Kein Ende der Corona-Sorgen: Handballer weiter dezimiert

dpa Bratislava. Das Coronavirus dezimiert die deutschen Handballer bei der EM weiter. Vor dem letzten Turnierspiel gegen Russland gibt es zwei neue positive Fälle in der Mannschaft.

Auch Patrick Wiencek hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Foto: Uwe Anspach/dpa

Auch Patrick Wiencek hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Foto: Uwe Anspach/dpa

Alfred Gislason blendete den Corona-Wahnsinn von Bratislava nach dem EM-Knockout der von zwei weiteren Ausfällen betroffenen deutschen Handballer tapfer aus.

„Ich hadere überhaupt nicht, sondern finde mich mit der Situation ab, wie sie ist. Wenn ich damit anfange, machen das die Spieler auch“, sagte der Bundestrainer vor der bedeutungslosen Abschiedsvorstellung der DHB-Auswahl gegen Russland am Dienstag (18.00 Uhr/ZDF).

Dann werden dem coronageplagten deutschen Team auch noch Kreisläufer Patrick Wiencek und Rückraumspieler Simon Ernst fehlen. Bei dem Duo ergaben die am Sonntagabend nach dem 21:25 gegen Schweden erfolgten PCR-Tests jeweils positive Ergebnisse. Zudem hat sich ein weiteres Mitglied der DHB-Delegation infiziert. „Wir haben leider auch heute Morgen nochmal schlechte Nachrichten bekommen“, berichtete DHB-Sportvorstand Axel Kromer mit ernster Miene.

„Ich habe keine Symptome und hoffe, dass ich jetzt schnell nach Kiel komme“, sagte Wiencek den „Kieler Nachrichten“. „Bei einigen hat es bis zu ihrer Rückkehr ja länger gedauert. Aber ich bin optimistisch und hoffe, dass ich schnell wieder für den THW Kiel im Einsatz sein werde.“

Nur 14 Spieler gegen Russland zur Verfügung

Die Pläne des Bundestrainers sind damit erneut über den Haufen geworfen worden. „Ich hoffe, dass wir gegen Russland noch einmal 60 Minuten voll durchziehen können. Wir wollen unbedingt mit einem Sieg aus dem Turnier gehen, das wäre sehr wichtig“, hatte Gislason nach der Schweden-Pleite gesagt. Nun steht ihm für das Spiel nur noch ein Rumpfkader mit 14 Spielern zur Verfügung.

Den permanenten Rückschlägen begegnet der 62 Jahre alte Isländer mit stoischer Gelassenheit und einem Schuss Galgenhumor. „Wir kommen aus einer Gegend, wo man schnell reagieren muss, wenn etwas passiert. Entweder hat man schnell reagiert, oder man war tot. Diejenigen, die schnell reagiert haben, sind übrig geblieben und haben diese Gene weitergegeben“, sagte Gislason mit Blick auf sein Heimatland.

Keine Nachnominierungen mehr

Obwohl das Personal ausgedünnt ist, schloss Kromer weitere Nachnominierungen aus. „Das ist natürlich nicht geplant“, betonte der 45-Jährige und fügte mit Blick auf das Russland-Spiel hinzu: „Ich hoffe, dass die nächsten PCR-Tests die Situation nicht verschlimmern und wir die letzte Aufgabe, die sich uns bei dem Turnier stellt, noch lösen können.“ Weitere Ausfälle könnten im schlimmsten Fall die Austragung des Spiels gefährden.

Schon jetzt ist klar: diese Europameisterschaft geht als Novum in die Geschichte ein. „Es ist für alle eine Grenzerfahrung. Solche Dinge hat niemals jemand erlebt“, sagte Kromer. 15 deutsche Spieler wurden bis zum Montagmittag während der Endrunde in Ungarn und der Slowakei positiv getestet, insgesamt waren 28 Spieler dabei - ein Rekordaufgebot für die Ewigkeit.

„Mir tut es für jeden leid, dass es hier nicht so gelaufen ist wie wir uns das alle vorgenommen hatten. Ich bin aber froh, dass trotzdem jeder mit Stolz und großer Freude dabei gewesen ist“, sagte Kromer. Insbesondere der Bundestrainer sei nicht zu beneiden: „Für Alfred ist es an Verrücktheit nicht mehr zu überbieten, dass er sein drittes Turnier spielt und keines davon unter normalen Umständen. Er hat nie eine Euphorie erleben dürfen.“

Fokus auf Heim-EM 2024

Nach Kromers Ansicht habe die Mannschaft die Sportart dennoch wunderbar verkauft und eine gute Perspektive. „Es muss unser Ziel sein, wieder in die Nähe der Medaillen zu kommen“, formulierte er den Anspruch für die Zukunft. Immerhin findet die nächste EM 2024 in Deutschland statt.

Doch zunächst gilt es, das aktuelle Turnier bestmöglich zu Ende zu bringen. Viele der positiv getesteten Spieler haben bereits die Heimreise angetreten. Nachdem am Sonntag ein Sextett abgereist war, folgten am Montagmorgen Kai Häfner, Timo Kastening, Sebastian Heymann und Marcel Schiller. Noch immer rätselt der DHB, wie das Virus trotz der erhöhten Sicherheitsvorkehrungen in die Mannschaft gelangt ist. „Ich wüsste nicht, was wir operativ anders leisten könnten als wir es getan haben“, sagte Kromer.

Vom ursprünglichen EM-Kader sind nur noch vier Spieler übrig geblieben: Kapitän Johannes Golla, die Rückraumspieler Philipp Weber und Julian Köster sowie Rechtsaußen Lukas Zerbe. „Ich gehe zu jedem PCR-Test mit leichten Bauchschmerzen. Wenn man jetzt noch die Quarantäne erwischt, wäre das sehr bitter“, räumte EM-Neuling Köster ein.

Wagner als mahnendes Beispiel

Ob gegen Russland angesichts der angespannten Personalsituation vielleicht auch ursprünglich positiv getestete Akteure zum Einsatz kommen, blieb zunächst offen. Noch im Spielort befanden sich Torhüter Andreas Wolff und Rückraumspieler Julius Kühn, die seit Tagen isoliert sind. Kromer bezweifelt jedoch, dass sie dem Team selbst im Falle eines Comebacks helfen könnten: „Wir können in keiner Weise darauf hoffen, dass ein Rückkehrer eine tragende Rolle spielen kann.“

Mahnendes Beispiel war der Kurzauftritt von Rückraumspieler Hendrik Wagner am Sonntagabend bei der Niederlage gegen Schweden. Der Zweitliga-Profi der Eulen Ludwigshafen klagte bei der Rückkehr nach seiner Corona-Infektion schon nach rund zehn Minuten über Atemprobleme. „Klar habe ich Luftprobleme gehabt. Aber das ist wohl normal, wenn man sieben Tage auf dem Zimmer saß“, sagte Wagner am Montag.

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Auch Patrick Wiencek hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Foto: Marijan Murat/dpa

Auch Patrick Wiencek hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Foto: Marijan Murat/dpa

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Erstellt:
24. Januar 2022, 10:15 Uhr

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