Frank Schmidt vom 1. FC Heidenheim

„VfB gegen HSV – das wäre ein Kracher“

Der 1. FC Heidenheim hat erneut eine sorgenfreie Saison gespielt und kann am letzten Zweitligaspieltag im Optimalfall noch auf Platz sechs klettern. Trainer Frank Schmidt spricht über die Gründe, warum es nicht sogar zu mehr reichte und sich am Ende doch die Traditionsclubs durchsetzten.

Der Heidenheimer Trainer Frank Schmidt ist immer mit vollem Engagement an der Seitenlinie im Einsatz.

© imago/Norbert Schmidt//

Der Heidenheimer Trainer Frank Schmidt ist immer mit vollem Engagement an der Seitenlinie im Einsatz.

Von Jürgen Frey

Für Frank Schmidt gibt es nur ein Gas: Vollgas. Auch im letzten Spiel dieser Fußball-Zweitligasaison gegen den Karlsruher SC am Sonntag (15.30 Uhr/Voith-Arena) fordert der Trainer des 1. FC Heidenheim bedingungslos drei Punkte. Wie ist er mit der Runde zufrieden, was erwartet er in der Zukunft, und wie blickt er auf das spannende Rennen um den Aufstieg?

Herr Schmidt, wie gehen Sie als Wettkampftyp damit um, dass es auf der Zielgeraden für Ihr Team nur noch um Tabellenkosmetik geht?

Wer mich kennt weiß, dass ich nichts mehr hasse, als irgendetwas auslaufen zu lassen. Mit einem Heimsieg gegen Karlsruhe könnte sogar noch Rang sechs drin sein. Doch unabhängig vom Tabellenplatz und damit verbundenen TV-Geldern wollen wir aus eigenem Antrieb das Bestmögliche herausholen. Ich hasse es zu verlieren, und wenn ich etwas mache, dann zu 100 Prozent. Und das verlange ich auch von jedem meiner Spieler.

Warum reichte es hintenraus nicht zu mehr?

Also, ich bin schon mal sehr zufrieden, dass wir Platz acht eingetütet haben und damit unser Vorjahresergebnis bestätigt haben. Dass wir auf der Zielgeraden nicht mehr ganz die Power hatten, liegt auch daran, dass wir in allen Laufdaten mit großem Abstand ligaweit Spitze sind, egal ob es gelaufene Kilometer, Sprints oder intensive Läufe sind.

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Schon früher in der Saison drängte sich aber der Verdacht auf: Immer wenn der FCH nah dran war, die ersten drei Plätze ernsthaft anzugreifen wie vor den Spielen in Hamburg, Darmstadt oder auf Schalke, kam ein Rückschlag.

Das sehe ich nicht ganz so. Wir hatten im Oktober drei Niederlagen am Stück mit elf Gegentoren, wenn du solche Spiele drin hast, dann reicht es für oben eben nicht. Wir hatten in den vergangenen drei Jahren immer mehr als 50 Punkte geholt. Es muss schon alles zusammenkommen, damit mehr herauskommt.

„Die Wahrheit tut weh“

Wie 2020, als die Teilnahme an den Relegationsspielen gegen Werder Bremen gelang.

Da hatten wir 55 Punkte. Das war eine Lebenschance, und die kommt nicht so oft. Ich bin grenzenloser Optimist, aber auch Realist. Die Wahrheit tut weh, aber es hat einfach seine Gründe, dass wir immer in etwa die gleiche Punktzahl holen.

Welche denn genau?

Dass wir andere finanzielle Rahmenbedingungen als die Topclubs haben, muss ich nicht vertiefen. Dies wirkt sich auf die individuelle Kaderqualität aus. Von den ersten elf Mannschaften haben wir mit Abstand die wenigsten Tore geschossen. Es fehlt an Effizient und Kaltschnäuzigkeit, an individueller Qualität und Erfahrung. Wenn wir die Abgezocktheit der vor uns platzierten Mannschaften hätten, wäre sicher auch mehr möglich gewesen.

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Schalke 04 und Werder Bremen haben Sie daheim bezwungen.

