Aufstiegs-Trainer des SGV Freiberg

So sieht die Gefühlswelt von Ramon Gehrmann aus

Ramon Gehrmann war bis September 2021 noch Trainer der Stuttgarter Kickers und gewann nun mit dem SGV Freiberg den dramatischen Zweikampf mit seinem Ex-Club. Er spricht über diese außergewöhnliche Konstellation und seine Zukunft beim künftigen Regionalligisten

Ramon Gehrmann (Mi.) mit dem Meisterwimpel. Rechts: Kapitän und Torjäger Marco Grüttner.

© Baumann/Hansjürgen Britsch

Ramon Gehrmann (Mi.) mit dem Meisterwimpel. Rechts: Kapitän und Torjäger Marco Grüttner.

Von Jürgen Frey

Als die ersten Feierlichkeiten in diesem dramatischen Meisterschaftsfinale auf dem Spielfeld in Nöttingen vorbei waren, suchte sich Ramon Gehrmann ein stilles Plätzchen am Rande. Ganz einfach um innezuhalten. Um alles ein wenig zu verarbeiten. Um kurz allein zu sein. Mit sich. Mit seinen Gefühlen. Dann rief er seine Frau an, die über Pfingsten ihren gemeinsam Sohn zu einem U-10-Turnier nach Düsseldorf begleitet. Tristan Gehrmann spielt für die Stuttgarter Kickers. Für den Verein, den Ramon Gehrmann bis Ende September 2021 in der Fußball-Oberliga trainierte. Dann trennten sich die Blauen von ihm – und im April 2022 stieg der 47-Jährige als Nachfolger von Evangelos Sbonias beim SGV Freiberg ein. Beim größten Aufstiegsrivalen seines Ex-Vereins, dem er nun den Direktaufstieg wegschnappte. Wenn die Blauen es über den Umweg Aufstiegsspiele schaffen, ist er praktisch zweimal aufgestiegen in einer Saison. „Das gab es noch nie, das wäre einzigartig, und ich bin sicher, die Kickers packen es.“, sagt Gehrmann, der aus dem Familienurlaub in den Niederlanden die Damen drücken wird.

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Dass sein Einstieg in Freiberg eine pikante Note hatte, war ihm natürlich bewusst. „Dreimal wollte ich Sportdirektor Christian Werner schon absagen, dann habe ich drei Leute um ihren Rat gefragt, die absolut gar nichts mit Fußball am Hut haben“, erklärt Gehrmann. Der entscheidende Satz kam vom Bruder seiner Frau: „Stell dir vor, Freiberg steigt auf – und du bist nicht dabei.“ Das gab den Ausschlag. Gehrmann wollte dabei sein, dabei sein in verantwortlicher Position beim größten SGV-Erfolg der Vereinsgeschichte.

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Dass sich das Ganze am letzten Spieltag so dramatisch zuspitzte und den Kickers ihr 3:1 bei den SF Dorfmerkingen am Ende nichts brachte, fand er nach dem Spiel „irgendwie irreal“. „Wir bekamen in der Nachspielzeit noch einen Eckball, danach dachte ich der Schiedsrichter pfeift ab, doch er hat uns am Leben gehalten. Wir bekamen noch einen zweiten Eckball – wieder bringt ihn Michael Klauß nach innen, und Marcel Sökler macht noch das Tor zum 2:1-Sieg“, schildert Gehrmann die Szene, die den Direktaufstieg entschied.

Höhere Mächte

Höhere Mächte meinten es offenbar gut mit ihm – und der Fußball-Lehrer fühlte sich erinnert an seine Aussage im November 2020, als er als Kickers-Coach aus Fair-Play-Gründen ein Eigentor anordnete. „Ich bin ja katholisch und da oben gibt es ein Konto, und da kann man abheben und einzahlen. In dem Spiel damals, ausgerechnet auch gegen den FC Nöttingen, war es wahrscheinlich so, dass ich durch die Aktion eingezahlt habe und wieder Guthaben vorlag.“ Das hat er nun in Anspruch genommen. Für sich. Für Freiberg.

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Beim SGV wird er nun weitermachen. „Eigentlich kann es nach diesem Finale besser nicht werden, aber die Regionalliga möchte ich mitnehmen und liebend gerne mit Freiberg auf der Waldau spielen“, betont Gehrmann. Die neue Spielklasse werde für den SGV ein „hochattraktives Abenteuer“. Um es erfolgreich zu überstehen, wolle man die Philosophie etwas ändern. „Wir müssen weg von der Verpflichtung fertiger Spieler, hin zu jungen Spielern, die den SGV als Sprungbrett sehen.“ Es gibt schlechtere Trainer als Ramon Gehrmann für die Umsetzung dieses Plans.

So geht’s für die Kickers weiter

Aufstiegsrunde Neben den drei Meistern der Oberligen Baden-Württemberg (SGV Freiberg), Rheinland-Pfalz/Saar (Wormatia Worms) und Hessen (SG Barockstadt Fulda-Lehnerz), ermitteln die Vizemeister der Staffeln einen vierten Aufsteiger. Gespielt wird in einer einfachen Punktrunde „Jeder gegen Jeden“, bei der jeder Teilnehmer jeweils ein Heim- und ein Auswärtsspiel absolviert. Der Erstplatzierte der Punktrunde steigt auf.

Spielplan 8. Juni (19 Uhr): Stuttgarter Kickers – Eintracht Stadtallendorf. Bei Sieg der Kickers im ersten Spiel, dann am 11. Juni (14 Uhr) Eintracht Stadtallendorf – Eintracht Trier und am 14. Juni (19 Uhr) Eintracht Trier – Stuttgarter Kickers. Bei Unentschieden oder Niederlage der Kickers im ersten Spiel, dann am 11. Juni (14 Uhr) Eintracht Trier – Stuttgarter Kickers und 14. Juni (19 Uhr) Eintracht Stadtallendorf – Eintracht Trier. Nur wenn die Kickers aufsteigen, steigt der Oberliga-15. SF Dorfmerkingen nicht ab. (jüf)

Bis zur Nachspielzeit sah es für Freiberg nicht gut aus.

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Bis zur Nachspielzeit sah es für Freiberg nicht gut aus.

Doch dann traf Marcel Sökler zum 2:1 ...

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Doch dann traf Marcel Sökler zum 2:1 ...

... und es brachen alle Dämme.

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

... und es brachen alle Dämme.

Freiberg sicherte sich durch das Herzschlagfinale ...

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Freiberg sicherte sich durch das Herzschlagfinale ...

... die Meisterschaft in der Oberliga.

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

... die Meisterschaft in der Oberliga.

Nächste Saison geht es in die Regionalliga – Sektdusche für Präsident Emir Cerkez.

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Nächste Saison geht es in die Regionalliga – Sektdusche für Präsident Emir Cerkez.

Aber zunächst wird gefeiert.

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Aber zunächst wird gefeiert.

Das Meisterbild.

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Das Meisterbild.

Marcel  Sökler am Boden vor Glück.

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Marcel Sökler am Boden vor Glück.

250 SGV-Fans waren mit in Nöttingen.

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

250 SGV-Fans waren mit in Nöttingen.

Ramon Gehrmann (li., neben Sportdirektor Christian Werner) bleibt auch in der neuen Saison Trainer beim SGV.

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Ramon Gehrmann (li., neben Sportdirektor Christian Werner) bleibt auch in der neuen Saison Trainer beim SGV.

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Erstellt:
5. Juni 2022, 09:20 Uhr
Aktualisiert:
6. Juni 2022, 07:37 Uhr

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