„Wir haben ein robustes Vereinskonstrukt“

Das Interview: Der Vorsitzende Rainer Mögle sieht die TSG Backnang 1846 durch die Coronakrise nicht in ihrer Existenz bedroht. Trotzdem bedeutet die Pandemie gewaltige Herausforderungen, zudem müssen die Jubiläumsfeierlichkeiten verschoben werden.

Rainer Mögle steht seit 2016 an der Spitze von Backnangs größtem Sportverein. Die TSG 1846 hat mittlerweile noch 14 Abteilungen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Rainer Mögle steht seit 2016 an der Spitze von Backnangs größtem Sportverein. Die TSG 1846 hat mittlerweile noch 14 Abteilungen. Foto: A. Becher

Von Steffen Grün

Die TSG Backnang 1846 feiert ihren 175. Geburtstag, mitten in der Coronapandemie.

Das hatten Sie sich anders vorgestellt, oder?

Auf jeden Fall. Eigentlich hätten wir einen großen Teil der Feierlichkeiten schon hinter uns, es wäre im Februar losgegangen. Die Planungen laufen immer noch gut, aber wir müssen alles verschieben.

Sind damit auch alle Ideen fürs Jubiläumswochenende (16. bis 18. Juli), das auf der Homepage noch beworben wird, zunächst obsolet?

So ist es, darüber haben wir am Dienstagabend auch im Turn- und Sportausschuss unseres Vereins beraten. Wir gehen aufgrund der aktuellen Pandemielage nicht davon aus, dass Mitte Juli bereits ein unbeschwertes Feiern auf dem Hagenbachgelände möglich ist.

Soll die Veranstaltung später doch noch stattfinden oder wird sie ersatzlos gestrichen?

Sie wird nur verschoben, der Einsatz der vielen Ehrenamtlichen soll sich lohnen. Wir werden feiern, das ist völlig klar und das gilt fürs komplette Jahresprogramm, zu dem unter anderem auch die Turngala, ein Laternenumzug und ein Ballsportevent gehört hätten. Sobald es möglich ist, ohne Maskenpflicht und ohne dass es Menschen gibt, die nicht teilnehmen können, weil sie zum Beispiel nicht geimpft sind, unbeschwert miteinander zu feiern, werden wir loslegen. Beim Weindörfle zeichnet sich aber jetzt bereits ab, dass es in den Juli 2022 verlegt wird. Da sind wir flexibel, wie es im Sport üblich ist.

Verschobene oder sogar ausgefallene Feierlichkeiten sind vielleicht noch zu verschmerzen, aber ab wann würde die Coronakrise für die TSG zur existenziellen Gefahr werden?

Wir haben durch den hohen Ehrenamtsanteil ein robustes Vereinskonstrukt. Dazu kommt, dass wir die Kostenseite auf unserem Vereinsgelände auf dem Hagenbach unter Kontrolle haben und wir keine neuen Schulden aufgenommen haben. Wir könnten also noch eine Weile durchhalten, aber wir wollen die Menschen unbedingt wieder in Bewegung bringen und die Kinder an den Sportstätten sehen.

Es gab Zeiten, da zählte die TSG 1846 als Backnangs größter Sportverein über 4000 Mitglieder. Unmittelbar vor der Krise waren es noch knapp 3100, zum 1. Januar 2021 dann noch 2822. Ist das alleine Corona geschuldet?

Vieles erklärt sich schon damit, aber wir haben auch sonst eine jährliche Fluktuation von fünf bis zehn Prozent. 200 bis 400 waren immer auf dem Sprung, aber was durch die Krise fehlt, sind die Eintritte. Das hinterher wettzumachen, wird aus meiner Sicht schwierig. Wir werden in unserer Mitgliederstatistik vermutlich mit einer Coronalücke leben müssen.

Ehrenamtliche Trainer und Funktionäre zu finden, ist ohnehin nicht immer leicht. Ist es inzwischen noch einmal schwerer geworden?

