Tristesse vor Ferraris Jubiläum - Erwartungen „sehr niedrig“

dpa Mugello. Geht es noch schlimmer? Nach der Nullnummer von Monza ist Ferrari mit Sebastian Vettel beim nächsten Heimspiel gefordert. Auf dem Kurs in Mugello bestreitet die Scuderia ein besonderes Formel-1-Jubiläum.

Die beiden Ferrari-Piloten Sebastian Vettel (l) und Carles Leclerc im Gespräch. Foto: Luca Bruno/AP Pool/dpa

Die beiden Ferrari-Piloten Sebastian Vettel (l) und Carles Leclerc im Gespräch. Foto: Luca Bruno/AP Pool/dpa

Viel mehr als Zweckoptimismus bleibt Sebastian Vettel auf seiner Ferrari-Abschiedstour nicht. „Die Erwartungen sind gerade sehr niedrig“, sagte der viermalige Formel-1-Weltmeister vor dem 1000. Grand Prix der Scuderia in Mugello.

In Italien sollten es eigentlich Festtage für den Traditionsrennstall werden, doch die bisherige Saison ist ein einziges Desaster. „Es ist nicht so, dass man wahnsinnig viel erwarten kann“, sagte der Heppenheimer Vettel: „Ich hoffe, dass wir in Mugello eine bessere Ausgangslage haben. Aber das heißt nicht, dass wir um das Podest kämpfen.“

Das ist mit dem immer noch schwer lahmenden SF1000 auch für kühnste Optimisten ausgeschlossen. Nach der blamablen Nullnummer für ihn und Teamkollege Charles Leclerc am vergangenen Sonntag in Monza würde sich der 33-Jährige wohl schon freuen, überhaupt ins Ziel zu kommen. „Ein Wochenende ohne Probleme wäre schon mal ein guter Start“, sagte Vettel. An seinem Dienstwagen waren früh die Bremsen explodiert, Leclerc krachte in die Reifenstapel. Erstmals seit 1995 sah keiner der beiden roten Renner die Monza-Zielflagge. Mehr als peinlich.

„Alptraum“, „Tristesse“, „Debakel“ - Italiens Medien gehen mit der kriselnden Scuderia derzeit hart ins Gericht. Und trotzdem sagt Vettels Boss Mattia Binotto: „Der Druck ist ausschließlich positiv.“ Auf dem werkseigenen Kurs des Autobauers in Mugello solle es im letzten Vertragsjahr des einstigen deutschen Hoffnungsträgers Vettel nun endlich bergauf gehen. „Unabhängig von den schwierigen Momenten spüren wir die Unterstützung unserer Fans“, sagte Binotto in Florenz.

Nur 35 Kilometer nördlich findet erstmals ein WM-Lauf der Formel 1 statt. Möglich macht das der Notkalender in der Corona-Saison. Es sollte auch ein Zeichen der Rennserie an Ferrari sein, das als erster Rennstall die 1000 Grand Prix erreicht. Dass es bei den eigenen Fans viel Jubel geben wird, dürfte eine Wunschvorstellung bleiben. „Ich hoffe, dass auch sie verstehen, in was für einer Situation wir uns befinden“, sagte Binotto in Richtung der enttäuschten Anhänger.

Erstmals in der Coronavirus-Pandemie dürfen überhaupt wieder Fans an der Strecke dabei sein. Wenn auch nur 2880 pro Tag, mehr lässt das Hygiene- und Sicherheitskonzept ab Freitag nicht zu. Es sei sicher ein besonderes Rennen, sagte Binotto: „Aber in einer WM ist jedes Rennen wichtig, also ist das Level der Konzentration immer hoch.“

Mugello ist ein magischer Ort für Ferrari. Tausende Kilometer spulte Rekordweltmeister Michael Schumacher in der Toskana einst ab, um das Team mit harter Arbeit wieder an die Spitze und zu Titeln zu führen. Davon sind die Nachfolger des Kerpeners derzeit aber so weit entfernt wie schon sehr lange nicht mehr. „Es ist hart für alle von uns. Wir müssen den Kopf oben behalten“, sagte Vettel. Und das ist schwer.

Branchenführer Mercedes um den alten und wohl auch neuen Weltmeister Lewis Hamilton sieht die Ferraris nur im Rückspiegel. Die Scuderia werde derzeit von Teams und Autos besiegt, „die man im Heiligtum Maranello nicht einmal parken lassen würde“, schrieb die Zeitung „Corriere della Sera“ am Montag und wertete Monza in Anlehnung an das Firmenlogo als „verheerender Sturz für das springende Pferd“.

In Zahlen sieht das so aus: Mit mageren 16 WM-Punkten aus acht Rennen liegt Vettel in der Gesamtwertung als 13. schon 148 Zähler hinter Spitzenreiter Hamilton. Kein Vettel-Sieg seit fast einem Jahr, kein Podestplatz 2020 und kaum Hoffnung auf Besserung. „Im Moment ist der Spaßfaktor nicht auf dem Höhepunkt“, sagte der Routinier. „Der Drops ist aber gelutscht. Nächstes Jahr betrifft mich nicht.“

Darüber dürfte er froh sein. Wie es mit dem einstigen Dauersieger, der alle seine WM-Titel im Red Bull einfuhr, weitergeht, bleibt weiterhin offen. Gerüchte um einen Wechsel zum künftigen Werksteam von Aston Martin halten sich hartnäckig. Im Gespräch soll ein Dreijahresvertrag sein, eine Unterschrift gibt es (noch) nicht.

© dpa-infocom, dpa:200909-99-488223/2

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Erstellt:
9. September 2020, 11:08 Uhr

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