Nagelsmann zum „Lebenstraum“ Bayern - Flick bald zum DFB?

dpa München. Der Mega-Deal, Teil eins. Auf den wohl zukünftigen Bundestrainer Hansi Flick folgt Julian Nagelsmann beim FC Bayern. Die Münchner zahlen eine „massiv hohe Rekordablöse“ an Leipzig. Nagelsmann wird deshalb „nicht angst und bange“.

Mit der Verpflichtung von Trainer Julian Nagelsmann (l) macht Bayern München für Hansi Flick den Weg ins Amt des Bundestrainers frei. Foto: Matthias Balk/dpa

Mit der Verpflichtung von Trainer Julian Nagelsmann (l) macht Bayern München für Hansi Flick den Weg ins Amt des Bundestrainers frei. Foto: Matthias Balk/dpa

Dank eines Ablöse-Weltrekords erfüllt sich Julian Nagelsmann den „Lebenstraum“ vom FC Bayern - und Hansi Flick ist seinem Herzenswunsch ganz nah. Die spektakulärste Trainer-Rotation in der deutschen Fußball-Geschichte ist weitestgehend perfekt.

Nagelsmann will nach seinem Abgang aus Leipzig die historisch erfolgreiche Titeljagd des vermutlich künftigen Bundestrainers Flick fortsetzen. Nach der Vertragsauflösung der Münchner mit Flick wird bald dessen Vorstellung beim DFB als Nachfolger von Joachim Löw erwartet. Der Verband kündigte bereits Gespräche mit Flick und dem FC Bayern an. Leipzig, das von den Bayern die höchste Ablöse für einen Trainer im Fußball erhält, steht nicht nur wegen des Nagelsmann-Abgangs vor einer Zäsur.

Nagelsmann unterschreibt beim Rekordmeister einen Fünfjahresvertrag bis zum 30. Juni 2026, was einen großen Vertrauensvorschuss für den erst 33-Jährigen und bislang titellosen Coach bedeutet. „Das Gesamtpaket ist einfach ein besonderes. Für keinen anderen Verein hätte ich das gemacht“, sagte Nagelsmann zum vorzeitigen RB-Ende - und gab sich angesprochen auf die Millionenzahlung im zweistelligen Millionen-Bereich cool.

„Grundsätzlich ist mir jetzt nicht angst und bange aufgrund einer Ablösesumme“, sagte Nagelsmann. Der gebürtige Bayer freut sich viel mehr auf das reizvolle neue Amt in dem Verein, von dem er als Kind und Jugendlicher Fan der Münchner war. Und auf seine Familie, die schon im Freistaat wohnt.

Wie Flick mit der Meisterschaft will sich Nagelsmann auch mit einem Titel vom aktuellen Verein verabschieden - mit dem Pokalsieg. Und nächste Saison wird Nagelsmann dann von RB gejagt. „Voller Angriff auf Julian Nagelsmann und den FCB“, verkündete Vorstandschef Oliver Mintzlaff neben ihm sitzend das künftige Motto. Ob dann der gehandelte Amerikaner Jesse Marsch aus Salzburg für den ursprünglich bis 2023 an Leipzig gebundenen Nagelsmann übernimmt, ist offen.

Offen ist auch noch der Name des neuen Bundestrainers - aber eigentlich nur noch offiziell. Die Bayern machten mit der Auflösung des bis zum 30. Juni 2023 datierten Flick-Vertrages in diesem Sommer den Weg zu Nationalmannschaft frei. Der 56-Jährige äußerte sich bei seinen Dankesworten nicht zur Zukunft, die aber jeder in Fußball-Deutschland im Löw-Amt erwartet.

In dieser Causa könnte es nun auch ganz schnell gehen. „Es ist bekannt, dass Hansi Flick beim DFB eine große Wertschätzung genießt und ein hervorragender Kandidat als Bundestrainer ist. Wir können bestätigen, dass wir vor diesem Hintergrund nun auch Gespräche mit Hansi Flick und den Verantwortlichen des FC Bayern führen werden“, teilte der Verband auf dpa-Anfrage mit.

Spekuliert wurde auch, dass Co-Trainer Miroslav Klose Flick im Falle eines Wechsels zum DFB begleiten könnte. Auch der Vertrag des WM-Rekordtorjägers läuft aus.

