Buchtipps für Weihnachten
Fürs Fest – 7 beste Architekturbücher aus Stuttgart und anderswo
Inspirierende Bildbände über den Traum vom Eigenheim, Gestalter als Romanhelden – eine Auswahl an Architektur-Büchern als Geschenke fürs Fest.
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Neben Sachbüchern über Architektur auch aus Stuttgart gibt es Architektur-Roman-Tipps für Weihnachtsgeschenke.
Von Andrea Jenewein, Nicole Golombek, Tomo Pavlovic
Bald weihnachtet es sehr. Indes ist die ewige Suche nach Weihnachtsgeschenken schon im vollen Gange. Mancher denkt auch schon darüber nach, wofür er seinen üblichen Geldgutschein von Tante Frida auszugeben gedenkt. Wir haben Tipps für lesenswerte Neuerscheinungen und Klassiker mit Architektinnen und Architekten als Helden – sowie spannende und erhellende Neuerscheinung zu Gestaltung und Architektur auch aus Stuttgart als Geschenkvorschläge fürs Fest.
Heinrich Böll: „Billard um halb zehn“
In diesem Jahr soll es an dieser Stelle auch um ein paar Romane von Autoren gehen, deren Namen jeder kennt, da sie den Kanon der Literatur mit einem Werk bestücken, die aber gleichwohl auch jeweils einen Roman geschrieben haben, der sich mit Architektur beschäftigt. Da wäre etwa Heinrich Böll, der 1972 den Nobelpreis für Literatur erhielt und mit „Billard um halb zehn“ einen Roman zum Thema Architektur geschrieben hat. Es geht um drei Generationen einer rheinischen Architektenfamilie, die sich an diesem 6. September 1958 versammeln, um den achtzigsten Geburtstag ihres Oberhauptes zu feiern.
Heinrich Fähmel hatte 1907 den Auftrag erhalten, die Abtei St. Anton zu erbauen. Sein Sohn Robert – er spielt täglich von halb zehn bis elf im Hotel Prinz Heinrich Billard – hat als Sprengmeister der Wehrmacht diese Abtei in den letzten Kriegstagen zerstört. Der Enkel Joseph wird am Wiederaufbau beteiligt. Der Grundkonflikt, den Böll thematisiert, ist der Konflikt zwischen den selbstständig denkenden und handelnden einzelnen und der opportunistischen Mehrheit.
Siegfried Kracauer: „Ginster“
In diesem Roman nimmt der deutsche Architekt und Journalist einen Drückeberger als Helden: Ginster ist 25 Jahre alt als der Erste Weltkrieg ausbricht, ein begabter Frankfurter Architekt. Der patriotischen Begeisterung seiner Zeitgenossen steht er skeptisch gegenüber, und so verwendet er einige Mühe darauf, sich immer wieder vom Kriegsdienst zurückstellen zu lassen – das Vaterland braucht seine Architekten schließlich nicht an der Front, sondern zu Hause, wo etwa Granatfabriken und Ehrenfriedhöfe für die gefallenen Soldaten zu planen sind.
Doch dann ereilt auch Ginster der Gestellungsbefehl. Weit weg von den Schlachtfeldern lernt er, mit militärischer Präzision ein Bett zu bauen, zu schießen und „gegen die Feinde Kartoffeln zu schälen“. Und es festigt sich in ihm die Überzeugung, dass all diese Übungen nicht dem Krieg dienen, sondern der ganze Krieg ein Vorwand für die Übungen ist.
Andrea Herold, Tina Kammer: „Sustainable: Architecture & Design“
Die heutige Architektenschaft steht vor enormen Herausforderungen, nicht nur, was die unzähligen Bauvorschriften betrifft. Wer baut, verbraucht Ressourcen, die sind aber endlich, vom klimaschädlichen CO2-Ausstoß bei der Erzeugung von Baustoffen zu schweigen. Wie mit diesem Thema innovativ und baukulturell überzeugend umgegangen werden kann, zeigt das Buch „Sustainable: Architecture & Design 2025/2026“ von Andrea Herold und Tina Kammer, trotz des englischen Titels – die Texte zum Nachhaltigkeits-Bildband sind auch in deutscher Sprache zu lesen.
