Tennissaison abgesagt, dafür Coronarunde

Seit knapp einer Woche können die Tennisspieler in Baden-Württemberg wieder trainieren, seitdem warten die Vereine auf eine Entscheidung des Verbands. Gestern wurde diese endlich veröffentlicht. Die Kritik der Klubs aus der Region ist jedoch groß.

TSG-Cheftrainer Hans-Ulrich Kirmse ist über den Verband verärgert. Archivfoto: B. Strohmaier

© Bernd Strohmaier

TSG-Cheftrainer Hans-Ulrich Kirmse ist über den Verband verärgert. Archivfoto: B. Strohmaier

Von Heiko Schmidt

Der Württembergische Tennis-Bund hat sich mit seiner Entscheidung viel Zeit gelassen, was mit der Saison 2020 passieren soll. Doch die gestern präsentierte Lösung macht viele Tennisspieler der Region nicht besonders glücklich.

Wie wird mit der Tennissaison verfahren? Die Sommer-Verbandsrunde 2020 des Württembergischen Tennis-Bunds (WTB) ist abgesagt. Dies hat das Präsidium mitgeteilt. Diesem gehören sieben Personen an. Präsident ist Stefan Hofherr.

Das heißt, dass die Tennisspieler in diesem Jahr lediglich trainieren und vereinsinterne Spiele machen können? Nein. Der WTB bietet den Klubs in Württemberg an, eine sogenannte Corona-Wettspielrunde zu absolvieren. Es ist eine alternative Spielrunde unter vereinfachten und gelockerten Bedingungen. Die Teilnahme hieran ist allerdings freiwillig.

Wie soll diese Coronarunde ablaufen? Jede Mannschaft, die sich für die Sommersaison angemeldet hat, darf an der Coronarunde teilnehmen. Die Durchführungsbestimmungen, welche sich an der Wettspielordnung des WTB orientieren, sollen noch erarbeitet werden. Es wird mit Sicherheit die Begegnungen im Einzel geben. Ob auch Doppel gespielt werden, ist offen. „Das hängt von den Bestimmungen der Landesregierung ab und liegt nicht in unserer Entscheidungsgewalt. Stand heute wären Doppel nicht möglich“, sagt Alexander Adam, Leiter Marketing und PR des WTB.

In welchen Ligen und Gruppen wird dann gespielt? Die Einteilung der zur Corona-Wettspielrunde gemeldeten Mannschaften erfolgt analog der bereits vorgenommenen Gruppeneinteilung der Verbandsrunde. Somit wird die jeweilige Spielklasse auch übernommen. Eine Gruppe muss aus mindestens vier Mannschaften bestehen. Bei zu wenigen Teams in einer Staffel soll die Einteilung angepasst werden. Für die Jugend werden die Wettbewerbe in den Altersklassen U 18, U 15, U 12 und U-12-Kids-Cup angeboten. Die VR-Talentiade entfällt in diesem Jahr.

Wann ist der Start für die Coronarunde? Die ersten Spiele der Jugend sind am 17. Juni festgesetzt. Die Aktiven und Senioren steigen am 20. Juni ein. Eine Gruppe mit vier, fünf oder sechs Mannschaften wäre am 19. Juli beendet. Staffeln mit sieben oder acht Teams würden bis zum 2. August spielen. Es besteht die Möglichkeit, die angesetzten Spieltermine im gegenseitigen Einvernehmen zu verschieben. Der letztmögliche Spieltermin soll am 30. September sein.

Wird es Auf- und Absteiger geben? Der jeweilige Gruppensieger erhält das Recht, seinen erspielten Aufstieg für die Mannschaftsmeldung der Saison 2021 in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Coronarunde unter der Bedingung stattfindet, dass ein Mannschaftsspiel mit Einzeln und Doppeln ausgetragen werden darf. Absteiger gibt es nicht. Bei der Jugend hat der WTB hingegen festgelegt, dass es keine Auf- und auch keine Absteiger gibt.

Müssen sich die Vereine mit ihren Mannschaften für die Coronarunde anmelden? Ja. Die Verantwortlichen jedes Vereins müssen sich beim Tool im internen Vereinsaccount auf der Verbandsseite einloggen und dort für jedes Team angeben, ob dieses bei der Coronarunde mitspielt oder nicht. Das ist ab dem morgigen Mittwoch möglich und soll bis spätestens Pfingstmontag, 1. Juni, erfolgen.

Wie sieht es mit der Mannschaftsmeldegebühr aus? Für die abgesagte Sommersaison 2020 will der WTB 15 Prozent der Mannschaftsmeldegebühr erstatten beziehungsweise nicht berechnen. Für die Coronarunde sollen keinerlei Mannschaftsmeldegebühren anfallen.

