Aus einer Folie wird eine blaue Wolke

Die Düsseldorfer Bildhauerin und Malerin Kirstin Arndt setzt sich mit ihrer Installation im Gebäude Spinnerei 2 in Backnang mit der Verwandlung von Zweidimensionalem in Dreidimensionales, mit Fläche und Raum auseinander.

Die Installation von Kirstin Arndt im Gebäude Spinnerei 2 kann zu jeder Tages- und Nachtzeit durch die Fenster betrachtet werden. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Die Installation von Kirstin Arndt im Gebäude Spinnerei 2 kann zu jeder Tages- und Nachtzeit durch die Fenster betrachtet werden. Foto: J. Fiedler

Von Wolfgang Gleich

BACKNANG. Vier Installationen in vier Wochen, vier Vernissagen, vier Finissagen und dazu jeweils Lesungen, das ist der Beitrag von Norbert Kempf, Bildhauer und Steinmetz aus Backnang, zum Kultursommer. Der besondere Reiz besteht nun darin, dass der Neubau, den Kempf am Standort eines ehemaligen Lokals (zuletzt „Café Fidel“) an der einstigen Bahnhaltestelle Spinnerei hochgezogen hat, selbst ein eigenständiges Kunstwerk darstellt. Der ausführende Bauherr hat es eigenhändig Schicht für Schicht, über Jahre hinweg, zwischen Bahndamm und der tief eingeschnittenen Murr modelliert. Im – nach Kempfs Plänen – Gastraum eines künftigen Gastronomiebetriebes hat Kirstin Arndt eine Plastik errichtet, eine Skulptur in der Skulptur, eine blaue Wolke aus 50 Quadratmetern Folie, die gemeinhin der Trittschalldämmung dient. Diese Fläche wiederum entspricht der Quadratmeterzahl des Raums, in dem sich die Skulptur befindet.

„Das Material ist eigenwillig“, konstatierte Martin Schick, Leiter der Galerie der Stadt Backnang, der in die Arbeit der Künstlerin einführte. „Die Künstlerin rollt es beim Aufbau einfach ab und lässt es übereinander fallen, wie es fällt.“ Die endgültige Form werde somit eher von der Schwerkraft und vom Zufall bestimmt. Und wenn das Ergebnis gar nicht so ausfalle, wie sie es sich vorstelle, greife sie ein und wiederhole den Vorgang, bis ein für sie richtiger Zustand entstehe. „Der Spielraum zwischen Zulassen und Korrigieren ist somit der eigentlich formal wirksame, künstlerisch genau so gewollte Prozess.“ Die von Arndt geschaffene Skulptur wirke in ihrem Endzustand vor allem im Kontrast zu dem sie umgebenden Raum durch die Farbe und das äußerst gegensätzliche Material. Das Warme, Weiche, Leichte, Geschwungene, Zufällige, Liegende, Unbearbeitete treffe auf das Harte, Unveränderliche, Schwere, Architektonische, bis ins Detail der Schmuckform, lenkte Schick den Blick des Vernissagenpublikums auf das Kunstwerk. Kirstin Arndt gelinge es souverän und mit gewinnender Leichtigkeit, ihre Skulptur dem durchgeformten, künstlerisch schon umfassend bearbeiteten Raum entgegenzusetzen. Dadurch entstehe eine respektvolle und poetische Zwiesprache. Mit diesen Ausführungen gab Schick das Wort an den Literaten, Essayisten und Literaturkritiker Andreas Kohm weiter.

Kohm trug seinen auf der Terrasse hoch über der Murr versammelten Zuhörerinnen und Zuhörern eine halbstündige „Sprachinstallation“ vor, einen Text der „mäandernd“ ein Eigenleben entwickelte über Arndts „Trittschalltriptychon“ und den Raum hinaus. Der wiederum antwortete mit Vogelgezwitscher, dem Lachen und Schreien tobender Kinder, das vom „Wonnemar“ herüberhallte, den vorbeidonnernden Zügen und brummenden Autos und nicht zuletzt auch der herunterbrennenden Sonne.

Der 1966 geborene Andreas Kohm studierte zunächst Forstwirtschaft in Rottweil, anschließend Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte. Während des Studiums lernte er sowohl Kirstin Arndt als auch Norbert Kempf kennen. Gastgeber Kempf wies darauf hin, dass die Skulptur zu jeder Tages- und Nachtzeit besichtigt werden könne, allerdings nur von außen durch die Fenster. Dies stelle eine Einladung an den Betrachter dar, sie im sich ständig verändernden Spiel mit Zeit, Licht und Sonne auf sich wirken zu lassen.

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Erstellt:
6. Juli 2021, 06:00 Uhr

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