In Text und Bild vorgestellt werden vorbildliche Beispiele in der ganzen Welt, bereits gebaute Projekte sind darunter, etwa der kreislaufgerechte Umbau der MHP Arena in Stuttgart durch asp Architekten, bei dem Material wiederverwendet wurde und R-Beton zum Einsatz kam. Geplante Bauten und Städtebau-Vorhaben finden sich ebenfalls, etwa ein architektonisch interessantes Wohnquartier für 30.000 Menschen in der Nähe des Kölner Doms. Selbstredend sind das IBA 27-Wohnprojekt in Stuttgart-Rot und das Holzparkhaus in Wendlingen ebenfalls im Buch vertreten und der jüngst mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Architektur gekrönte Festhallen-Umbau des Stuttgarter Büros Atelier Kaiser Shen. (golo)
Jan Engelke: „ Das große Ziel: ein kleines Haus“
Die wenigsten Doktorarbeiten sind so geschrieben, dass sie außerhalb der Universitätsbibliothek die Chance auf eine größere Leserschaft hätten. Die aus einer Promotion entstandene Studie „Das große Ziel: ein kleines Haus“ ist eine rühmliche Ausnahme. Der Architekt Jan Engelke hat sich mit einem sehr deutschen Fetisch auseinandergesetzt: der Sehnsucht nach dem Einfamilienhaus, im Immobilienjargon EFH genannt.
Als Grundlage für seine Medienanalyse dienten Engelke hunderte Ausgaben der Zeitschrift „Schöner Wohnen“, und zwar seit der ersten Nummer im Jahr 1960. Engelke taucht tief ein in die Nachkriegszeit der Häuslesbauer, bilderreich sind seine Exkurse. Seine These: Nicht die Menschen hätten nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs Eigenheime populär gemacht, vielmehr hätten die konservativen Bundesregierungen unter Kanzler Adenauer dem EFH zu seiner Erfolgsgeschichte verholfen. Eine lesens- wie liebenswerte Abrechnung mit einem deutschen Ideal. (pav)
Stefan Heym: „Die Architekten“
In der Nachkriegszeit spielt auch „Die Architekten“. Der Roman durfte in der DDR nie erscheinen. Stephan Heym, der Autor dieses Werkes um den Aufstieg und Fall des Stararchitekten Arnold Sundstrom, hat das Buch letztlich doch veröffentlicht, lange nach dem Ende des Kalten Krieges. Heym packt in diesen Roman alles, was das Thema seinerzeit hergibt: Liebe, Leidenschaft, Terror, Intrigen, Folter, Hoffnung.
An manchen Stellen arbeitet Heym mit den Mitteln der Kolportage, erinnert diese Prosa – etwa in den Liebesszenen – an Nackenbeißer, die man am Bahnhofskiosk bekommt. Egal. Es geht vordergründig um den Bau der Ost-Berliner Stalinallee, um das Bauhaus-Erbe und den Zuckerbäckerstil der sozialistischen Monumentalarchitektur. Klingt angestaubt, ist es aber nicht. Denn genau diese Geschichte um die stetige Gefahr der politischen Instrumentalisierung der Architektur und Städteplanung ist mitreißend, spannend konstruiert und noch heute aktuell. (pav)
Christian Kracht: „Air“
Paul, ein Gestalter aus heutiger Zeit, erhält den Auftrag, das perfekte Weiß für eine dunkle Halle in Norwegen zu finden, er ist der Protagonist in Christian Krachts Roman „Air“. Der dunkel romantische Text enthält allerdings auch fantastische Passagen über eine Figur namens Ildr und einen Fremden, die es in eine sonderbar anziehende Gegend verschlägt, in der man in faszinierenden Naturbauten lebt und auf Steinbetten schläft, die mit weichen Fellen bedeckt sind: „Fünftausend Jahre lang hat der Wind vom Eismeer diese Höhlen aus dem Stein geschnitten. Sie standen immer nach Süden hin offen, bis wir Menschen aus dem Norden kamen und hier einzogen, diese Fenster zurechtschnitten und einfügten, aus geweihtem Glas.“ (golo)
Charlotte Malterre-Barthes, Zosia Dzierzawska: „A house under the sun“
Immer wieder spannend ist eine Begegnung mir der irischen Architektin und Designerin Eileen Gray. Dieses Mal handelt es sich aber nicht um einen Film oder einen Roman, sondern um eine Graphic Novel namens „A house under the sun“ von Charlotte Malterre-Barthes und Zosia Dzierzawska, die leider nur englischsprachig erschienen ist.
Wer sich für dieses Genre interessiert und gleichzeitig architekturaffin ist, findet überhaupt eine breite Auswahl. Da gibt es etwa die Graphic Novel „Charlotte Perriand: Eine französische Architektin in Japan 1940-1942“ von Charles Berberian oder auch „Der Magnet“ von Lucas Harari.
In letzterer geht es um Pierre, einen jungen Pariser Architekturstudenten, der sich von Peter Zumthors Thermalbad in Vals so sehr angezogen fühlt, dass er sein Studium hinschmeißt, in die Schweiz fährt und sich auf die gefahrvolle Suche nach dem Geheimnis hinter den Mauern der Therme begibt. Das Bad in der Schweiz wäre auch eine schöne Reiseempfehlung für die Weihnachtszeit, falls der Geldgutschein in diesem Jahr besonders üppig ausfällt. (anj)
Weitere aktuelle Werke und Literaturklassiker zum Thema Architektur, Design und Wohnen finden sich in der Bildergalerie – ebenso wie Infos zu Verlagen und Preisen der hier vorgestellten Werke.
