Teil-Lockdown trifft den Sport mit Macht

dpa Frankfurt/Main. Wieder ruht der Ball, Sporthallen und Schwimmbäder werden geschlossen. Im Amateurbereich wird es im November keine Fußballspiele geben. Nicht nur dort verstärkt es die Probleme an der Basis. Die Profis dürfen immerhin weiter ihrer Arbeit nachgehen.

Die Corona-Maßnahmen treffen den Sport mit „voller Wucht“. Foto: Uwe Anspach/dpa

Die Corona-Maßnahmen treffen den Sport mit „voller Wucht“. Foto: Uwe Anspach/dpa

Der Corona-Teillockdown trifft auch den Sport wieder mit voller Wucht und sorgt bei vielen Vereinen von den Profiligen bis in den Amateursport teils für Existenzangst.

Wettkämpfe müssen abgesagt, der Spielbetrieb eingestellt werden, Profis wie Amateure stehen vor verschlossenen Sportanlagen und Trainingszentren, Zuschauer müssen draußen bleiben. Zwar gibt es auch Verständnis für die von Montag an geltenden drastischen Corona-Einschränkungen, aber Empörung und Verzweiflung sind groß.

„Ich bin entsetzt über die Ignoranz und Geringschätzung gegenüber dem Sport und den Vereinen“, klagte der Präsident des Sächsischen Fußball-Verbandes, Hermann Winkler, über den von Bund und Ländern verfügten vierwöchigen Teil-Lockdown, der den gesamten Amateursport trifft, dem damit der Kollaps droht. Nach der bundesweiten Aussetzung des kompletten Spielbetriebs in den unteren Spielklassen im November steht die Existenz von Fußballvereinen auf dem Spiel.

Aber nicht nur im Fußball war der Aufschrei teils groß. „Es ist ein Rückschlag für den Sport allgemein“, urteilte Sven Ressel, Sportdirektor des Deutschen Fechter-Bundes. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Effekte - wie durch den Teil-Lockdown gewünscht - eintreten und wir im Dezember wieder weitermachen können.“ Die Ringer-Bundesliga denkt sogar über einen Saisonabbruch nach.

„Das trifft uns mit voller Wucht“, sagte Vorstandsmitglied Stefan Schwarzbach vom Deutschen Skiverband. „Da hätte ich mir eine etwas differenziertere Vorgabe gewünscht.“ Die Beschlüsse der Kanzlerrunde vom Mittwoch lassen wichtige Fragen offen. Wie wird zum Beispiel zwischen Profi- und Amateursport unterschieden? Für Olympia-Starter, die sich nicht durch ihren Sport finanzieren können, könnten die öffentlichen Stadien und Hallen verschlossen bleiben.

Wie existenziell Zuschauer sind unterstrich Geschäftsführerin Jennifer Kettemann vom Handball-Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen. „Sie sind für unseren Sport auch überlebenswichtig“, sagte sie. Auch der zehnmalige deutsche Volleyball-Meister Berlin Recycling Volleys fürchtet schwere wirtschaftliche Folgen. „Die Verschärfung der Einschränkungen trifft uns hart und verschlechtert die ohnehin schon angespannte finanzielle Situation noch einmal deutlich“, sagte Manager Kaweh Niroomand.

Die Auswirkungen können dramatisch sein und sind in ihrem ganzen Ausmaß derzeit noch gar nicht abzuschätzen. DFB-Vizepräsident Rainer Koch erwartet „weitreichende Folgen“ und beklagte, dass „Vereine und Verbände jetzt wiederholt vor extremen Herausforderungen stehen, wenn wir daran denken, dass Mitglieder fernbleiben müssen, sich womöglich ganz abwenden oder Kinder erst gar keinen Zugang mehr zum Fußball im Verein finden.“ Gleichzeitig betonte Koch aber, dass der Verband die von der Politik beschlossenen Maßnahmen mittrage.

Nachdem bereits die Saison 2019/20 im Amateurbereich wegen der Corona-Krise abgebrochen werden musste, gerät nun auch die aktuelle Spielzeit zunehmend in Gefahr - denn der Amateurfußball ist bereits im ganzen Land fast zum Stillstand gekommen. Zudem ist der Terminplan in den wegen der in der Vorsaison zumeist ausgesetzten Abstiegsregelung aufgestockten Ligen ohnehin schon straff.

Die Profis dürfen derweil zumindest vor leeren Rängen weiterspielen. Dennoch tut sich die Milliardenbranche mit der Entscheidung schwer. „Der Profifußball ist nachweislich kein Treiber der Pandemie. Und ehrlich gesagt, sieht das auch niemand anders. Gerade vor diesem Hintergrund ist es schwierig zu akzeptieren, dass Fakten nicht zählen“, schrieb Dortmund in einem Offenen Brief an seine Fans. Allerdings hatte die Politik darauf hingewiesen, dass viele Gesundheitsämter Kontakte von Infizierten nicht mehr ausreichend nachverfolgen können.

Für den Deutschen Schwimm-Verband ist es schwer nachvollziehbar, dass die Bäder trotz der gut funktionierenden Hygienekonzepte dicht gemacht werden. Dieser Beschluss „verschärfe noch einmal die Probleme auf sämtlichen Ebenen“, sagte DSV-Vizepräsident Uwe Brinkmann.

Die Sportausschussvorsitzende des Bundestages unterstützt die beschlossenen Maßnahmen, aber „ich verstehe und teile die Enttäuschung und die teilweise herrschende Verzweiflung all derer, die in Kultur, Gastronomie und Sport viel Zeit, Ideen und auch Geld in nachweislich funktionierende Hygienekonzepte investiert haben, aber jetzt dennoch zu den Betroffenen gehören“, betonte Dagmar Freitag (SPD). „Alle Vereinssportler dürfen sich dafür bei den verantwortungslosen Corona-Leugnern und Partygängern bedanken.“

Die Landessportbünde haben noch andere Sorgen. Man sei „in größerer Sorge um das Vereinssystem und um seine wichtigen gesellschaftspolitischen Funktionen“, sagte Reinhard Rawe, Vorstandsvorsitzender des Niedersächsischen Landessportbundes.

© dpa-infocom, dpa:201029-99-133859/4

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Erstellt:
29. Oktober 2020, 16:59 Uhr

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