Mit klarer Linie und Haltung zum Rekord

Der einstige Oberliga-Schiedsrichter und Bundesliga-Linienrichter Gerhard Klaiber pfeift am Sonntag sein 3 000. Fußballspiel

„Schimpfwörter in allen Sprachen zu kennen, sind für einen Schiedsrichter von Vorteil“, sagt Gerhard Klaiber, schmunzelt verschmitzt und entschwindet. Der 66-Jährige hat noch mehr zu tun, als über die 2999 Fußballspiele zu reden, die er seit 1972 als Unparteiischer geleitet hat. Nächsten Sonntag steht Partie Nummer 3000 an. Eine solche Vielzahl ist selbst bundesweit außergewöhnlich.

Gerhard Klaiber (links) und sein Kollege Heinz Hautzinger lernten als Assistenten von Manfred Neuner (rechts) auch die Großen des deutschen Fußballs wie hier Franz Beckenbauer kennen.

Gerhard Klaiber (links) und sein Kollege Heinz Hautzinger lernten als Assistenten von Manfred Neuner (rechts) auch die Großen des deutschen Fußballs wie hier Franz Beckenbauer kennen.

Von Uwe Flegel

Rommelshausen gegen Neustadt ist eine von tausenden Kreisliga-B-Partien der Republik am Sonntag. Ungewöhnlich ist die Begegnung nur, weil sie Gerhard Klaiber pfeift. Es ist sein 3 000. Fußballspiel als Schiri. Eine Zahl, die nicht nur irgendwie hin kommt, sondern stimmt. Das weiß jeder, der Oppenweilers früheren Kämmerer kennt. Klaiber nimmt es genau. Neben und auf dem Fußballplatz: „Ich habe eine klare Linie, davon gehe ich nicht weg.“ Egal, ob einst in der Ober- und Bundesliga oder heute bei der Jugend und in der Kreisliga. Sein Motto: „Tue Recht und schone niemanden.“

Worte sind es, die der alte Hase seinen pfeifenden Kollegen mit auf den Weg gibt. Er sagt einerseits: „Bei mir gab und gibt es immer noch Spiele, in denen ich keine Karte benötige.“ Andererseits: „Würden alle Schiris so pfeifen wie es die Regeln vorgeben, dann hätten wird die Linie nicht jetzt zur Winterpause verschärfen müssen.“ Er nimmt für sich als Schiedsrichter das in Anspruch, was die Spieler auch als ihr Recht ansehen. Einen vernünftigen Umgang miteinander. „Klar fällt im Eifer des Gefechts eines Spiels mal das eine oder andere Wort, aber das darf nur soweit gehen, dass man sich nach dem Abpfiff noch die Hand geben und in die Augen schauen kann.“ Klaiber weiß, dass da auch seine Zunft gefragt ist: „Wenn ich mal daneben liege und es gleich merke, dann gibt es eben Schiedsrichter-Ball. Ich muss bereit sein, meinen Fehler zuzugeben.“ Zur Leitung eines Spiels gehört für ihn mehr, als nur in die Pfeife zu pusten: „Schiedsrichterei in einer solch langen Zeit in allen Klassen ersetzt einem das Psychologie-Studium. Mir hat es auch beruflich geholfen.“

Pfeift kommenden Sonntag sein 3000 Fußballspiel: Gerhard Klaiber. Foto: A. Hornauer

© Alexander Hornauer

Pfeift kommenden Sonntag sein 3 000 Fußballspiel: Gerhard Klaiber. Foto: A. Hornauer

Es hat ihm zudem Erlebnisse gebracht, die er nicht vergisst. Ein Beispiel ist das Oberliga-Duell Ende März 1992 zwischen den Stuttgarter Kickers II und dem SV Sandhausen. „Es war das einzige Oberliga-Spiel, das je auf einem Hartplatz stattgefunden hat“, erinnert sich Klaiber und erzählt, dass SVS-Trainer Bobby Jovanovic vor dem Spiel wütete, „sie würden nur unter Protest spielen“. Zweieinhalb Stunden später hatte Sandhausen mit 2:1 gesiegt und Jovanovic wollte von einem Einspruch nichts mehr hören: „Gerhard spinnst du.“ Ebenfalls gut in Erinnerung ist Klaiber das Revier-Derby Schalke 04 gegen Dortmund (5:2) als Assistent von Fifa-Schiri Manfred Neuner im August 1991 „vor 70 000 Zuschauern im alten Parkstadion“. Und: „Bei jedem Eckball von Michael Rummenigge sind aus der Schalker Ecke Feuerzeuge auf ihn und auf mich rein geprasselt.“ Nicht vergessen hat der für die SKG Erbstetten pfeifende 66-Jährige auch sein Debüt: „Das war am 5. April 1972 das D-Jugend-Spiel zwischen Burgstall und Viktoria Backnang. FCV-Trainer war Heiner Reinert und Ralf Rangnick saß damals als 13-Jähriger als Helfer seines Onkels auf der Bank.“