Wir haben hoch engagierte ehrenamtliche Übungsleiter und Funktionäre, die ihre Aufgaben auch in dieser Krise sehr ernst nehmen. Der allergrößte Teil wartet sehnlichst darauf, in die Halle zurückkehren und wieder aktiv im gewählten Amt tätig sein zu können. Bei manchen ruht die Arbeit im Moment komplett, andere haben durch Corona jedoch auch Mehraufwand. Es ist das Bewusstsein da, für das Allgemeinwohl zu arbeiten und dass man auch in schwierigen Zeiten zur Stange hält.

Ein ganz normales Sportangebot gibt es seit vielen Monaten nicht mehr. Was macht das insbesondere mit der Nachwuchsarbeit?

Wir sind an der satzungsgemäßen Ausübung unseres Vereinszwecks gehindert. In erster Linie wollen wir Sport miteinander treiben und gesellig sein – beides versagt uns das Virus, das ist gegen jede Natur des Vereinssports. Wenn es wieder losgeht mit Erstaufnahmen, Anfängerkursen und Kindersportevents, brauchen wir unsere erfahrenen Übungsleiter.

Befürchten Sie, dass in manchen Abteilungen ganze Jahrgänge wegbrechen könnten?

Im Wettkampf- und Leistungssport werden wir sehr wahrscheinlich ganze Jahrgänge verlieren. Ganz so schlimm wird es im Breitensport vielleicht nicht sein, aber wir müssen die Kinder und Jugendlichen vom Sofa herunter- und vom Bildschirm wegholen, damit sie wieder in die Hallen und auf die Sportplätze kommen.

Haben Sie Verständnis für die starken Einschränkungen des Vereinssports oder sind Sie der Meinung, dass mit klaren Hygienekonzepten mehr möglich sein müsste?

Das ist eine ganz schwierige Frage. Wir haben eine soziale Verantwortung und müssen deshalb auch immer abgleichen, was an den Schulen geht und was nicht. Man kann die Kinder nicht vormittags isolieren und nachmittags im Sportverein zusammenführen. Insofern schlagen bei dem Thema zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite ist mir völlig klar, dass die Pandemie nur eingedämmt werden kann, wenn Ansteckungsgefahren minimiert werden. Auf der anderen Seite stellen Ärzte allerdings auch fest, dass es den Kindern und Jugendlichen an Bewegung und an Sozialkontakten fehlt. Daher wollen wir den Sportbetrieb allen voran in diesem Altersbereich so schnell wie möglich wieder aufnehmen.

Sie sind Vorsitzender seit fünf Jahren und sagten 2016, es nicht länger als zehn Jahre bleiben zu wollen. Wie fällt Ihre Halbzeitbilanz aus?

Es waren fünf spannende Jahre. Wir hatten uns vieles vorgenommen und wurden auch ab und zu ernüchtert, aber das gehört dazu. Die Pandemie trübt vielleicht etwas den Blick, insgesamt sieht es nicht schlecht aus. Die Abteilungen haben sich gut entwickelt. Es geht weiterhin darum, die Mitgliederbindung und Mitgliedergewinnung voranzutreiben. Wir haben eine tolle Vorstandschaft, mit der ich sehr gerne zusammenarbeite und auch in nächster Zeit gerne zusammenarbeiten werde.

Bei dem geplanten Vereinssportzentrum auf dem Hagenbach sahen Sie vor fünf Jahren für 2021 „etwas, das wächst, zwischen Grundsteinlegung und Schlüsselübergabe“. So weit ist dieses Projekt längst nicht gediehen, auch hier die Frage: Hat das nur mit Corona zu tun?

