Schluss mit „zu viel Bierhoff“ - Löw spricht am Montag

dpa Zürich. Auch nach dem „Weiter so“ des DFB halten die emotionalen Debatten um Joachim Löw und sein Team an. Der Langzeit-Bundestrainer erhält prominenten Zuspruch, aber auch Kritik. Am Montag will Löw sich öffentlich erklären. Danach wird gelost.

Joachim Löw will sich öffentlich zur Nationalmannschaft äußern. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Joachim Löw will sich öffentlich zur Nationalmannschaft äußern. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Joachim Löw bricht sein Schweigen. Noch vor der Auslosung der Qualifikationsgruppen für die Katar-WM 2022 will sich der Bundestrainer an diesem Montag öffentlich erklären - gestärkt von den warmen Worten enger Wegbegleiter am Wochenende.

Der Deutsche Fußball-Bund versucht mit dem anberaumten digitalen Pressegespräch (16.00 Uhr) nebenbei, die Debatte um „zu viel Bierhoff“ zu beenden, die Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge kurz vor dem Bundesliga-Spitzenspiel noch einmal angeheizt hatte.

„Wenn bei Bayern München schlecht gespielt wird, muss der Trainer zur Pressekonferenz und nicht der Sportdirektor“, monierte Rummenigge am Samstag mit Blick auf das 0:6 in Spanien. Am Sonntag saß (allerdings schon länger geplant) aber wieder der für die Nationalmannschaften zuständige DFB-Direktor Oliver Bierhoff beim TV-Sender Sky im Studio. Schon am Freitag war es der Ex-Nationalspieler gewesen, der ausführlich die sportliche Analyse vorgestellt hatte, nicht Löw. Aus gutem Grund, wie Bierhoff meinte.

„Es sind so viele Emotionen drin“, sagte er am Sonntag zum Streit um das richtige Krisenmanagement. Da sei es schwer, den richtigen Zeitpunkt für einen Auftritt des Bundestrainers zu finden. Wenig später verschickte der DFB die Einladung zum Pressegespräch mit Löw. Es gibt viele Fragen, die Debatte über die wichtigste deutsche Fußball-Mannschaft hat sich nach der „Weiter so“-Entscheidung der Verbandsführung kaum beruhigt. Auch wenn der DFB-Kapitän Haltung zeigte.

„Wir sind den Weg mit ihm zusammen gegangen, wo wir viel ausprobiert haben. Die Situation war für uns als Nationalmannschaft ganz anders als erwartet. Wir mussten mit den Umständen klarkommen“, sagte Manuel Neuer im ZDF. 2021 wolle das Team das „miserable Spiel“ in Spanien vergessen machen. „Wir hoffen, dass wir es im neuen Jahr und gerade zur Europameisterschaft besser machen können. Das ist unser großes Ziel.“

Liverpool-Trainer Jürgen Klopp glaubt daran. „Die Menschen denken immer, der nächste Trainer macht es sofort besser“, äußerte er in einem Interview der „Welt am Sonntag“. Dabei sei Löw als Bundestrainer über viele Jahre extrem erfolgreich gewesen. Klopp sieht eine riesige Chance: „Nächstes Jahr ist Europameisterschaft. Vielleicht gewinnt er oder kommt weit. Übrigens: Keiner ist perfekt.“ Von ihm komme „0,0 Prozent Kritik“, betonte Klopp, der immer wieder als heißer Kandidat für eine Löw-Nachfolge gehandelt wird.

„Natürlich hat man immer etwas im Kopf“, sagte Bierhoff zu Alternativen zu Löw. Er habe aber „mit keinem konkret darüber gesprochen, was passieren würde, wenn Joachim Löw nicht mehr Bundestrainer ist“. Löws Vertrag läuft nach der Winter-Weltmeisterschaft in Katar Ende 2022 aus. Einen konkreten Plan, mit Klopp als Coach die Heim-Europameisterschaft 2024 anzustreben „kann es nicht geben“, sagte der 52-jährige Bierhoff. Denn Klopp stehe beim englischen Meister FC Liverpool schließlich bis Mitte 2024 unter Vertrag.

„Die Qualität unserer Toptrainer steht außer Frage“, sagte Bierhoff allgemein zu Klopp oder auch Bayern-Coach Hansi Flick, der beim WM-Titelgewinn 2014 in Brasilien Löws Assistent gewesen war. Jetzt sei Löw - zumindest für den DFB - nach wie vor die Bestbesetzung: „Er hat absolut das Feuer und auch eine klare Vorstellung.“

Löw beansprucht für sich, dass ihm die Verbandsspitze auch in Personalfragen weiterhin folgt. Eine Rückkehr der Ex-Weltmeister Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels hatte er erst zuletzt wieder abgelehnt. „Das ist die alleinige Entscheidung des Trainers. Der wird das irgendwann beantworten müssen“, bekräftigte Bierhoff.

Spätestens bei der Nominierung des EM-Kaders im kommenden Mai muss Löw sich endgültig erklären. „Ich glaube nicht, dass er noch einmal einen U-Turn macht“, sagte ZDF-Experte Per Mertesacker, der zehn Jahre unter Löw spielte und mit ihm 2014 Weltmeister wurde. „Jogi Löw wird sich nicht verändern“, glaubt der Ex-Nationalspieler. Er brauche vielmehr Zeit mit den Spielern, „um das Feuer wieder entfachen zu können“, sagte der Ex-Nationalverteidiger im „Sportstudio“.

Müller hielt sich in der Frage nach einem DFB-Comeback betont zurück. Das sei momentan „ganz weit weg“, sagte der 31-Jährige nach seinem starken Auftritt im Bundesliga-Spitzenspiel der Bayern gegen RB Leipzig (3:3). Er konzentriere sich auf seinen Club, aber: „Ich bleibe dran und dann schauen wir mal.“ Die Entscheidung pro Löw sei vom DFB getroffen worden: „Deswegen müssen alle Deutschen hinter dieser Entscheidung stehen und alles dafür tun, dass wir da wieder Schwung reinbringen in die Bude“, sagte Müller. „Und mit Joachim Löw bringen wir auch wieder Schwung in die Bude!“

Die erste Chance dafür kommt erst nach der langen Winterpause im März. In Zürich ziehen am Montag (18.00 Uhr/Sky Sport News) die ehemaligen Weltklasseprofis Rafael van der Vaart (Niederlande) und Daniele de Rossi (Italien) die Lose für die Qualifikation für die WM 2022 in Katar. Löw, der wie alle anderen Trainer wegen der Pandemie nicht vor Ort ist, weiß dann, auf welche Gegner trifft. Damit beginnt der Wettbewerb, der zeitgleich mit Löws Vertrag endet.

Da sich Deutschland in den ersten Lostopf gespielt hat, geht das Löw-Team Top-Nationen wie Frankreich, England oder Belgien aus dem Weg. Aus Topf zwei könnte Österreich, Polen oder die Schweiz kommen. In Topf drei steckt die Kategorie Ungarn, Russland, Tschechien. Dazu kommen in der Fünfer- oder Sechser-Gruppe noch Außenseiter.

© dpa-infocom, dpa:201206-99-590491/5

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Erstellt:
6. Dezember 2020, 12:18 Uhr

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