Können Mannschaften und Aufstellungen bei der Coronarunde verändert werden? Nachmeldungen und Ummeldungen von Teams sind nicht möglich. Das trifft auch auf die namentliche Aufstellung zu. Bei der Jugend besteht allerdings die Möglichkeit, dass Spieler noch bis eine Woche vor dem ersten Gruppenspieltag nachgemeldet werden können.

Die Tennisvereine haben die Mitteilungen des WTB größtenteils mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen. „Grundsätzlich finde ich es gut, dass eine Runde vom Verband angeboten wird“, sagt Hans-Ulrich Kirmse von der TSG Backnang. Der Cheftrainer des größten Tennisvereins der Region ist aber über die Verbandsoberen verärgert. „Die Saison in der Ersten und Zweiten Bundesliga ist seit Wochen abgesagt.“

Eine ähnlich klare Aussage hätte sich Kirmse auch vom WTB gewünscht. Das erste Männerteam der Backnanger spielt nämlich in der Württembergliga, der höchsten Spielklasse in Württemberg. Dies ist die vierthöchste Liga in Deutschland. „Da spielen viele Halbprofis“, macht Kirmse, der seit 34 Jahren der TSG angehört, klar. Schließlich können seit diesem Jahr in der Württembergliga in jedem Team unbegrenzt ausländische Akteure eingesetzt werden. „Es ist überhaupt nicht geklärt, was mit diesen Spielern passiert. Sie können vielleicht gar nicht nach Deutschland einreisen“, wettert der Backnanger Coach. Er fühlt sich mit seinem Verein vom Württembergischen Tennis-Bund im Stich gelassen. Zudem befindet sich ein Akteur seiner Mannschaft, das Eigengewächs Kay Bartmann, momentan noch in den USA. Deshalb schimpft der 59-jährige Cheftrainer: „Die Coronarunde ist für die Württembergliga unausgegorener Schwachsinn.“

„Die Mannschaft in der Württembergliga ist das Aushängeschild unseres Vereins“, verdeutlicht Kirmse, der neben seiner Trainertätigkeit auch Vorsitzender des Fördervereins der TSG Tennis ist. Und mit diesem kümmert er sich um die Einnahmen, mit denen unter anderem die Spieler der ersten Männermannschaft finanziert werden. „Uns brechen die Sponsoren weg“, macht der 59-Jährige klar. Deshalb kann er nicht nachvollziehen, warum die Württembergliga bei der Coronarunde nicht ausgeklammert wird, zumal wahrscheinlich keine Doppel gespielt werden. „Es ist für uns nicht wichtig, wer aufsteigt. Wichtiger sind klare Aussagen von der Verbandsseite.“ Kirmse will nun mit dem TSG-Vorstand und den Spielern sprechen. „Anschließend wird festgelegt, welche Mannschaften an der Coronarunde teilnehmen.“

Die Backnanger sind außerdem mit zwei Teams in der Senioren-Regionalliga vertreten. Die Männer 55 und 70 der TSG gehören der höchsten Spielklasse in diesen Altersstufen an. In den Staffeln des Bereichs Südwest sind alle Vertretungen aus Baden, Hessen, Saarland, Rheinland-Pfalz und Württemberg angesiedelt. Auch dort soll die Saison 2020 stattfinden, allerdings auf freiwilliger Basis und ohne Abstieg. Unklar ist, ob die TSG mit ihren beiden Teams dafür melden wird. Schließlich wäre nur die getrennte Anreise zu den weiten Auswärtsspielen möglich. Zudem gehören gerade die Senioren 70 zu einer Risikogruppe in der Coronapandemie. Außerdem: „Bei den Senioren ist neben dem Tennisspielen die Geselligkeit am Spieltag ein wichtiger Aspekt. Und das wird in diesem Sommer wohl nicht oder nur eingeschränkt möglich sein“, erklärt Kirmse.

Aber auch andere Tennisvereine der Region blicken skeptisch auf die Saison 2020 und das Angebot des WTB mit der Coronarunde. „Ich persönlich halte wenig davon. Für mich ist das kein sportlicher Wettstreit. Ich hätte es besser gefunden, wenn es eine klare Entscheidung mit Ja oder Nein geben würde“, sagt Harald Schibrani, Vorsitzender des TC Murrhardt. Der 67-Jährige, der seit 2013 an der Spitze des Tennisclubs steht, wäre eher dafür gewesen, wenn „der WTB eine Umfrage bei den Vereinen gemacht hätte“. So würde es aus seiner Sicht ein besseres Meinungsbild der Klubs geben. Die Murrhardter hatten insgesamt acht Teams für die Sommerrunde gemeldet. „Die Spieler jeder Mannschaft können selbst entscheiden, ob sie an der Coronarunde teilnehmen“, erklärt Schibrani. Er sieht es aber nach einigen Gesprächen mit Vereinsmitgliedern eher skeptisch, ob eine große Resonanz dafür da wäre.

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Erstellt:
19. Mai 2020, 06:00 Uhr

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