Wenn Backnangs Judo-Frauen morgen in der heimischen Karl-Euerle-Halle um den deutschen Meistertitel kämpfen (Wettkampfbeginn: 10 Uhr) hoffen sie auf eine stattliche Zuschauerkulisse. Damit Interessierte, die sonst vielleicht weniger mit diesem Sport zu tun haben, vorbereitet sind und Fachwissen vortäuschen können, gibt’s hier ein Judo-ABC – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Von Christoph Nesper

AAyumi:Eigentlich beginnt das Judo bereits mit dem korrekten Gehen. Mit Ayumi-Ashi bezeichnen die Japaner das natürliche Gehen, bei dem stets ein Bein das andere überholt – im Unterschied zum Tsugi-Ashi, dem Nachstellschritt. Niemals sollten beide Füße den Kontakt zur Matte verlieren, denn sonst wird man instabil und leichter besiegbar.

BBischof, Ole: Bisher einziger Olympiasieger aus Württemberg. 2008 in Peking gewann der Reutlinger die Goldmedaille gegen seinen Dauerrivalen Kim Jae-Bum (Südkorea), der sich 2012 in London revanchierte und Bischof auf den Silberrang verwies. Bereits 1988 hatte der Sindelfinger Marc Meiling Silber in Seoul geholt. Als erste Athletin eines Vereins aus Backnang überhaupt stand TSG-Kämpferin Michaela Baschin 2008 in Peking auf der Matte und wurde immerhin Neunte.

CClaßen, Barbara: Die erste deutsche Weltmeisterin, triumphierte 1982 in Paris. Sie gilt als die Pionierin des Frauenjudos in Deutschland, sammelte viele internationale Medaillen und bekam als erste Judoka das Silberne Lorbeerblatt der Bundesrepublik. Die Badenerin war jedoch auch sehr kritisch sich selbst und ihrem Umfeld gegenüber und wurde zur tragischen Figur. Mit 32 Jahren nahm sie sich im heimischen Grenzach-Wyhlen das Leben. Erst 2004 wurde Yvonne Bönisch aus Ludwigsfelde in Athen die erste und bisher einzige deutsche Olympiasiegerin.

DDojo: Dieser Begriff bezeichnet die Trainingsstätte der Judokas. Wörtlich übersetzt bedeutet Dojo „Der Ort des Weges“ – gemeint ist damit die Stätte (Jo), an der die Kunst (Do) unterrichtet wird. Das Domizil der TSG Backnang befindet sich im Rötlensweg in direkter Nachbarschaft zur Mörikehalle.

EEisho-Ji: Der Eisho-Tempel in Tokio war die erste Trainingsstätte, an der Judobegründer Jigoro Kano seine neue Sportart auf acht Matten lehrte. Er nannte sein Dojo „Kodokan“, also Ort zum Üben des Weges. Weil der Sport die Mönche störte, kam es zum ersten Umzug, der heutige Bunkyo-ku in Tokio ist bereits das zehnte Kodokan-Dojo und mit über 1000 Matten weiter der Nabel der Judowelt.

FFukuda, Hachinosuke: Auch ihm hat die Welt das Judo zu verdanken. Er war ab 1877 Ju-Jitsu-Lehrer von Judogründer Jigoro Kano, der ein recht schwächlicher Jüngling gewesen sein soll und diesen Nachteil durchs Erlernen eines Kampfsports ausgleichen wollte. Später entwickelte Kano aus der ihm beigebrachten Kampfkunst die Sportart Judo.

GGewichtsklassen: Es macht im Sinne der Chancengleichheit natürlich wenig Sinn, zwei Judokas gegeneinander auf die Matte zu schicken, die total verschiedene körperliche Voraussetzungen mitbringen. Deshalb gibt es Gewichtsklassen, bei den Bundesliga-Wettkämpfen der Frauen sind es auch bei der Finalrunde in Backnang am morgigen Samstag deren sieben: Bis 48, bis 52, bis 57, bis 63, bis 70, bis 78 und über 78 Kilogramm.

