Reger Austausch zwischen Rot und Rot

Die TSG Backnang und der VfB Stuttgart haben seit jeher viele Berührungspunkte – Duell in den Etzwiesen heute um 19 Uhr

Wenn von den Roten die Rede ist, denken Fußballfans in Backnang sofort an die TSG. Oder an den VfB Stuttgart, weil die Vereinsfarben mitsamt dem dazugehörigen Weiß dieselben sind. Das ist aber bei Weitem nicht der einzige Berührungspunkt zwischen den Traditionsklubs von der Murr und vom Neckar, die sich heute um 19 Uhr im Etzwiesenstadion anlässlich des 100. TSG-Geburtstags beim Jubiläumsspiel gegenüberstehen.

War am 10. Juli 1998 in den Etzwiesen für den VfB am Ball: Fredi Bobic, der hier von TSG-Kicker Achim Weiß bedrängt wird. Archivfoto: B. Strohmaier

War am 10. Juli 1998 in den Etzwiesen für den VfB am Ball: Fredi Bobic, der hier von TSG-Kicker Achim Weiß bedrängt wird. Archivfoto: B. Strohmaier

Von Steffen Grün

VfB-Legende und TSG-Trainer: Als sich die Backnanger in der Saison 1966/1967 anschicken, den Sprung in die Regionalliga Süd zu schaffen, gibt Robert Schlienz an der Seitenlinie die Kommandos. Der Mann also, der als Kapitän mit den Stuttgartern in den goldenen 50ern zweimal deutscher Meister (1950, 1952) und zweimal DFB-Pokalsieger (1954, 1958) wurde – und das alles, obwohl ihm nach einem Autounfall 1948 der linke Unterarm amputiert worden war. Mit dem Etzwiesenverein landet Schlienz in der Ersten Amateurliga auf dem zweiten Platz hinter dem VfB Stuttgart II, der als Reserve eines Bundesliga-Teams allerdings nicht in die Regionalliga Süd aufsteigen darf. Somit öffnet sich das Hintertürchen für die TSG, die bei der Aufstiegsrunde startet und am Ende jubelt – jedoch ohne Robert Schlienz, der vor den beiden entscheidenden Duellen mit Offenburg gehen muss und von Hermann Sanzenbacher ersetzt wird. Warum, dazu halten sich die Zeitzeugen sehr bedeckt. Die Vermutung liegt nahe, dass die Trainerkünste der VfB-Legende nicht ganz an seine spielerischen Qualitäten heranreichten.

Vom Wasen unter das Viadukt: „Wir wurden in der Presse schon als VfB-Filiale bezeichnet“, erinnert sich Dieter Schaupp an die 60er, als sich die TSG des Öfteren in Stuttgart bedient und einige Spieler des Teams nach Backnang lotst, die zuvor mit dem VfB II den deutschen Amateurmeistertitel holten. Auf Anhieb fallen dem altgedienten Funktionär Rainer Grau, Kurt Raubacher oder Siegfried Seifert ein, die zum damaligen Höhenflug seines Klubs beitragen. Selbiges gilt für Torwart Lorenz Fischer, der es als Stellvertreter von Günter Sawitzki vorher auf ein Bundesliga-Spiel für den VfB gebracht hatte und dessen Sohn Armin später ebenfalls für die Stuttgarter und die Backnanger den Kasten hütet. Der Höhenflug ist schon wieder abgeebbt, als 1976 auch Ex-Nationalspieler Klaus-Dieter Sieloff und Willi Entenmann in Backnang anheuern. Ersterer nur für eine Saison, „er war viel verletzt und hat selten gespielt“, berichtet Schaupp. Letzterer bleibt zwei Jahre und „war auch mal kurz Trainer“, weiß der treue Ehrenamtliche und ergänzt schmunzelnd: „In diesem Jahr hatten wir allerdings einige Trainer.“ Willi Entenmann ergänzt also die Liste der TSG-Coaches mit VfB-Vergangenheit, auf der auch Namen wie Günter Seibold, Markus Elmer und Jörg Wolff stehen.