Die Pandemie hat dazu beigetragen, dass wir nicht mit dem Tempo weitermachen konnten, das wir uns vorgenommen hatten, aber es gibt weitere Erklärungen. Als es ins Detail ging, kamen Themen wie der Verkehr auf dem Hagenbach zur Sprache und wie alles darstellbar ist, wenn man in diesem Umfang wachsen will. Vielleicht muss man für ein so wichtiges Zukunftsprojekt auch mal ein bisschen über den Hagenbach-Tellerrand hinausschauen.

Wann könnte es also so weit sein?

Wir können es derzeit nicht abschätzen und müssen uns auch gemeinsam überlegen, wie die Sportwelt künftig aussehen wird. Ist ein Vereinssportzentrum, in dem Gerät an Gerät steht, nach der Pandemie noch zeitgemäß oder braucht es vielleicht ganz neue Modelle? Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, ob das bereits erarbeitete Raumkonzept dann noch passt, und auch mit der Standortfrage müssen wir uns noch einmal auseinandersetzen.

Die Karl-Euerle-Halle war für die Sportvereine jahrelang der kommunalpolitische Dauerbrenner. Nun stehen Abriss und Neubau kurz bevor, das Thema ist vom Tisch. Haben Sie dem neuen OB Maximilian Friedrich schon den nächsten TSG-Wunschzettel in die Hand gedrückt?

Nein, haben wir nicht (lacht). Wir hatten ihn allerdings im Wahlkampf zu Besuch auf dem Hagenbach und haben gebeten, zu überlegen, ob die Verwaltung noch so aufgebaut ist, um Backnang tatsächlich als Sportstadt benennen zu können. Aus unserer Sicht haben wir eine kulturlastige Verwaltung. Wenn es in die fachliche Tiefe geht, was Sport wirklich braucht und wie Sport funktioniert, spüren wir ab und zu, dass die Verwaltung an Grenzen stößt. Nun sind wir sehr gespannt, was sich tut. Ich bin sehr froh, dass wir einen vereinssportaffinen OB haben.

Seit 40 Jahren Mitglied, seit fast genau fünf Jahren Vorsitzender

Rainer Mögle kam am 18. April 1964 in Backnang zur Welt und wuchs als Teil einer Sportlerfamilie auf. Vater Willy war württembergischer Vizemeister im Ringen, Bruder Werner kickte für die Roten in der Verbandsliga. Er selbst lernte bei der TSG Backnang 1846 das Schwimmen und schloss sich mit 17 Jahren der Fechtabteilung an. Seine Tochter Lena-Marie trat in die Fußstapfen ihres Onkels und schnürt in den Etzwiesen die Fußballschuhe.

Seit 1981 ist Rainer Mögle der TSG Backnang 1846 bereits als Mitglied treu. 1994 nahm sein ehrenamtliches Engagement mit der Wahl zum stellvertretenden Abteilungsleiter der TSG-Fechter richtig Fahrt auf. Zwei Jahre später rückte er bereits an die Spitze der Sparte, seit 2006 ist er wieder der zweite Mann hinter seinem Nachfolger Gunter Piesch.

2007 zog Mögle als Referent fürs Gebäudemanagement in den Vorstand des Hauptvereins ein, von 2011 bis 2016 fungierte er zusätzlich als stellvertretender Vorsitzender. Für die Liegenschaften blieb der 57-Jährige auch verantwortlich, nachdem er am 15. April 2016 zum Vorsitzenden gewählt worden war. Wenn man so will, wurde das entsprechende Referentenamt also eingespart.

Die TSG Backnang besteht noch aus 14 Abteilungen: Badminton, Basketball, Behindertensport, Fechten, Handball, Herzsport, Leichtathletik, Schwimmen, Skisport, Sportkegeln, Tanzsport, Tischtennis, Turnen, Volleyball. Einst waren es 16 (daher die 16 Felder im Logo), doch „Sänger und Senioren“ gibt es schon lange nicht mehr und erst kürzlich wurde der Musikzug aufgelöst.

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Erstellt:
22. April 2021, 06:00 Uhr

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