Aus einer Pappel wird ein Kunstobjekt

Statt einen Baum zu fällen, gibt die Gemeinde Aspach ihn für die Kunst frei. Miklós Vajna aus Rietenau arbeitet rund ein halbes Jahr an dem hölzernen Müller mit einem Wasserrad auf der Schulter bei der Stegmühle.

Holzbildhauer Miklós Vajna mit der Skulptur, die er „D’r Müller“ nennt. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Holzbildhauer Miklós Vajna mit der Skulptur, die er „D’r Müller“ nennt. Fotos: A. Becher

Von Ingrid Knack

ASPACH. Unweit der idyllisch gelegenen Aspacher Stegmühle steht eine neue Skulptur. Sie zeigt einen Müller, der ein Mühlrad auf der Schulter trägt. Eine Hand liegt auf einem Grenzstein mit Aspacher Wappen. Der Mann aus Holz ist eine Kreation von Miklós Vajna aus Rietenau. Vajna ist nicht nur als Pianist, sondern auch als Leiter der Rietenauer Holzkunsttage bekannt, die im vergangenen Jahr bereits zum vierten Mal veranstaltet wurden. Das Besondere an dem neuen Objekt: Es wurde aus einer noch fest im Boden verankerten Pappel geschaffen. Wie kam es zu der Skulptur? Die Pappel sei 150 Jahre alt gewesen, Äste seien immer wieder heruntergefallen, erklärt Vajna. „Das war zu gefährlich.“ Die Gemeinde Aspach hatte deshalb keine andere Wahl als zu handeln.

Andererseits aber ist es ja immer ein Jammer, wenn alte Bäume abgeholzt werden müssen. So kam in der Gemeindeverwaltung die Idee auf, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: den Baum in seiner alleinigen Funktion als Baum aufzugeben, aus ihm aber eine Skulptur machen zu lassen, erzählt Vajna. Die Bewohner der Stegmühle wurden in die Pläne eingeweiht. Ein stilisiertes Wasserrad wurde als Motiv für die Skulptur ins Gespräch gebracht.

Spaziergänger und Radler verfolgen in regelmäßigen Abständen die Arbeiten.

Allerdings machten da die Ausmaße des Baumes einen Strich durch die gut gemeinte Rechnung. Miklós Vajna, der mittlerweile mit dem Skulpturenprojekt beauftragt worden war, war schnell klar: Bei einem Baumdurchmesser von einem Meter käme nur ein ziemlich mickriges Wasserrad heraus. Und so schlug er vor, einen Müller zu gestalten. Das Wasserrad hat er, wie man sieht, dann auch noch untergebracht.

Mitte Oktober 2020 war der Holzkünstler mit dabei, als Bauhofmitarbeiter die ersten Äste von der Pappel absägten. Und er hatte auch ein Wörtchen mitzureden, in welcher Höhe der Baum abgesägt werden sollte, auf dass noch genug Material zum Arbeiten übrig bleibt.

Spaziergänger und Radler, die den Rietenauer mit der Motorsäge arbeiten sahen, freuten sich nach den Worten Vajnas, dass der marode Baum denn doch noch einen neuen Sinn bekommt, und schauten regelmäßig vorbei, um zu sehen, wie weit das Kunstwerk nun schon gediehen ist. Vajna: „Die meisten Leute fanden die Idee sehr gut, dass die Gemeinde so etwas macht, und dass da ein Kunstwerk entsteht.“ Die Skulptur, die immer wieder anders aussah, wurde sogar zum beliebten Fotomotiv. „Die Leute haben sich mit mir unterhalten, es war immer sehr nett“, so Vajna. Nur einmal, so erinnert er sich, habe er einen Satz gehört wie „So ein Gelump, der Baum war viel schöner als die Kunschd“. Der Rest der Welt hatte aber stets einen nach oben zeigenden Daumen für Kunst und Künstler übrig. Bei Wind und Wetter arbeitete Vajna an seinem Werk. „Es hat geregnet, gestürmt, und geschneit.“ Zwar habe er nicht jeden Tag viel an dem Müller gearbeitet, allerdings blieb er kontinuierlich bei der Sache und nahm denn auch auf die Nachbarschaft Rücksicht, die ja nicht durch andauernden Motorsägenlärm gestört werden sollte.

Am Fuße des Baumes sieht man die verrotteten Stellen der Pappel. Wäre der Baum nicht gefällt worden, wäre er sicher in nicht allzulanger Zeit einfach umgefallen.

© Alexander Becher

Am Fuße des Baumes sieht man die verrotteten Stellen der Pappel. Wäre der Baum nicht gefällt worden, wäre er sicher in nicht allzulanger Zeit einfach umgefallen.

Immer wieder bekam Vajna Unterstützung von der Gemeinde. „Bauhofmitarbeiter haben mir geholfen aufzuräumen und Holzreste abzutransportieren.“ Manchmal wurde er von Spaziergängern auch gefragt, warum er kein Gerüst zum Arbeiten habe. Und sie bekamen zur Antwort, dass man ein solches umbauen müsse und dass die Paletten, die Vajna verwendete, viel geschickter seien. Die künstlerische Freiheit übrigens hörte da auf, wo der Baum seine Grenzen aufzeigte. So musste Vajna beim Arbeiten schon mal die Richtung korrigieren. Dies ist ein Grund dafür, dass „D’r Müller“, so der Titel des Kunstwerks, nicht zur Mühle schaut, sondern in die freie Landschaft. Was Vajna sehr passend findet. „Es war auch so geplant, dass der Müller auf einer Schulter einen Kornsack trägt. Das hat nicht gereicht vom Holz her.“

Der rechte Fuß des Müllers war hohl und musste mit Bauschaum und Holz stabilisiert werden.

Dass das Pappelholz so seine Tücken hat, auch darüber spricht der Holzbildhauer. Je länger das tote Holz in der Sonne stehe und austrockne, desto schneller verrotte es und Risse bildeten sich. So bekam die Skulptur am Ende noch eine Sonderbehandlung. Allerdings weiß auch Vajna: „Sie ist nicht für die Ewigkeit.“

Beim Arbeiten kam so richtig ans Tageslicht, dass der Baum nicht mehr stabil dastand. „In der Baumscheibe sind schon zwei 30 bis 40 Zentimeter lange verrottete Stellen. Der rechte Fuß des Müllers ist innen hohl, ich musste ihn mit Bauschaum und Holz aufpäppeln“, gewährt Vajna einen Blick hinter die Kulissen. Das heißt, der Baum wäre ganz sicher im Lauf der nächsten Jahre umgefallen, hätte man ihn nicht gefällt. „Der war durch.“ Nun dürfen sich alle Kunstfreunde also über einen rund drei Meter hohen Müller freuen, der viel zu erzählen hätte. Vielleicht kommen sie dann auch auf die Idee, sich über die Geschichte der Stegmühle und diesen wunderbaren Ort zu informieren.

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Erstellt:
7. Mai 2021, 11:30 Uhr

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