Abenteuer mit Rückfahrschein: Talente, die von der Murr an den Neckar gingen und wieder zurückkehrten, gibt es einige. Schaupp denkt an Jens Schwab, Jochen Ruta, Timo Walter und Jan Demmler und betont: „Wir hatten immer einen guten Kontakt zum damaligen VfB-Jugendleiter Frieder Schrof. Das lief alles immer reibungslos ab, ein Telefonat reichte.“ Wollte es ein Nachwuchskicker von Backnangs Roten bei Stuttgarts Roten probieren, sich zum Profi zu entwickeln, legte ihm die TSG keine Steine in den Weg. Umgekehrt verhielt sich der VfB genauso, wenn es jemanden zum alten Verein zurückzog. Mehr noch: Der Macher in Cannstatt legte auch anderen Akteuren, die es nicht auf Anhieb packten, den Etzwiesenklub ans Herz. Dieser Austausch ist etwas eingeschlafen, weil Schrof vor einigen Jahren Ralf Rangnick zu RB Leipzig folgte und weil die TSG im Jugendbereich nicht mehr die Topadresse von früher ist.

Die, die es geschafft haben: Uwe Schneider lernte das Fußball-Einmaleins bei der TSG Backnang, holte 1989 mit dem VfB den deutschen U-19-Meistertitel und schaffte selbiges 1992 auch mit den Profis. Unter Trainer Christoph Daum kam der heute 47-Jährige in der Meistersaison mit Kollegen wie Guido Buchwald, Matthias Sammer oder Fritz Walter regelmäßig zum Einsatz, insgesamt absolvierte der Abwehrspieler für Stuttgart, Bochum und Frankfurt 99 Erstliga-Partien. Sogar 165 Einsätze im deutschen Oberhaus stehen für Stürmer Julian Schieber zu Buche, der vor seinem Wechsel zum VfB aber nur ein Jahr in Backnang kickte und vor allem vom SV Unterweissach ausgebildet wurde. Über Stuttgart, Nürnberg, Dortmund und Berlin landete der 30-Jährige in Augsburg, wo er noch einen Vertrag bis 2021 hat. Sogar bis 2022 ist Patrick Bauer an den englischen Zweitligisten Preston North End gebunden. Der 26-Jährige schaffte beim VfB vor ein paar Jahren den Durchbruch nicht ganz und fand nach dem Zwischenstopp in Funchal auf Madeira auf der Insel sein fußballerisches Glück. Es wäre keine Überraschung, sollte der Innenverteidiger doch noch in der Bundesliga auftauchen.

Präsident mit Backnanger Wurzeln: Wolfgang Dietrich, der seit 9. Oktober 2016 an der Spitze des VfB steht, wurde in Stetten geboren, erlebte aber seine komplette Kindheit und Jugend in Steinbach. Der heute 70-Jährige kickte für den SVS und wechselte in der A-Jugend zur TSG, wo er ab und zu von Robert Schlienz trainiert wurde, der dort die Erste unter seinen Fittichen hatte. Es bleibt abzuwarten, ob der VfB-Präsident heute beim Spiel bei seinem Ex-Verein dabei ist oder sich die hartnäckigen „Dietrich raus“-Rufe eines Teils der VfB-Fans, die ihn als Hauptverantwortlichen für den erneuten Abstieg ausgemacht haben, lieber nicht antut. Am 14. Juli wird bei der Mitgliederversammlung über den Antrag zur Abwahl Dietrichs entschieden, für die aber 75 Prozent der anwesenden, stimmberechtigten Mitglieder votieren müssten.

Der Anfang vom Ende: Für Winfried Schäfer ist das Testspiel bei der TSG Backnang am 10. Juli 1998 sein erster offizieller Einsatz als Trainer des VfB Stuttgart. Und er kriegt sofort einen Eindruck davon, unter welch schlechtem Stern sein Engagement bei den Schwaben steht. Der vom damaligen VfB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder als Nachfolger von Joachim Löw durchgedrückte Ex-Coach des Karlsruher SC gilt einem Teil der Stuttgarter Anhänger wegen seiner badischen Vergangenheit als rotes Tuch. Als Peter Bohnenberger vor über 3000 Zuschauern das 1:0 für Backnang erzielt, entrollt ein kleines Grüppchen ein Plakat mit der Aufschrift: „Hallo Winnie, willkommen in der Hölle.“ Begleitende „Schäfer raus“-Rufe verstummen auch nicht, als Pablo Thiam und Nico Frommer noch für einen 2:1-Sieg sorgen. Die insgesamt schlechte Leistung darf im Nachhinein als Zeichen für die Saison gedeutet werden, am 4. Dezember 1998 ist Schäfer seinen Job schon wieder los.

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Erstellt:
5. Juli 2019, 06:00 Uhr

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