HHa-Jime: Es handelt sich wohl um das wichtigste Kommando, denn ohne dieses geht es gar nicht erst los. Es heißt so viel wie „Beginnt!“ und wird vom Kampfrichter angesagt, um das Duell zu eröffnen.

IIppon: Auch das hören Judokas gerne – aber nur, wenn es der Kampfrichter zu ihren Gunsten verkündet und den rechten Arm in die Höhe hebt (Foto: Deutscher Judo-Bund). Es bedeutet eigentlich „Punkt“ und entspricht dem K.o. im Boxen. Die Wertung wird nur für einen technisch einwandfreien Wurf, bei dem der Rivale auf dem Rücken landet, oder eine 20 Sekunden andauernde Haltetechnik vergeben. Zudem, wenn der Gegner nach einem Hebel- oder Würgeangriff kampfunfähig ist oder aufgibt.

JJu: Die erste Silbe des Wortes Ju-Do, welches mit „der sanfte Weg“ übersetzt wird. Gemeint ist, nicht mit Gewalt zu siegen, sondern die Bewegungsenergie des Gegners auszunützen. Das Ju steht also für eine ganze Philosophie, die Judo eigentlich gegenüber allen anderen Sportarten zu etwas Besonderem macht.

KKano, Jigoro: Der Judobegründer lebte von 1860 bis 1938. Er entwickelte aus der traditionellen, waffenlosen Selbstverteidigung der Samurai, dem Ju-Jitsu, eine Sportart, deren erstes Ziel die Körperertüchtigung und nicht die Vernichtung des Gegners ist. Gefährliche Techniken wurden verboten, ein umfangreiches Regelwerk eingeführt. Kano war zudem Leiter von Tokios Lehrerbildungsanstalt und im Auftrag von Japans Regierung unterwegs, zum Beispiel als Leiter der ersten asiatischen Delegation bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm.

LLorenz, Dietmar: Der für die damalige DDR angetretene Thüringer war 1980 in Moskau der erste deutsche Judo-Olympiasieger. Überschattet wurden die Spiele vom Boykott der Bundesrepublik und 41 weiterer Staaten des Westens. Der Ostblock reagierte 1984: Die DDR, die Sowjetunion und 18 weitere Länder blieben Los Angeles fern. Dort wurde Frank Wieneke zum ersten westdeutschen Goldjungen, von 2001 bis 2008 war er auch ein überaus erfolgreicher Bundestrainer.

MMatte: Bei dem Wort ist Vorsicht geboten, es kann zweierlei bedeuten. Im Japanischen heißt „Matte“ (manchmal mit einem t) so viel wie „Warten“. Es wird vom Kampfrichter auf dem „e“ betont und angesagt, wenn das Duell unterbrochen werden soll. Zum deutschen Wort „Matte“ – also dem Untergrund, auf dem die Judokas ihren Sport ausüben – sagen die Japaner „Tatami“.

NNage-Waza: Japanische Bezeichnung für Wurftechniken, mit denen ein Judoka seinen Rivalen besiegen kann. Der Kodokan in Japan unterscheidet derzeit 68 verschiedene Nage-Waza. Bleibt der Sieg im Stand aus, kann es der Judoka in der Bodenlage versuchen. Bei den Me-Waza umfasst der Kodokan 32 Techniken, unterteilt in Haltegriffe (Osaekomi-Waza), Armhebel (Kansetsu-Waza) und Würgegriffe (Shime-Waza).

OObi: Mit dem Obi, dem Gürtel, hält der fernöstliche Kampfsportler seinen Anzug – den „Gi“ – zusammen. Das Accessoire hatte anfangs keine tiefere Bedeutung, zeigt aber die visionäre Leistung von Jigoro Kano. Die Legende besagt, er habe die Idee gehabt, seine Meister mit dem schwarzen Gürtel auszuzeichnen. Zur besseren Motivation der Schüler folgte die Unterscheidung in weitere Farben, die der Kodokan in den fünf Stufen gelb, orange, grün, blau und braun (Go-Kyo) festhielt. Dieses System wurde von anderen Kampfsportarten übernommen und ist heutzutage eigentlich ein fester Bestandteil der allgemeinen Vorstellung solcher Sportarten.

