Mit starkem Rückenwind ins Olympiajahr

Ob Platz drei bei der EM in Prag tatsächlich der bislang größte Erfolg für Katharina Menz war, hängt von der Betrachtungsweise ab. Klar ist: Die TSG-Judoka hat Blut geleckt und träumt davon, sich auch beim weltgrößten Sportereignis ein Edelmetall zu schnappen.

Nur scheinbar unterlegen, am Ende obenauf: Katharina Menz (weißer Anzug) sicherte sich in Prag im kleinen Finale gegen die Spanierin Laura Martinez Abelenda die EM-Bronzemedaille. Foto: Imago

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Nur scheinbar unterlegen, am Ende obenauf: Katharina Menz (weißer Anzug) sicherte sich in Prag im kleinen Finale gegen die Spanierin Laura Martinez Abelenda die EM-Bronzemedaille. Foto: Imago

Von Steffen Grün

Auf nationaler Ebene ist Katharina Menz im Leichtgewicht eine Klasse für sich. Es gab von 2014 bis 2019 keine andere Deutsche Meisterin als die Backnanger Kämpferin und die Behauptung ist nicht besonders gewagt, dass sie Anfang dieses Jahres den siebten Titel in Serie geholt hätte, wenn sie nicht zeitgleich anderweitig beschäftigt gewesen wäre. Statt in Stuttgart war sie bei einem Grand Prix in Tel Aviv auf der internationalen Bühne im Einsatz, wo die Trauben in der Gewichtsklasse bis 48 Kilogramm logischerweise deutlich höher hängen. In der israelischen Metropole am Mittelmeer ereilte Menz das frühe Aus, doch bei anderen Turnieren rund um den Erdball sah das auch schon anders aus. In ihrer sportlichen Vita stehen mehrere Podestplätze bei Grand-Slam- und Grand-Prix-Wettbewerben, nur bei Welt- und bei Europameisterschaften war sie – abgesehen vom zweiten Platz bei der U-21-WM 2009 – bislang ohne Edelmetall geblieben.

Das hat sich nun mit der Bronzemedaille bei den kontinentalen Titelkämpfen in der Hauptstadt der Tschechischen Republik geändert. Die Frage, ob es sich für Katharina Menz damit zwangsläufig um den bislang größten Erfolg handelt, ist im Vergleich zu den anderen Höhepunkten ihrer Karriere trotzdem nicht eindeutig zu beantworten. Und es ist letztlich auch egal, für die 30-Jährige hat der Podestplatz in Prag auf alle Fälle „einen sehr hohen Stellenwert“. In normalen Zeiten wäre sie vor lauter Freude den Delegationsmitgliedern um den Hals gefallen und hätte anschließend am Mattenrand den weiteren Deutschen die Daumen gedrückt. Miteinander wäre nach getaner Arbeit vielleicht die eine oder andere Flasche Sekt geköpft oder die Altstadt der Metropole an der Moldau unsicher gemacht worden, doch mitten in der Coronapandemie „fiel das alles flach“, sagt Menz, ohne wahnsinnig enttäuscht zu klingen. Es war nicht anders zu erwarten – auch die eigentlich obligatorische Feierstunde im Dojo der TSG Backnang, die ihr Trainer Jens Holderle und die anderen Verantwortlichen ihres Heimatvereins liebend gerne für das langjährige Aushängeschild auf die Beine organisiert hätten, fällt der aktuellen Situation zum Opfer.

Deshalb Frust zu schieben, bringt niemandem etwas. „Da kann man nichts machen“, betont die Werkstudentin bei einem großen deutschen Autobauer, die nach ihrem großen Erfolg am vergangenen Donnerstag noch am selben Abend mit einer Teamkollegin nach München düste, in der bayerischen Hauptstadt übernachtete und bereits am Freitag ins Schwabenland zurückkehrte. „Mir geht es gut“, beantwortet Katharina Menz die Frage nach dem persönlichen Wohlbefinden, was nach einem Kurztrip in ein Land, in dem die Infektionszahlen inzwischen zwar wieder sinken, das unlängst aber noch zu den europäischen Hotspots zählte, das Wichtigste ist: „Diesen Mittwoch mache ich sicherheitshalber allerdings noch einmal einen Test.“ Das ist dann schon das siebte Mal in den vergangenen gut drei Wochen, „mal ist es angenehmer, mal weniger angenehm“. Das hängt in erster Linie davon ab, ob ein Nasen- oder Rachenabstrich gemacht wird.

