Sensibilisiert für sexualisierte Gewalt

Für viele Sportvereine im Rems-Murr-Kreis steht im Umgang mit sexualisierter Gewalt die Prävention zum Teil schon seit etlichen Jahren auf der Tagesordnung. Rainer Mögle, der Vorsitzende der TSG Backnang 1846, betont: „Es ist wichtig, öffentlich zu machen, dass wir nicht wegschauen.“

Bei den Vereinen der Region wie bei der TSG Backnang 1846 oder beim TV Murrhardt ist keiner alleine. Symbolfoto: Adobe Stock/Олег Копьёв

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Bei den Vereinen der Region wie bei der TSG Backnang 1846 oder beim TV Murrhardt ist keiner alleine. Symbolfoto: Adobe Stock/Олег Копьёв

Von Simone Schneider-Seebeck

Seit gut 15 Jahren beschäftigt den TSG-Vorsitzenden das Thema sexualisierte Gewalt. Früher habe man Verdachts- und tatsächliche Vorfälle in vielen Vereinen einfach totgeschwiegen. Dabei gehört für Rainer Mögle zur Prävention das genaue Gegenteil: „Potenzielle Täter sollen erkennen, dass das Thema ernst genommen wird.“

2005 hatte ein Vortrag von Urban Spöttle-Krust, dem Leiter der Zentralen Anlaufstelle gegen sexualisierte Gewalt in Waiblingen, den Anstoß gegeben. In Zusammenarbeit mit eben diesem Referenten wurden entsprechende Leitlinien für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erarbeitet, die 2011 als Ehrenkodex im Rems-Murr-Kreis eingeführt wurden. Seither wurde das Präventionskonzept ausgearbeitet. Seit etwa zwei Jahren arbeitet ein Team mit Rainer Mögle, Beate Pichler-Schumm und Volker Groschwitz gemeinsam an einer Aktualisierung des Konzepts.

„Es war klar, dass ich als Vorsitzender das nicht allein machen kann“, erklärt Mögle. Vor allem, weil die TSG mit einigen Experten in diesem Bereich aufwarten kann. Beispielsweise Volker Groschwitz, Abteilungsleiter der Behindertensportabteilung. Er war früher beruflich in der Jugendhilfe tätig und verfügt über jahrelange Erfahrung im Bereich Kinderschutz. Er weist auf Handlungshilfen des Württembergischen Landessportbundes (WLSB) hin, der entsprechende Bausteine herausgegeben habe, die für jeden Verein präventiv nutzbar sind. Beispielsweise indem der Schutz des Kindes in der Vereinssatzung verankert wird. „Diese Bausteine hat unser Verein umgesetzt“, so Groschwitz. Das Thema müsse im Vereinsbewusstsein verstetigt werden. Denn immer wieder werden Fälle bekannt wie etwa jüngst in Fellbach. „Wir wollen reaktionsfähig und aufmerksam sein für den Fall, dass etwas passieren könnte“, betont Groschwitz.

Transparenz und Qualifikation sind Bausteine des Präventionskonzeptes

Rainer Mögle ist die aktive Auseinandersetzung mit diesem Thema im gesamten Verein wichtig, etwa über eine entsprechende Übungsleiterqualifikation. Dabei betont der TSG-Vorsitzende die Vielschichtigkeit des Themas. Einerseits gehe es beim Kindeswohl in viele Richtungen, andererseits müssten auch Personen, bei denen ein falscher Verdacht aufkomme, „ordentlich und anständig behandelt werden“. Transparenz und Qualifikation sieht er als entscheidende Bausteine des Präventionskonzeptes an.

