Nach dem 5:2 gegen Italien

Warum die DFB-Elf noch eine Wundertüte ist

Vor dem starken Auftritt gegen Italien war in der öffentlichen Wahrnehmung der DFB-Elf alles schlecht, jetzt soll alles wieder gut sein – die Wahrheit liegt fünf Monate vor der WM in der Mitte, kommentiert Nationalelf-Reporter Marco Seliger.

Jubel, Trubel, Heiterkeit – die DFB-Elf um Timo Werner in Mönchengladbach.

© Imago/Nico Herbertz

Jubel, Trubel, Heiterkeit – die DFB-Elf um Timo Werner in Mönchengladbach.

Von Marco Seliger

Die Kombinationen waren schnell, das Pressing funktionierte. Die Abläufe stimmten, vorne gab es Spektakel satt mit fünf Toren, dazu bezwang die DFB-Elf unter dem Bundestrainer Hansi Flick endlich eine so genannte große Fußballnation – und das auch noch so klar: Nach dem 5:2 gegen Italien von Mönchengladbach am Dienstagabend ist die deutsche Mannschaft knapp fünf Monate vor Beginn der WM in Katar in, genau: bestechender WM-Form.

Solche Dinge waren zu hören und zu lesen nach dem beeindruckenden Auftritt der Flick-Elf – sie zeigen nur, wie schnelllebig das Fußballgeschäft mit seinen Deutungen und dem rasanten Wandel in der Beurteilung der Geschehnisse längst geworden ist. Klar war das 5:2 nach 5:0-Führung gegen die Italiener ein Höhepunkt, ein teils grandios herausgespielter Sieg. Aber was war da vorher noch mal?

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Da konnten Flicks Jungs nach vier Remis nacheinander gegen die Großen nicht gewinnen, da war diese Elf nach dem schwachen 1:1 in Ungarn in der öffentlichen Wahrnehmung teils dem Untergang geweiht. Oh mei, scheiden wir nach 2018 etwa schon wieder in der WM-Vorrunde aus?

Und jetzt also soll plötzlich alles gut sein?

Gestern so, heute so – die Wahrheit nach dem Saisonabschluss gegen Italien liegt bei nüchterner Betrachtung der DFB-Elf wohl irgendwo in der Mitte mit Blick auf die WM. Klar zählt zuvorderst der letzte, starke Eindruck. Und klar, da gibt es Dinge, die aus deutscher Sicht Hoffnung machen – wie etwa der Fakt, dass Flick inzwischen eine Achse in seinem Team aufgebaut hat. So ist vor dem Torwart Manuel Neuer Antonio Rüdiger als Abwehrchef etabliert, davor ist Joshua Kimmich im defensiven Mittelfeld gesetzt, und in der offensiven Dreierreihe zeigte Thomas Müller gegen Italien mit einem überragenden Auftritt, dass bei der WM wohl mit ihm zu rechnen sein wird. „Die Achse“, sagte Flick also, „hat funktioniert.“

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Ansonsten aber hat im Viererpack in der Nations League Anfang Juni auch einiges nicht geklappt. Dem deutschen Spiel fehlt es an Konstanz und Souveränität. Alles scheint möglich zu sein, die Elf gleicht fünf Monate vor der WM einer Wundertüte. Es gibt Ausreißer nach oben und unten. Es gibt exemplarisch dafür die Lethargie und Langsamkeit von Ungarn, und es gibt die Leidenschaft und die Lust von Mönchengladbach gegen Italien. Oder anders: es gab in den vier Juni-Partien keine Klärung der Frage, wie weit Flicks Elf auf ihrem angestrebten Weg zurück in die Weltspitze schon ist.

Die Antwort liefert angesichts der knappen Vorbereitung nur der eine, der ultimative und entscheidende Gradmesser – die WM im Winter in Katar.

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Erstellt:
15. Juni 2022, 13:28 Uhr

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