Vier Wettkämpfe, vier Niederlagen – die Lage der Bundesliga-Turner des MTV Stuttgart scheint prekär zu sein. Allerdings nur auf den ersten Blick. Am heutigen Samstag beginnt die zweite Saisonhälfte. Und in dieser hat sich der Backnanger Sebastian Krimmer mit seiner Riege einiges vorgenommen.

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Von Julia Klassen
Sebastian Krimmer lächelt. Nein, sagt er dann entschlossen, an einen möglichen Abstieg verschwende er keinen Gedanken. Dabei steht der MTV Stuttgart in der Kunstturn-Bundesliga so schlecht da wie selten zuvor. Vier Wettkämpfe absolvierte das Team um Kapitän Krimmer im Frühjahr. Vier deutliche Niederlagen kassierte es. Nur weil das KTT Heilbronn noch weniger Gerätepunkte geholt hat, konnten die Stuttgarter die rote Laterne noch an den Rivalen aus Württemberg abgeben. Nur der Tabellenletzte wird am Ende den Gang in die Zweitklassigkeit antreten müssen.
Am heutigen Samstag beginnt für die acht Mannschaften der Ersten Liga die zweite Saisonhälfte. Drei Duelle bleiben dem Meister von 2014 noch, um sich zu retten. Das erste findet ab 17 Uhr in der Scharrena gegen den Siegerländer KV statt.
Nicht nur Sebastian Krimmer ist heiß auf den Start. Bei ihm geht es aber um viel mehr. Nämlich darum, endlich wieder richtig turnen zu können. Für den Backnanger, der mit Deutschland bei der WM 2010 in Rotterdam Mannschaftsbronze gewonnen hat, endete nämlich erst kürzlich eine jahrelange Verletzungsmisere. Ende Juni 2017 war er nach einem Riss der Supraspinatussehne an der Schulter operiert worden, siebeneinhalb Monate lang konnte er gar nicht an die Geräte. Seit drei Wochen ist er wieder voll im Training und „absolut schmerzfrei“ – ein Zustand, den der 28-Jährige kaum mehr kennen dürfte. Seit 2012 wurde Krimmer immer wieder von Verletzungen gestoppt. Er war gerade aufgestanden, hatte sich wieder herangekämpft – da passierte schon das nächste Malheur. „Ich habe zwischendurch schon mal ans Aufhören gedacht“, gibt er heute zu. Was ihn antrieb und immer noch antreibt, liegt nahe, sehr nahe sogar: die Kunstturn-Weltmeisterschaft in Stuttgart 2019. Bei den Titelkämpfen in seinem Wohnzimmer will der Pauschenpferdspezialist unbedingt dabei sein. Und dann finden ja ein Jahr später auch noch die Olympischen Spiele in Tokio statt – „da würde ich nicht Nein sagen“, meint Krimmer.
Die Bundesliga ist für Krimmer
eine Herzensangelegenheit
Nun aber kommt erst einmal die Bundesliga unter dem Motto: Dabeibleiben ist alles. Während für manchen Spitzenturner die Ligawettkämpfe eher ein notwendiges Übel sind, bedeuten sie dem MTV-Kapitän viel. „Ich bin mit Herzblut dabei. Die Liga hat für mich einen hohen Stellenwert“, sagt er und bereitet sich für das Kräftemessen mit dem Siegerländer KV genauso vor wie für eine internationale Meisterschaft. „Wettkämpfe mit Halbgas gibt es für mich nicht.“
Dass der Nationalturner so optimistisch im Hinblick auf den Klassenverbleib ist, hat mehrere Gründe. Der erste und wichtigste: Alle Mann sind fit. Davon konnte in der ersten Saisonhälfte keine Rede sein. Bei zwei der vier Wettkämpfe waren wegen Erkrankungen und Verletzungen nur jeweils vier Turner am Start, das absolute Minimum. Sie alle mussten einen Sechskampf absolvieren. Zum Vergleich: Die Gegner stellten in der Regel mehr als doppelt so viele Sportler auf. Auch Krimmer fehlte seinem Team in den ersten beiden Duellen. Bei Nummer drei und vier startete er zumindest am Boden – „aus der Not heraus“, wie er sagt. „Eigentlich war ich noch nicht so weit.“ Heute aber kann der MTV in Bestbesetzung antreten, und Krimmer ist sich sicher: „Leistungsmäßig gehören wir nicht in die Zweite Liga.“
Im Hinblick auf die Ausfälle spielte dem MTV auch die Auslosung in die Karten. Die harten Brocken der Liga haben die Stuttgarter nämlich schon hinter sich – und das ist der zweite Grund für Krimmers Glauben an den Klassenverbleib. Gegen Vizemeister TG Saar (16:59), Meister KTV Straubenhardt (18:53), den Vorjahres-Dritten KTV Obere Lahn (24:52), der sich zum Saisonende zurückziehen wird, und den SC Cottbus (19:50) setzte es deutliche Niederlagen. „Allerdings hätten wir es gegen die auch in Bestbesetzung schwer gehabt“, sagt Krimmer. Da nun Gegner auf Augenhöhe kommen, hat das Team sein Glück selbst in der Hand. Falls doch der schlimmste Fall, das heißt der Abstieg, eintreten sollte? Claudia Krimmer, Mutter von Sebastian und Managerin der MTV-Turnteams, sagt: „Dann machen wir es wie der VfB – und steigen sofort wieder auf.“
Die Schulter macht wieder mit: Sebastian Krimmer am Barren. Foto: Baumann Krimmer greift noch einmal an Die Ziele des Turners: Erst Bundesliga, dann WM