PPrinzipien: Seinen Hang zur Philosophie bewies Kano mit dem Festschreiben der Judoprinzipien. Er wollte eine Sportart für die Körperertüchtigung, bei der man den Gegner nicht verletzt, denn Körperertüchtigung setzt voraus, sie kontinuierlich zu praktizieren. Das geht nicht, wenn der Trainingspartner außer Gefecht ist. Kanos erstes Prinzip: „Seiryo-ku-zenyo“, der beste Einsatz der körperlichen und geistigen Energien. Dies soll für einen Judoka zu einer Haltung werden, die in alle Lebensbereiche ausstrahlt. Aus ihm erwächst Prinzip zwei: „Jita-kyoei“ – das gegenseitige Helfen und Gedeihen. Es zielt vor allem darauf ab, voneinander zu lernen und dass es nicht das Ziel ist, den Kontrahenten zu vernichten. Heutzutage wäre „Respekt“ das passende Schlagwort.

QQuellmalz, Udo: Der Leipziger ist bis heute der erfolgreichste deutsche Judoka. Er holte zum Beispiel die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Atlanta im Jahre 1996 sowie bei den Weltmeisterschaften 1991 und 1995. Zudem verbindet er Ost und West, startete er doch anfangs für Leipzig und wurde zweimal DDR-Meister, ehe er für Abensberg und Ingolstadt auch noch vier gesamtdeutsche Titel eroberte. Von 2009 bis 2012 war Udo Quellmalz österreichischer Nationaltrainer, heute arbeitet er als Sportlehrer in Katar.

RRandori: „Randori“ bedeutet freies Üben und ist so etwas wie ein Trainingskampf. Viele Judokas verstehen das falsch und gehen aufeinander los wie die Wilden. Dies widerspricht Kanos Prinzipien, ist aber wohl zwingend, um im Wettkampf („Shiai“) erfolgreich zu sein. Zweite grundlegende Übungsform ist die „Kata“, bei dem Techniken in einer festgelegten Bewegungsabfolge trainiert werden. Der Meister erwartet vom Schüler, dass er Techniken und Bewegungsabläufe nachahmt, ohne zu hinterfragen. Historischer Hintergrund: Zum einen war die korrekte Ausführung von Techniken ohne Lehrbücher und Videos irgendwie zu überliefern, zum anderen waren die Techniken der alten Kriegskünste in der Randori-Form ja auch gefährlich, mitunter sogar tödlich.

SShido: Shido hört der Judoka nicht gerne, denn es bedeutet einen Strafpunkt gegen ihn – zum Beispiel für Inaktivität, Scheinangriff oder Kampfverweigerung. Noch schlimmer ist „Hansoku- Make“, der Kampfverweis. Das Regelwerk umfasst 27 Vergehen, für die es ein Shido geben kann. Wer es genau wissen (und die Judoregeln studieren) will, findet das 49- seitige Werk auf der Homepage des Deutschen Judo-Bunds (www.judobund.de) unter DJB Info, Regeln und Ordnungen.

TTokio: Die fast zehn Millionen Einwohner zählende Metropole Japans ist der Nabel der Judowelt, hier hat das Kodokan-Institut seinen Sitz. In Tokio fand 1964 die Olympiade statt, bei der Judo erstmals zum Programm gehörte, 2020 kehren die Spiele in die Stadt zurück. Vor allem die Judowettbewerbe werden in ihrem Mutterland ein Höhepunkt sein. Als fünfmalige deutsche Meisterin und Weltranglisten-21. in der Klasse bis 48 Kilogramm hat die Backnangerin Katharina Menz keine schlechten Karten, in etwas mehr als eineinhalb Jahren dabei zu sein.

UUke: So wird der Trainingspartner genannt. Wörtlich bedeutet „Uke“ der Erleidende oder Hinnehmende. Gemeint ist die Person, an der die Judotechnik ausgeführt wird – im Unterschied zum „Tori“, also demjenigen, der die Technik ausführt. Im Randori und Shiai wechseln die Rollen natürlich ständig. Es sei denn, die Angelegenheit ist allzu einseitig.

