„Fiasko-Abend“: Schuldzuweisungen nach Spielabbruch in Nizza

dpa Nizza. Flaschenwürfe und Fans, die das Feld stürmen und Spieler attackieren: Dass bei den Ausschreitungen beim Spiel Nizza gegen Marseille offenbar niemand ernsthaft verletzt wurde, scheint reines Glück zu sein.

Nizza-Fans strömen gegen Olympique Marseille auf das Spielfeld. Foto: Jonathan Moscrop/CSM via ZUMA Wire/dpa

Nizza-Fans strömen gegen Olympique Marseille auf das Spielfeld. Foto: Jonathan Moscrop/CSM via ZUMA Wire/dpa

Ein „Fiasko-Abend“, „grenzenlose Dummheit“, „eine Schande“ - die französische Presse findet harsche Worte für das, was am Sonntagabend beim Mittelmeer-Derby der Ligue 1 zwischen OGC Nizza und Olympique Marseille passiert ist.

Flaschenwürfe, Dutzende Fußballfans, die aufs Spielfeld stürmen, Gerangel mit Spielern und Ordnern, Spielunterbrechung und schließlich Spielabbruch.

Inzwischen untersucht Nizzas Staatsanwaltschaft die Vorfälle, wie die französische Nachrichtenagentur AFP am am Morgen nach dem Spiel meldete. Drei Minderjährige wurden laut dem Sender BFMTV noch am Sonntagabend vorläufig festgenommen, sind aber wieder auf freiem Fuß. Frankreichs Sportministerin Roxana Maracineanu sagt dem Sender Franceinfo: „Eine rote Linie ist überschritten worden.“ Die französische Fußballliga kündigt an, die Clubs nach den „schwerwiegenden Zwischenfällen“ vor die Disziplinarkommission zitieren zu wollen.

Hitzige Atmosphäre eskaliert

Was war passiert? Nizza empfängt Marseille; es ist das zweite Mal nach langen Monaten der coronabedingten Abstinenz, dass die Nizza-Fans wieder in ihr Stadion dürfen. Doch schnell wird das Spiel überschattet von unfairen Aktionen: Immer wieder werfen Anhänger von OGC Nizza Gegenstände aufs Spielfeld. Etwa eine Viertelstunde vor Abpfiff beim Stand von 1:0 für Nizza wird schließlich Marseille-Spielmacher Dimitri Payet vor einem Eckball von einer Plastikflasche am Rücken getroffen und geht zu Boden. Wutentbrannt schleudert er kurz darauf mehrere Plastikflaschen zurück Richtung Fan-Tribüne, andere Teamkollegen eilen ihm zur Seite.

Es folgt der Dammbruch: Dutzende Nizza-Anhänger stürmen aufs Feld, es kommt zu Handgemengen zwischen Fans und Spielern beider Clubs. Die Spieler verlassen schließlich das Feld. Als nach etwa einer Stunde Unterbrechung die Partie weitergehen soll, weigern sich die Spieler von Marseille, auf den Rasen zurückzugehen.

„Wer hätte dorthin zurückkehren wollen? Wie kann man (die Spieler) nicht verstehen?“, schreibt dazu die Sportzeitung „L'Equipe“. Bilder, die das Blatt online veröffentlicht, zeigen Verletzungen mehrerer Spieler: Verteidiger Luan Peres und Mittelfeldspieler Mattéo Guendouzi - vorige Saison noch bei Hertha BSC - haben Abschürfungen am Hals, und Payet, der von der Flasche getroffen wurde, hat Kratzer am Rücken.

Marseilles Bürgermeister schockiert

„Man spielt nicht Fußball wie man in den Krieg zieht“, sagt Marseilles Bürgermeister Benoît Payan dem Sender Franceinfo. „Ich werde heute die Sportministerin anrufen, um ihr zu sagen, wie ich die Dinge sehe, und um ihr zu sagen, dass das, was passiert ist, nicht zu tolerieren ist.“ Die Vorfälle ließen den Fußball in einem erbärmlichen Licht erscheinen. Und genauso erbärmlich seien auch die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen im Stadion in Nizza gewesen.

Doch aus Nizza kommen Schuldzuweisungen in die andere Richtung. „Ich glaube, das, was das Fass zum Überlaufen gebracht hat, war die Reaktion zweier Spieler aus Marseille: nämlich (...) Flaschen in Richtung unserer Fantribüne zu werfen“, sagt der OGC-Präsident Jean-Pierre Rivère noch bei einer Pressekonferenz nach dem Spiel. Der Spielabbruch sei übertrieben gewesen. Er selbst habe während der Unterbrechung Sicherheitsgarantien der Fans eingeholt. „Ich bin überzeugt, dass es sehr gut gelaufen wäre.“

Ganz anders lautet die Einschätzung von OM-Präsident Pablo Longoria: „Die Sicherheit unserer Spieler war nicht gewährleistet“, sagt er nach dem Spielabbruch. Dass die französische Liga das Spiel trotzdem habe fortsetzen wollen, sei inakzeptabel. Der Schiedsrichter habe das genauso gesehen wie er. Man müsse aus den Vorkommnissen einen Präzedenzfall für den französischen Fußball machen.

© dpa-infocom, dpa:210823-99-933647/3

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Erstellt:
23. August 2021, 07:45 Uhr

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