Backnanger Porträts hoch zwei

Im Rahmen ihrer Ausstellung in der Galerie der Stadt Backnang porträtiert die in Hamburg lebende Künstlerin Caroline von Grone im gotischen Chor unter dem Stadtturm drei Backnanger Bürgerinnen und Bürger – und das sogar jeweils doppelt.

Caroline von Grone arbeitet an den beiden Porträts von Dagmar Wolf. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Caroline von Grone arbeitet an den beiden Porträts von Dagmar Wolf. Foto: Alexander Becher

Von Klaus Loderer

Backnang. Das gemalte Porträt ist etwas aus der Mode gekommen. Könige werden in Öl porträtiert – oder eben Ehrenbürger. Das Ölbild des früheren Backnanger Oberbürgermeisters Frank Nopper hängt gerade aber nicht im Rathaus, sondern ist Teil einer Ausstellung in der Städtischen Galerie. Dort ist es neben einem zweiten Nopper-Porträt zu sehen. Beide wurden von Caroline von Grone geschaffen. Derzeit arbeitet die Künstlerin in einer ungewöhnlichen Aktion an einer Serie über Backnanger Bürger.

„Es ist ein besonderer Ort, an dem ich gerade arbeiten darf“, schwärmt Caroline von Grone, deren Werke gerade in der Galerie der Stadt Backnang gezeigt werden (wir berichteten). „Von einem solchen Atelier kann man sonst nur träumen.“ Sie lobt das gleichmäßige Licht, das von oben den Raum flutet, ohne wechselnde Schlagschatten zu geben. Die Malerin hat ihre Staffelei im gotischen Chor unter dem Stadtturm aufgebaut. Köfferchen mit Farbtuben stehen bereit. Sie arbeitet parallel an zwei Porträts. Beide zeigen Dagmar Wolf, die Modell sitzt. Die Künstlerin ist mit den Details beschäftigt, setzt Glanzlichter auf die Haut, arbeitet Konturen heraus. „Wenn ich bei einem Bild etwas ändere, lerne ich etwas daraus für das andere Bild“, erläutert Caroline von Grone. Die beiden Porträts sind sehr ähnlich – aber eben nicht ganz identisch. Bei einem Bild ist der Kopf genau in der Mitte, beim anderen etwas zur Seite gerückt. Beim einen trennt der Scheitel die Frisur, beim anderen ist die Rundung der Kopfform betont. Auch die farblichen Details sind unterschiedlich.

Zwei Versionen pro Modell

Schon beim Porträt des Backnanger Ehrenbürgers Frank Nopper hatte sich die Malerin dafür entschieden, zwei leicht unterschiedliche Versionen anzufertigen. Beim einen ist der Kopf gerade, beim anderen etwas zur Seite geneigt. Nopper wählte das letztere für das Rathaus aus, das andere Bild hat die Künstlerin behalten. Die Besucher der Ausstellung können die beiden Werke vergleichen.

Nun werden die beiden Bilder ergänzt durch eine Serie von Bürgerporträts. Drei Menschen, die sonst nicht in der Öffentlichkeit stehen, sollen dabei in den Vordergrund gerückt werden. Und wieder malt Caroline von Grone jeweils zwei Fassungen. „Sie müssen beide gut sein“, legt sie den künstlerischen Anspruch fest.

Die Arbeit an den Porträts erfolgt auch zu den Öffnungszeiten der Galerie. So schauen Besucher vorsichtig in den Chor und blicken neugierig auf die entstehenden Werke. Diese Arbeit in der Öffentlichkeit kennt Caroline von Grone schon. Für eine Ausstellung im Frankfurter Kunstverein begann sie fünf Tage vor der Eröffnung mit zwei Bildern zum Thema Christus und Judas. Durch die Fenster konnten Passanten die beiden männlichen Modelle und die Malerin sehen, nicht aber die entstehenden Bilder. Diese wurden erst bei der Vernissage gezeigt.

Im gotischen Chor in Backnang können die Besucher hingegen sowohl das Modell als auch die entstehenden Gemälde sehen. Aber die Porträtierte kann diese nicht sehen. Saria Kanat ist neugierig auf ihr Bild, als sie im Chor Modell sitzt. Bei ihr arbeitet Caroline von Grone gerade ausschließlich an einem Bild. Das andere, an dem erst der Pullover farbig angelegt, der Rest aber noch skizzenhaft ist, hängt hinten an der Wand. Caroline von Grone arbeitet gerade am Gesicht. Sie lege nun das Make-up auf, scherzt die Künstlerin.

Von der Skizze zum farbigen Porträt

Saria ist als Aufsicht in der Galerie tätig. Als sie von der Aktion mit den Bürgerporträts hörte, habe sie sich mit ihrer Schwester spontan beworben und dann am Casting teilgenommen, erzählt die Gymnasiastin. Von den Bewerbern hat Caroline von Grone Fotos gemacht und sich dann für drei Personen entschieden. Auf dem Bild ist Saria ganz ernsthaft zu sehen, dabei lacht sie freudig, wenn sie plaudert. Doch hat sie schon einiges erlebt im Leben, denn sie hat fünf Jahre lang ihre Großmutter gepflegt. Dass Gemütszustände wechseln können, lässt die Künstlerin auch in Porträts einfließen: „Ein Modell sieht an einem Tag so aus und am nächsten Tag anders.“ Dann darf Saria das Bild sehen. Sie strahlt und erwähnt: „Meine Mama hat schon den Platz für das Bild ausgesucht.“ Am Ende wird sie eines der beiden Bilder als Geschenk erhalten, das andere bleibt in der Backnang-Serie. Noch ist es aber nicht vollendet. Von der Skizze hat sich das Bild zu einem farbigen Porträt gewandelt. Nur an wenigen Stellen ist noch der gelbe Untergrund zu sehen. Oft lässt Caroline von Grone Teile ihrer Bilder in einem skizzenhaften Zustand, doch hier muss das Bild an den Malstil des Ehrenbürgerporträts angepasst und deshalb stärker ausgearbeitet werden. „Außerdem hat Saria markante Lippen“, betont die Malerin, als sie den Pinsel ansetzt, um die Lippenform zu umreißen.

Eine Würdigung der einfachen Bürger

Die beiden Bilder Dagmar Wolfs sind nach der dritten Sitzung fast fertig. Wolf betreut als Hausmeisterin mehrere städtische Gebäude und ist stolz, dass gemalte Porträts von ihr entstehen: „So wird einmal der Mensch hinter der Tätigkeit sichtbar.“ Genau das ist die Idee Caroline von Grones: den einfachen Bürger zeigen. Wie das Porträt des ehemaligen Oberbürgermeisters hat auch Wolfs Bild den markanten gelben Rand als einzig sichtbaren Teil der Grundierung. Die Malerin hängt ihr Nopper-Porträt neben eines der neuen Bilder und stellt fest, dass bei diesem der Hintergrund heller ist. Sie passt ihn an den leicht cremigen Farbton des Ehrenbürgerbilds an. Schließlich soll die Bildserie zusammenpassen. „Aber jedes Bild darf anders sein“, resümiert sie.

Das dritte Bildpaar, das den Bildhauer Norbert Kempf zeigt, ist noch im Anfangsstadium. Skizzenhaft ist die Vorzeichnung auf der gelben Grundierung.

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Erstellt:
20. Mai 2023, 06:00 Uhr

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