Groschwitz ist überzeugt davon, dass die Öffentlichkeit im Bereich Kindeswohlgefährdung immer stärker sensibilisiert wird. Und das mache es schwerer, die Thematik auszublenden. „Wir bauen gerade ein Team auf, in dem Einzelne als Kontaktpersonen zur Verfügung stehen, wenn jemand Gesprächsbedarf hat, egal ob jemand direkt oder vielleicht auch indirekt betroffen ist“, erläutert Volker Groschwitz dazu. Dafür haben die großen Abteilungen mit Kindersport konkrete Mitarbeiter benannt, die als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Groschwitz sagt: „Es geht hierbei um Reaktionen auf mögliche Fälle. Wir wollen im Verein als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, um Unterstützung und Handlungssicherheit zu bieten.“

Leonie Ehrhardt ist stellvertretende Abteilungsleiterin der Abteilung Turnen und leitet selbst eine Trainingsgruppe beim TV Murrhardt. Seit April dieses Jahres ist sie zudem Präventionsbeauftragte des Vereins. Im Rahmen ihres Lehramtsstudiums hatte sie von April 2020 bis April 2021 ein umfangreiches Seminar zur Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch des Universitätsklinikums Ulm belegt. Dabei unterstützte sie der Verein finanziell, um ihr erworbenes Wissen für Vereinszwecke zu nutzen. Es wurden die Bereiche Gefährdungslagen, Schutzfaktoren, Erkennen und Handeln, Unterstützung der Betroffenen und unterschiedliche Kontexte behandelt.

Zuallererst ist Ehrhardt Vertrauensperson für alle Vereinsabteilungen. Sollte es zu einem konkreten Vorfall kommen, sieht sie ihre Aufgabe darin, dem Betroffenen gegenüber zunächst „Erste Hilfe“ zu leisten, wie sie es nennt. Selbst die Augen offen halten, ein Gesprächsprotokoll führen, gegebenenfalls weitere Hilfen zurate ziehen – wie etwa das Jugendamt oder die Polizei – sind dann die weiteren Schritte. Aktuell ist sie dabei, auf Grundlage ihres Seminars ein Präventionskonzept für den Verein zu erstellen, denn: „Ich denke, dass es immer gut ist, wenn man als Laie auf ein Präventionskonzept zurückgreifen kann.“ Ihre Hoffnung ist jedoch: „Ich wünsche mir jedoch, dass ich es nie anwenden muss und es zu keinem Vorfall kommen wird.“

Infos für die Vereine und Mitglieder

Turngau Rems-Murr Über die Geschäftsstelle kann Infomaterial angefordert werden, beispielsweise das Präventionskonzept des TV Weiler/Rems oder Informationen des Jugendamts. Zudem bietet der Schwäbische Turnerbund Fortbildungen zum Thema Kinderschutz im Verein an, informiert Präsidentin Gislind Gruber Seibold. Nähere Infos gibt es unter www.stb.de oder www.turngau-rm.de.

WSJ Eine zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund um sexualisierte Gewalt und Missbrauch ist die Württembergische Sportjugend (WSJ). Sie bietet Beratung und Unterstützung für Sportvereine, beispielsweise bei Sensibilisierungsmaßnahmen vor Ort, Entwicklung von Konzepten, Qualifizierung von Schutzbeauftragten. Weitere Infos sind im Internet unter www.wlsb.de zu erhalten.

Umfrage 4400 Vereinsmitglieder wurden im Rahmen des bundesweit ersten Breitensport-Forschungsprojekts „Sicher im Sport“ seit August 2020 online befragt. Erste Zwischenergebnisse bestätigen, „dass sexualisierte Grenzverletzungen, Belästigung und Gewalt auch im Vereinssport vorkommen“. Etwa 26 Prozent der Befragten berichteten über Belästigungen ohne Körperkontakt, etwa 19 Prozent hatten Erfahrung mit unerwünschtem Körperkontakt angegeben. Die Auswertung der Befragung soll bis Mitte 2022 abgeschlossen sein. Stefan Raid, Vorsitzender der Deutschen Sportjugend, sagt dazu: „Die breite Beteiligung aus den Landessportbünden zeigt, wie ernst das Thema genommen wird. (...) Ich bin davon überzeugt, dass Sportvereine ein wichtiger Partner in der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe sind, um Kindern und Jugendlichen ein gewaltfreies Aufwachsen zu ermöglichen.“

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Erstellt:
29. Dezember 2021, 10:20 Uhr

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