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Stuttgarter Gestalter blicken auf ihre Arbeit – in Bild und Text wird die international erfolgreiche Karriere von Markus Jehs und Jürgen Laub aufgeblättert, die ihr Büro in einem schicken Hinterhofbau im Stuttgarter Süden haben. Ralph Jahns, Norman Kietzmann: „jehs+laub“ (AVEDITION, 69 Euro).
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Klassiker , Jahrgang 1959: Heinrich Bölls Roman „Billard um halb zehn“ (dtv, 14 Euro).
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Ist auch eine Reiseempfehlung: Die Therme in Vals in der Schweiz von Peter Zumthor spielt in der Graphic Novel „Der Magnet“ (Edition Moderne, 32 Euro) von Lucas Harari eine zentrale Rolle.
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Neben Charles Berberians Graphic Novel „Charlotte Perriand“ (Reprodukt, 20 Euro) widmet sich derzeit eine Ausstellung in Krefeld der Gestalterin.
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Ein Innenraum-Gestalter als Held: „Air“ von Christian Kracht, erschienen im Kiepenheuer-Verlag (25 Euro), erhielt eine Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse 2025.
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Romanklassiker, der in der ehemaligen DDR spielt: Stefan Heym „Die Architekten“ (antiquarisch etwa bei zvab.com ab ca. 2 Euro, btb-Verlag oder ), geschrieben 1963 bis 1966, der erst im Jahr 2000 (!) in deutscher Sprache erschienen ist. Auch als Hörbuch, gesprochen vom Autor, erhältlich.
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Die Farbe spielt auf den Titel an, „Ginster“ ist aber dennoch kein Buch über Pflanzen, im Mittelpunkt des Klassikers aus dem Jahr 1930 von Siegfried Kracauer steht ein Architekt aus Frankfurt. Suhrkamp-Verlag, 18 Euro.
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Bauwende gut gemacht: Andrea Herold und Tina Kammer widmen sich nachhaltigen Gestaltungsideen und Architekturprojekte in dem Buch „Sustainable 2025/20926 (avedition, 69 Euro).
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Interessantes über die Nachkriegsgeschichte des Eigenheims: Jan Engelkes jüngst erschienenem Sachbuch „Das große Ziel, ein kleines Haus“ (Jovis Verlag, 34 Euro) in Bild und Text.
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Eigenheime heute – gelungene Umbauten, kleine neue Häuser: das Buch „Häuser des Jahres 2025“ mit Texten von Johanna Adorján und Eva Maria Herrmann (Callwey Verlag, 59,95 Euro)versammelt die „50 besten Ideen für Einfamilienhäuser“.
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Sehr unterhaltsam berichtet die Filmemacherin und Bauernhofbesitzerin Doris Dörrie in „Wohnen“ (Verlag Hanser Berlin, 20 Euro) unter anderem über ihr Hausprojekt und über frühe WG-Erfahrungen und Immobilien-Sightseeing in Villen in Hollywood.
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Beschenkte die Stadt Stuttgart mit der Markthalle: Der in Tübingen geborene Architekt Martin Elsaesser. Sehr erhellend in Bild und Text ist Jörg Schillings Buch „Martin Elsaesser – Baukunst zwischen den Zeiten“. avedition, 59 Euro
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Stuttgarter Leichtbau-Hero: „Frei Otto – Bauen mit der Natur“ (Prestel, 59 Euro) von Martin Kunz und Mechthild Ebert. Erinnert wird in Texten und Bildern an den Architekten Frei Otto (1925-2015), der in Stuttgart gelehrt und in Leonberg gelebt hat.
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Extrem erhellend: „Die Werkbundsiedlung am Weißenhof – Neue Konzepte und Collagen“ von Eva-Maria Seng und Michael Kimmerle versammelt Texte verschiedener Autorinnen und Autoren zu Akteuren der berühmten Wohnsiedlung, auch der Designerin Mia Seeger ist ein Kapitel gewidmet. Selbstverständlich ist das Werk reich bebildert. (avedition, 28 Euro)
© (c) Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München
Tanizaki Jun’ichiros „Lob des Schattens“ (Manesse, 20 Euro) ist nicht eigentlich ein Buch über Architektur, aber über die Ästhetik des Schattens: Ob Gärten, Häuser oder Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs – im Umgang mit Licht und Schatten liegt der Schlüssel zum Verständnis japanischer Ästhetik. Gerade das Halbdunkel und die irritierende Düsternis bringen den Glanz bestimmter Materialien aufs Eindrücklichste zur Geltung. Sehr empfehlenswert.