Flick, der im November 2019 die Nachfolge von Niko Kovac antrat, blickt auf „unvergessliche“ anderthalb Jahren als Cheftrainer in München mit „Emotionen, Siege und Titeln“ zurück. Der Abschied mit der Meisterschale als siebte Trophäe ist fast perfekt. Hansi Flick werde „immer einen Platz in den Geschichtsbüchern des FC Bayern haben“, dankte Präsident Herbert Hainer. Der Nachfolger von Uli Hoeneß freut sich auf die Amtszeit mit dem neuen jungen Mann als Vertreter einer „neuen Trainergeneration“.

Über die gerade in Corona-Zeiten für einen Trainer hohe Ablöse kann nur spekuliert werden. Die in den Raum geworfenen 30 Millionen Euro werden sicher nicht erreicht. Aber auch die kolportierten rund 15 Millionen Euro plus Prämienzahlungen sind ein Rekord.

Bislang waren die 7,5 Millionen Euro für den Wechsel von Adi Hütter von Eintracht Frankfurt zu Borussia Mönchengladbach der Ablöse-Höchstwert eines Trainers in Deutschland. International gilt der Wechsel von Andre Villas Boas vom FC Porto zum FC Chelsea vor zehn Jahren als Bestmarke. Von 15 Millionen Euro war damals die Rede - mit Nachzahlungen läge der aktuelle Deal darüber. „Bei den Spielern gibt es viele, die deutlich mehr kosten, auch die haben mit dem Druck umzugehen und ihre Leistung zu bringen. So ist es bei mir auch“, sagte Nagelsmann, der nach dem schon länger feststehenden Transfer von Dayot Upamecano keine weiteren Stars mitnehmen will.

Zusammen mit den 42,5 Millionen Euro für Abwehrchef Upamecano überweisen die Münchner deutlich über 50 Millionen Euro an RB. Inwieweit das und eine von den Münchnern coronabedingt kalkulierten Umsatzeinbuße von 150 Millionen den Handlungsspielraum für Transfers im Sommer einschränkt und wie stark Nagelsmann als von Sportvorstand Hasan Salihamidzic geschätzte Wunschlösung mitgestalten darf, bleibt abzuwarten. In Transferfragen gab es wiederholt Differenzen zwischen Salihamidzic und Flick, die sich drei Bundesliga-Spiele vor dem Ende ihres gemeinsamen Weges in den Pressemitteilungen dankten.

Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge äußerte sich überraschend zunächst nicht. Diese Rolle übernahm für den Vorstand Oliver Kahn - ein Vorgriff auf die Zukunft in der Führungsetage an der Säbener Straße. „Allein schon Julians Vertragslaufzeit von fünf Jahren zeigt, wie sehr er sich mit dem FC Bayern identifiziert“, sagte Kahn, der zum Jahresende Rummenigges Posten übernimmt.

Die Münchner regeln nicht nur ihre Lieblingslösung für die Flick-Nachfolge. Sie schwächen noch den zuletzt größten Konkurrenten, bei dem der Abgang von Sportdirektor Markus Krösche schon feststand. „Wir werden die Lücke schließen, werden weiterhin auf Angriff gehen“, sagte Mintzlaff. Er erinnerte an Abgänge wie die von Timo Werner (FC Chelsea) oder Naby Keïta (FC Liverpool). Auch danach habe man weiter Erfolg gehabt. „Es ist nicht so, dass wir den Kopf in den Sand stecken“, sagte Mintzlaff.

Für den konzerngeführten RB-Club gab am Ende aber die „rationale statt die emotionale Seite“ den Ausschlag, wie Vorstandschef Mintzlaff bekräftigte. Bayern habe die „massiv hohe Ablöseforderung“ und damit eine „Rekordablöse“ für den damals für fünf Millionen Euro aus Hoffenheim verpflichteten Nagelsmann erfüllt. Zurückhaltend äußerte sich Mintzlaff bei der Frage nach dem neuen Coach. „Es ist noch nichts entschieden“, sagte er. Es gebe eine „Shortlist“ mit drei Namen. Favorit ist Marsch, zwei weitere Optionen könnten Oliver Glasner (VfL Wolfsburg) oder Roger Schmidt (PSV Eindhoven) sein.

© dpa-infocom, dpa:210427-99-374029/4

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Erstellt:
27. April 2021, 15:42 Uhr

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