Sponsoring in der Region Stuttgart

Warum Unternehmen ihr Geld in Vereine aus der Region stecken

Längst nicht alle, aber zumindest einige große Unternehmen zeigen ihre Verbundenheit zur Region durch Sponsoring im Sport. Was ist ihre Motivation?

Göppingens Janus Smarason (Mi.) gegen Stuttgarts Adam Lönn: Frisch Auf und der TVB können auf eine breite Sponsorenpyramide bauen.

© Baumann/Julia Rahn

Göppingens Janus Smarason (Mi.) gegen Stuttgarts Adam Lönn: Frisch Auf und der TVB können auf eine breite Sponsorenpyramide bauen.

Von Jürgen Frey

Ingo Guttenson, der Marken- und Sponsoringverantwortliche von MHP, muss selbst fast ein wenig schmunzeln: „Es gibt ja kein glaubwürdigeres Sportsponsoring nach all diesen Negativerlebnissen als unseres bei den Stuttgarter Kickers.“ Seit 2015 unterstützt das Porsche-Tochterunternehmen mit Sitz in Ludwigsburg die Blauen – und bleibt dem Fußball-Oberligisten auch nach dem erneut verpassten Aufstieg als Hauptsponsor treu. „Natürlich macht man sich Gedanken, aber eine Partnerschaft ist mehr als nur Erfolg auf dem Platz“, sagt Guttenson. Die Marke Kickers habe nach wie vor ihre Strahlkraft. Solange der Club sympathisch und glaubwürdig sei, die Jugendarbeit super laufe, werde man weiter den Doppelpass spielen.

Verantwortung für die Region

Das Beratungsunternehmen sieht sich grundsätzlich in der Verantwortung für die Region. Das zeigt auch das Engagement bei höherklassigen Clubs wie dem Fußball-Zweitligisten 1. FC Heidenheim, dem Basketball-Bundesligisten MHP Riesen Ludwigsburg oder bei den Frauen- und Männer-Handballteams der SG BBM Bietigheim. Das Motto von MHP-Chef Ralf Hofmann: „Solange es uns gut geht, geben wir etwas zurück.“

Kulturhistorische Hintergründe

Selbstverständlich ist das in der Region um Stuttgart nicht. „Es gibt strukturschwächere Gebiete, in denen die Identifikation mit den Vereinen deutlich ausgeprägter ist“, ist sich der Riesen-Vorsitzende Alexander Reil sicher, „bei uns heißt es, ich geh zum Fußball, im Ruhrgebiet heißt es, ich geh zum BVB.“ Überträgt sich die Denkweise der Menschen auf die Unternehmen?

Vom Sportwissenschaftler Helmut Digel kommt ein klares Ja – im Interview mit unserer Redaktion begründete er es kulturhistorisch: „Der schwäbische Unternehmer denkt mehr nach, er denkt viel wirtschaftlicher.“ Zurück geht das auf die protestantische Arbeitsethik von Max Weber, die in Württemberg vorherrschte und auf Enthaltsamkeit basierte. „In der Tradition der schwäbischen Unternehmer spielte der Sport keine zentrale Rolle“, sagt Digel. Großfirmen wie Bosch, Stihl, Mahle halten sich heute noch zurück.

Gut für die Vereine in der Region, dass dies nicht die Regel ist. Ein Unternehmer mit Herz für den Sport ist Hartmut Jenner. Der Vorsitzende der Geschäftsführung des Weltunternehmens Kärcher unterstützt als Hauptsponsor seit 2012 den Handball-Bundesligisten TVB Stuttgart. Jenner nennt drei Gründe, warum der Vertrag sogar bis 2031 verlängert wurde: „Handball ist sehr attraktiv und deshalb hinter Fußball auch der zweitbeliebteste Mannschaftssport in Deutschland, zudem ist unsere Zielgruppe im Handball sehr gut vertreten. Und als Drittes bringt eine solche lokale Unterstützung auch eine Innenwirkung, sehr viele unserer Mitarbeiter sind hoch handballaffin.“