Die Jugend hat es Klaiber ohnehin angetan: „Das macht am meisten Spaß.“ Wobei er grundsätzlich sagt, dass die Lust am Pfeifen die paar Frusterlebnisse deutlich übersteigt. Klaiber verschweigt allerdings nicht, dass es das Miteinander nach den Spielen mittlerweile fast nicht mehr gibt. Vorbei seien die Zeiten, als Hausherren, Gäste und Schiedsrichter nach einem Spiel noch im Vereinsheim zusammen saßen, mehr oder weniger hitzig die vorherigen 90 Minuten auf dem Platz miteinander diskutierten und dabei ab und zu auch Verständnis für die Position des anderen bekamen. „Es war und ist eine angenehme Zeit mit Spielern und Betreuern“, urteilt der Schiri und sagt zum Thema, wie lang er noch pfeifen will: „So lang mich die Füße tragen.“

Gebraucht wird er auf jeden Fall weiterhin. Zwar schafft er es nicht mehr wie einst beim Aspach-Pokal, an einem Tag vier 90-minütige Spiele nacheinander zu pfeifen, oder am Samstag das Oberliga-Spiel Geislingen gegen Wangen und tags drauf ebenfalls in der Oberliga die Begegnung KSC II gegen VfB Stuttgart II zu leiten, doch immerhin war er vergangenes Jahr noch bei 54 Partien der Schiedsrichter. Er gilt als Mister Zuverlässig und springt wie einst auch weiterhin kurzfristig ein, wenn es nötig ist. Auch deshalb hat es Gerhard Klaiber auf die stolzen 3 000 Partien gebracht. Die Liga ist ihm ebenso egal wie das Alter der Jungs, Männer oder Frauen, die unter seiner Regie dem Ball hinterher jagen. „Wenn du wie ich selbst mal Einteiler warst, dann machst du alles“, sagt Gerhard Klaiber und hat sich geschworen: „Ich strenge mich an, um den Spielern und Mannschaften gerecht zu werden.“

Info

Gerhard Klaiber hat als Zwölfjähriger bei der SKG Erbstetten mit dem Fußball begonnen und pfeift heute noch für seinen Heimatverein. Als A-Jugendlicher erlitt er bei einem Verkehrsunfall einen offenen Schien- und Wadenbeinbruch. Nach eineinhalb Jahren Pause probierte er es zwar noch einmal, doch war seine Zeit als Spieler bald vorbei. Dafür engagierte er sich bei der SKG früh in der Jugendarbeit und bis heute als Schiri.

Als Unparteiischer brachte es Klaiber bis zur Oberliga. In der damals dritthöchsten deutschen Spielklasse pfiff er von 1985 bis 1993, ehe er sich „nach der Geburt meiner Zwillinge“ freiwillig zurückzog und stolz sagen kann: „Ich bin als Schiedsrichter nie abgestiegen.“ Assistent war er in der Ersten Bundesliga im Gespann von Manfred Neuner und zweimal bei Eugen Striegel. In der Zweiten Liga war er vor allem an der Seite von Günther Frey und Reiner Domberg. Zudem assistierte er im August 1995 Markus Merk in der ersten DFB-Pokalrunde bei der Partie zwischen den Stuttgarter Kickers und Bayern München: „Das war im Neckarstadion und Markus Sailer hat bei den Kickers gespielt.“

In der Schiedsrichtergruppe Backnang war Klaiber von 1984 bis 1996 Obmann, danach engagierte er sich kurze Zeit als Beobachter sowie sechs Jahre lang als Einteiler. Seit 1984 bis heute ist Klaiber Kassier des Schiedsrichter-Fördervereins. Als sportlichen Ziehvater bezeichnet er den Aspacher Heinz Fehr, „der selbst bis zur vierthöchsten Liga gepfiffen hat und auch als Fußballer in Großaspach ein großer Torjäger war“.

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Erstellt:
11. März 2020, 06:00 Uhr

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