Vor allem im Vorfeld der Judo-Europameisterschaft diente die mehrfache Suche nach dem Virus der Sicherheit aller Teilnehmer. „Jeder durfte nur mit mindestens zwei negativen Tests innerhalb von fünf Tagen anreisen“, erläutert Menz und kann auch den Beleg dafür liefern, dass die Regelung sehr ernst genommen wurde: Israel zog nach zwei positiven Fällen sein komplettes Frauenteam zurück. Die Vorsichtsmaßnahmen fanden in der Sporthalle ihre Fortsetzung, die Maskenpflicht war allgegenwärtig und wurde strengstens kontrolliert. Nur für das Aufwärmprogramm sowie den Kampf selbst durften die Athleten den Mund- und Nasenschutz abnehmen. Ein Konzept, das auch für die künftigen Wettkämpfe in Pandemiezeiten tragfähig ist? Durchaus, glaubt die mittlerweile in Magstadt wohnende Backnangerin, jedoch sind mit dem Grand Slam in der Olympiastadt Tokio und dem Grand Prix in Zagreb die letzten beiden dieses Jahr noch geplanten Turniere bereits abgesagt.

Weiter gehen soll es nach dem Jahreswechsel am 10. und 11. Januar mit dem Masters in Doha, das ist die höchste Kategorie. „Ich will so weit wie möglich kommen“, verkündet Menz, die das Ticket für die auf 2021 verschobenen Olympischen Spiele zwar schon in der Tasche hat, die Punkte aber trotzdem dringend brauchen kann. Und zwar deshalb, weil sie bis zum weltgrößten Sportereignis noch in die Top Acht der Weltrangliste vorrücken will, um gesetzt zu sein und den dicksten Brocken anfangs aus dem Weg zu gehen. „Wenn etwa das Masters gut läuft, könnte das realistisch sein“, betont die 30-Jährige, die wie ihre Rivalinnen auf den weiteren Terminplan wartet. Geplant sind ein zweites Masters, eine WM und EM sowie der eine oder andere Grand Slam, bevor in Japans Hauptstadt um die olympischen Edelmetalle gekämpft wird. „Eine Medaille ist ein Traum und an einem guten Tag auch drin“, wagt Katharina Menz schon einen Ausblick auf den nächsten Sommer.

Sie ist zuversichtlich, dass die Olympischen Spiele im zweiten Versuch stattfinden, wenn auch eventuell ohne Zuschauer: „Das wäre kein Weltuntergang, im Judo kämpft man öfters vor leeren Rängen.“ Es wäre ihr gleichwohl anders lieber, „meine Familie wäre gerne live dabei“. Die Hauptsache ist aber, dass es überhaupt klappt, denn ob Menz auch noch 2022 oder bei einer kompletten Absage erst 2024 in Paris dabei wäre, steht derzeit in den Sternen.

Drei weitere deutsche Medaillen

Sechs von neun deutschen Starterinnen bei der EM in Prag treten in der Bundesliga für Backnang auf die Matte, alle vier deutschen Podestplätze gingen indirekt aufs TSG-Konto. Zur Bronzemedaille für Katharina Menz (bis 48 Kilogramm) gesellten sich weitere dritte Ränge von Theresa Stoll (bis 57) und Martyna Trajdos (bis 63). Luise Malzahn (bis 78) holte sogar die Silbermedaille.

Nathalie Rouviére (bis 52) und Anna Maria Wagner (bis 78) schieden dagegen frühzeitig aus. Ohne Edelmetall blieben in Tschechiens Hauptstadt Deutschlands Männer.

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Erstellt:
24. November 2020, 06:00 Uhr

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