Positiver Imagetransfer

Auch Rainer Scharr freut sich, wenn er von seinen Mitarbeitern positive Rückmeldungen für sein Engagement bekommt. Mit seinem Energiehandelsunternehmen in Stuttgarter-Vaihingen ist er seit 2011 Namensgeber der Scharrena (Vertrag wurde bis 2031 verlängert) und zweiter Hauptsponsor der Bundesliga-Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart. „Wir sind ein regional verwurzeltes Familienunternehmen, da passt ein regionales Spitzensportteam wunderbar zur Philosophie“, sagt Scharr. Jung, sympathisch, schön anzusehen sei der Sport, dazu äußert erfolgreich. „Die jüngsten Titel sind natürlich ein schöner Nebeneffekt. Eine bessere Werbung gibt es nicht.“

Bekanntheitsgrad steigern

Wichtig ist ihm dabei auch immer mehr das Thema Klimaneutralität. Emissionen sollen reduziert werden, etwa durch den Verzicht auf Klatschpappen, durch die Auswahl von regionalen Caterern und die Ausstattung der Teamfahrzeuge mit E-Mobilität. Mit all den Aktionen geht neben dem positiven Imagetransfer auch die Steigerung des Bekanntheitsgrades einher. Den hat auch die Firma EWS, Namensgeber der Arena von Handball-Bundesligist Frisch Auf Göppingen, ausgemacht. Die Initiativbewerbungen sind laut Geschäftsführer Matthias Weigele „signifikant gestiegen“.

Frisch Auf als Sprungbrett

Für Hauptsponsor Teamviewer war Frisch Auf im Jahr 2020 das Sprungbrett ins Sport-Sponsoring. Um die globale Markenbekanntheit und das Wachstum vor allem in den USA und Asien zu verstärken, stieg das IT-Unternehmen als Nächstes beim englischen Fußball-Rekordmeister Manchester United und beim Formel-1-Team von Mercedes ein. Das Engagement bei Frisch Auf ist zunächst dem Standort geschuldet: „Wir sind in Göppingen ansässig, haben anspruchsvolle Ziele und teilen ähnliche Werte“, heißt es aus dem Kommunikationszentrum von Teamviewer.

Lokale Verbundenheit reicht nicht

Doch für ein Sponsorship in der gewählten Größenordnung (Frisch Auf erhält rund eine Million Euro pro Saison) reiche lokale Verbundenheit allein nicht aus. Frisch Auf habe mit seiner Begeisterung für den Handballsport, den sportlichen Ambitionen und Visionen überzeugt. „Wir freuen uns immens über die Qualifikation für die European League“, teilt das Unternehmen mit. Noch eines ist Teamviewer wichtig: „Die Ausrichtung unserer Sportpartnerschaften hat sich durch Corona nicht geändert – all unsere Partnerschaften sind wir eingegangen, als Corona bereits Thema war.“ Dennoch könne man durch die Lockerungen der Kontaktbeschränkungen nun wieder vermehrt Kunden, Partner und Mitarbeiter zu den Spielen und Rennen einladen, was einen großen Pluspunkt darstellt.

Zu Verträgen stehen

Wie sich die verschiedenen Krisen auf der Welt mittel- und langfristig auf das Sponsorenengagement der Unternehmen in der Region auswirken, ist offen. „Keiner kann genau sagen, was auf uns zukommt“, sagt Scharr. Für Jenner steht trotz aller Unsicherheit aber außer Frage: „Wir sind ein Unternehmen, das zu seinen Zusagen und Verträgen steht. Das werden wir immer tun.“ Sehr zur Freude der unterstützten Clubs.

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Erstellt:
1. Juli 2022, 14:34 Uhr
Aktualisiert:
3. Juli 2022, 16:58 Uhr

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