„Corteo“ in Stuttgart
Artistische Himmelfahrt: Was die neue Show des Cirque du Soleil bietet
Zirkus zwischen Commedia dell’Arte und Fellini: Die Cirque-du-Soleil-Show „Corteo“, die am heutigen Mittwochabend erstmals in Stuttgart zu sehen ist, färbt Akrobatik italienisch-schwermütig ein.
Von Gunther Reinhardt
Kronleuchter werden zu sich rasant im Kreis drehenden und spektakulär hin und her schwingenden Schnörkelschaukeln, zu Turngeräten für Todesmutige. Menschen irren auf fliegenden Fahrrädern zwischen Himmel und Erde durch die Luft. Betten werden zu Trampolinen. Mal klettert einer auf einer Leiter ins Nichts, mal schwebt eine an Luftballons durch die Halle.
In der Show „Corteo“, die jüngst in Mannheim gastiert hat und von Mittwochabend an in Stuttgart zu sehen ist, macht der Cirque du Soleil wieder einmal das, was er am besten kann: die Zuschauerinnen und Zuschauer in eine surreal-poetische aufgeladene Show entführen, bei der die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen und die Gesetze der Schwerkraft ständig außer Kraft gesetzt werden.
Ein Clown träumt von seinem eigenen Begräbnis
Anders aber als zum Beispiel die Show „Crystal“, in der sich der Cirque du Soleil – irgendwo zwischen „Cinderella“ und „Holiday On Ice“ – auf eine riesige Eisfläche wagt, oder in der mexikanischen Fantasie „Luzia“, die sich in einem von leuchtenden Farben durchfluteten Dschungel samt Wasserfall austobt, ist „Corteo“ eine vergleichsweise intime Show, die in einem magisch aufgeladenen Italien spielt. Die Bühne wird tatsächlich zu einer Art Zirkusarena, zu einem Rund, das sich in der Mitte der Halle befindet. Ein Vorhang, der anfangs die Bühne teilt, verstärkt noch den Eindruck des Unmittelbaren, der großen Nähe.
Und dass die Show gerade jetzt rund um Halloween in Stuttgart gastiert, passt ganz ausgezeichnet. Denn in diesem intimen Bühnensetting wird eine Art Himmelfahrt erzählt, eine Reise zwischen Leben und Tod inszeniert. „Corteo“ heißt Umzug, Festzug. Und so beginnt auch die Show, mit einer Prozession. Dazu hört man eine Orgel, die mal nach Kirche, mal nach Jahrmarkt klingt, und damit den Ton für die Show vorgibt: Erzählt diese doch von einem Clown, der von seinem eigenen Begräbnis erzählt.
Zwischen Fellinis „Die Clowns“ und Commedia dell’Arte
Es ist eine wunderbar morbide Prozession, die hier stattfindet, die in ihrer bittersüßen Leichtigkeit das Schwere ähnlich großartig erzählt, wie man es von den Filmen Federico Fellinis kennt – vor allem dessen Film „Die Clowns“ aus dem Jahr 1970 darf als Inspiration gelten. Aber „Corteo“ ist auch eine Hommage an die Commedia dell’Arte, die als Vorläufer des Slapstick gelten darf. Viele der Figuren dieses aus dem 17. Jahrhundert stammendem italienischen Jahrmarkttheaters findet man in der Show wieder.
In dem Stück „Corteo“, das im Jahr 2005 in Montreal uraufgeführt wurde und von Daniele Finzi Pasca stammt, begegnet man neben dem sein eigene Trauerprozession erträumenden Clown Mauro vielen anderen Clowns, aber auch zahlreichen Engeln, die den etwas tolpatschigen und ziemlich geschwätzigen Mauro („Sind diese Flügel für mich?“) bei seiner Himmelfahrt begleiten und anleiten.
Eine kurios-komische Version von „Romeo und Julia“
Wie gewohnt beschert einem dieser kanadische Zirkus der anderen Art ein berauschendes Fantasiespiel, bei dem sich Poesie, Klamauk und Artistik verbinden. Dabei entsteht ein vergleichsweise stilles Spektakel, auch wenn die Musik in „Corteo“ eine große Rolle spielt. Anfangs gibt eine Orgel den Ton an, die mal nach Jahrmarkt, mal nach Kirche klingt. Später übernehmen eine Band und Sängerinnen und Sänger, die sich rund um die Bühne verteilen.
Und natürlich finden sich in diese Geschichte eingebettet wieder zahlreiche Variationen der Spektakel, für die man den Cirque du Soleil liebt: Artistinnen und Artistin fliegen an Kronleuchtern, an Seilen oder über Trampolinen und Wippen durch die Luft, zeigen ihr Können an riesigen Ringen, verwandeln sich in menschliche Marionetten – und sogar für ein kleines Theater im Theater, in dem eine kurios-komische Variante von „Romeo und Julia“ gespielt wird, und für seltsame Erkenntnisse ist Platz. Etwa wenn Mauro auf seiner Himmelfahrt auf einmal feststellt: „Das Leben ist wie Fahrradfahren!“
„Corteo“ in Stuttgart
Der Cirque du Soleil gastiert mit der Show „Corteo“ von Mittwoch, 30. Oktober, bis Sonntag, 3. November, in der Porsche-Arena in Stuttgart. Vorstellungen sind am Mittwoch und Donnerstag um 20 Uhr, am Freitag um 16 und 20 Uhr, am Samstag um 12, 16 und 20 Uhr, und am Sonntag um 13 und 17 Uhr. Tickets gibt es hier oder hier . Anschließend ist die Show in Bremen, in München, in Oberhausen und in Köln zu sehen.