Dafür hat Absteiger Aue zwei seiner fünf Siege gegen uns geholt. In einzelnen Spielen ist immer alles möglich. Ich will meine Mannschaft weiß Gott nicht schlechtreden, und wir wollen auch immer das Maximale herausholen, aber mir geht es einfach darum, dass man ihr grundsätzlich nicht gerecht wird, wenn man immer nur darauf abzielt, warum es nicht zu mehr gereicht hat. Das ist in einer perfekten Saison zwar möglich, mir aber grundsätzlich zu negativ. Denn in der zweiten Liga geht es ganz, ganz schnell, und du bist Elfter, Zwölfter oder 13. Man könnte auch hinterfragen, warum es uns jedes Jahr gelingt, eine gute, sorgenfreie Saison zu spielen, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass wir regelmäßig unsere Topspieler verkaufen.

„Identifikationsfiguren verloren“

Wie sehr vermissen Sie eigentlich Ihren langjährigen Kapitän Marc Schnatterer?

Marc hatte zuletzt zwar nicht mehr so viele Spielanteile, aber er war jahrelang das Gesicht auf dem Platz und in der Kabine. Wir haben Identifikationsfiguren mit viel Erfahrung häppchenweise verloren, das verändert die Hierarchie. Ein neues Gerüst, der Kitt der Mannschaft, musste sich neu entwickeln.

Sie haben einen Vertrag bis 2027, besteht denn die realistische Chance, dass Sie auch mal fertige Spieler holen können, um oben anzugreifen?

Das müssen Sie unseren Vorstandsvorsitzenden Holger Sanwald fragen. Mit mir ist klar besprochen, dass wir maximal erfolgreich sein wollen, aber wir unserem Weg treu bleiben – und der bedeutet, auf junge, talentierte, hungrige Spieler zu setzen, die oft aus der dritten und vierten Liga zu uns kommen. Dabei bin ich mir vollkommen bewusst, dass es keine Garantie gibt, jedes Jahr Siebter oder Achter zu werden. Vor allem nicht in einer so extrem herausfordernden Saison wie dieser.

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In der sich die Traditionsclubs durchgesetzt haben, trotz des Drucks. Warum?

Das letzte Spiel von Schalke ist die Antwort auf diese Frage. Das Team liegt gegen St. Pauli 0:2 zurück, entwickelt dann solch eine Wucht, solch einen Glauben und dreht das Spiel. Nach 34 Spieltagen setzt sich Qualität durch, unter einer Voraussetzung: Ich muss die Mentalität der zweiten Liga annehmen. Und das haben die Traditionsclubs und auch ihre Fans mit der Zeit gelernt. Sie stehen bis zum Schluss zusammen, auch wenn keine Leckerbissen serviert werden.

Wer wird den Sprung in die Relegation schaffen?

Die Tendenz geht zum HSV.

„VfB gegen HSV wäre ein Kracher“

Dann gegen den VfB Stuttgart?

Puh, das wäre ein echter Kracher.

In dem wer die besseren Karten hätte?

Wenn es zu dem Duell dieser Schwergewichte kommen sollte, wäre es ein 50:50-Spiel auf Augenhöhe. Psychologisch gesehen kann der Bundesliga-16. eine verkorkste Saison mit zwei Spielen retten. Beim HSV hatte fünf Spieltage vor Schluss keiner mehr mit dem Aufstieg gerechnet, doch jetzt stehen sie kurz vor dem Ziel – und es kann dennoch noch schiefgehen.

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Auf welchen der beiden Traditionsclubs würden Sie sich mehr freuen in der neuen Saison?

Wenn ich jetzt ein Novize wäre, würde ich sagen, klar, ich will gegen den VfB spielen (lacht). Aber für mich gehören sowohl der VfB als auch der HSV in die Bundesliga – deshalb antworte ich auf die Frage ganz pragmatisch: Ich nehme es, wie es kommt.

Dauerbrenner mit Tennisfaible

Vita Frank Schmidt wurde am 3. Januar 1974 in Heidenheim geboren. Als Profi spielte er zwischen 1994 und 2007 u. a. für den TSV Vestenbergsgreuth, Alemannia Aachen und den SV Waldhof Mannheim, später für den Heidenheimer SB.

Nach seiner Karriere wechselte Schmidt 2007 in Heidenheim direkt auf die Trainerbank. Er führte den Club von der Oberliga bis in die zweite Liga. Der Aufstieg gelang 2014. Sein aktueller Vertrag läuft bis zum Juni 2027.

Persönliches Schmidt ist verheiratet mit Nadine. Das Paar hat die Töchter Julia (23) und Lara (20). In seiner Freizeit fährt er gerne Mountainbike und spielt Tennis. Schmidt war schon Vereinsmeister beim SV Bachhagel. (jüf)