt sich!“

Gerade die Bayern-Rückkehrer sollen die Mannschaft im zweiten Teil der Woche wieder stärker machen. Gegen die Türken dürfen sich davor wohl neben einigen Reservisten die drei Länderspiel-Debütanten Jonas Hofmann, Florian Neuhaus (Borussia Mönchengladbach) und Mahmoud Dahoud (Borussia Dortmund) empfehlen, wie Sorg andeutete: „Gegen die Türkei können wir Dinge ausprobieren. Pflichtspiele muss man positiv bestreiten.“ An der nötigen Einstellung der Mannschaft mochte Löws Assistent keinerlei Zweifel zulassen. „Die Spieler haben richtig viel Bock auf die Nationalmannschaft“, erklärte Sorg sehr energisch.

© dpa-infocom, dpa:201004-99-824009/8

Bundestrainer Joachim Löw bei der Ankunft der Nationalmannschaft in Köln. Foto: Federico Gambarini/dpa

Bundestrainer Joachim Löw bei der Ankunft der Nationalmannschaft in Köln. Foto: Federico Gambarini/dpa

Alles auf Abstand: Bundestrainer Joachim Löw bei der Ankunft der Nationalmannschaft in Köln. Foto: Federico Gambarini/dpa

Alles auf Abstand: Bundestrainer Joachim Löw bei der Ankunft der Nationalmannschaft in Köln. Foto: Federico Gambarini/dpa

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Erstellt:
5. Oktober 2020, 05:16 Uhr

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