VVerbotene Handlungen: Dafür gibt es im Judo einen ganzen Katalog. Zu finden sind zunächst die gefährlichen Techniken, die Judobegründer Kano ausgeschlossen hat, wie Schläge, Tritte und Genickhebel. Zudem Aspekte, die den Judoprinzipien widersprechen. Die dritte Kategorie bilden die sogenannten leichten Verstöße – also Dinge, die den Wettkampf beeinträchtigen, vor allem Sperren, Passivität und dergleichen mehr (siehe Shido).

W Waza-Ari: Ein halber Punkt und damit die einzige Wertung in den aktuellen Judoregeln, wenn die Wurfausführung für den Ippon nicht perfekt genug war, aber doch einen gewissen Erfolg erzielt hat. Als Signal streckt der Kampfrichter den linken Arm zur Seite aus (Foto: Deutscher Judo-Bund). Zwei Waza-Ari werden zu einem Ippon addiert. Die früher geläufigen Wertungen „Koka“ (kleine Wertung) und „Yuko“ (Vorteil) wurden abgeschafft.

XXiaoyan, Zhuang: Vor wenig haben die Japaner wohl mehr Angst, als dass ihnen China auch im Judo den Rang ablaufen könnte. Seit Zhuang Xiaoyan 1992 in Barcelona holten die chinesischen Frauen sieben weitere olympische Goldmedaillen. Zweimal schlug dabei Xian Dongmei zu, die in der ewigen Rangliste Zweite ist – hinter der Japanerin Ryoko Tani, die von 1992 bis 2008 zweimal Gold, zweimal Silber, einmal Bronze abräumte. Wie populär das im Land macht, zeigte sich bei der Oberhauswahl 2010, als sie sofort ein Abgeordnetenmandat errang. Zurück zu China: Die Männer lassen sich mehr Zeit, erst 2016 gab’s mit Bronze erstmals Edelmetall. Bedeutet in der ewigen Nationenwertung aber schon Rang vier – hinter Japan, Frankreich und Südkorea.

YYamashita, Yasuhiro: Eine der vielen Judolegenden, die es mittlerweile gibt. 1984 war der Schwergewichtler Olympiasieger, dazu kommen vier WM-Titel, von 1977 bis 1985 blieb er unbesiegt. Einen noch gewaltigeren Rekord strebt momentan Teddy Riner an, auch im Schwergewicht. Er verlor 2010 letztmals einen wichtigen internationalen Kampf, der Franzose ist inzwischen Doppel-Olympiasieger und zehnfacher Weltmeister.

ZZen: Es ist die in Japan praktizierte Richtung des Buddhismus, die auch Jigoro Kano und damit das Judo geprägt hat. Übersetzt bedeutet dieses Wort „Nichts“, für Europäer als Ziel schwer zu fassen. So etwas wie innere Zufriedenheit könnte gemeint sein – man hört auf, neue Ziele zu suchen. Praktiziert wird Zen in der Meditation, bekannt vor allem in kniender Haltung („Za-zen“). Hier ist man wieder beim Judo: Zum Anfang und Ende des Trainings stellen sich die Schüler auf diese Ansage hin in einer Reihe dem Meister gegenüber auf, knien ab, sammeln sich in kurzer Meditation und verbeugen sich aufs Kommando „Rei“ zum Zeichen des Respekts und der Dankbarkeit vor ihm.

Der Obi hält den Gi zusammen: Die Rede ist vom Gürtel, der den Judo-Anzug schließt. Die schwarze Farbe zeigt, dass es sich um Könner handelt, drunter gibt’s in Deutschland acht weitere Stufen. Foto: Imago

Der Obi hält den Gi zusammen: Die Rede ist vom Gürtel, der den Judo-Anzug schließt. Die schwarze Farbe zeigt, dass es sich um Könner handelt, drunter gibt’s in Deutschland acht weitere Stufen. Foto: Imago

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Erstellt:
2. November 2018, 06:00 Uhr

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