Blatt für Blatt wird bewertet

Celia Haller-Klingler betreibt Provenienzforschung

Celia-Haller Klingler richtete den Blick bei einer Ausstellung im Graphik-Kabinett in Backnang vor allem auf die Rückseiten von Kunstwerken. Diese verraten viel über die Herkunft der Grafik. Foto: privat

Celia-Haller Klingler richtete den Blick bei einer Ausstellung im Graphik-Kabinett in Backnang vor allem auf die Rückseiten von Kunstwerken. Diese verraten viel über die Herkunft der Grafik. Foto: privat

Von Ingrid Knack

Eltern verstecken Ostereier, Kinder suchen sie. Eine Tradition, die nach vielen Quellen heidnischen Ursprungs ist. Wir haben das Thema Suchen und Finden einmal ganz anders betrachtet. In welchen Berufen geht es vor allem oder auch darum? Ein Beispiel: Eine Kunsthistorikerin recherchiert, um hinter die Geheimnisse der Herkunft von alten Kunstwerken zu kommen.

„An sich ist es wie ein Krimi. Man hofft, dass die Stränge am Ende zusammengeführt werden können.“ So beschreibt Celia Haller-Klingler, Leiterin des Backnanger Graphik-Kabinetts, ihre Recherchen zur Herkunft und Geschichte von Kunstwerken. Der Fachbegriff dafür heißt Provenienzforschung. Einen Einblick dazu gab sie der Öffentlichkeit mit der Ausstellung „Kehrseite(n). Von Meisterwerken, Sammlern und Marken. Die Graphiksammler Ernst Riecker (1845 bis 1918) und Otto Freiherr von Breitschwert (1829 bis 1910)“ im Graphik-Kabinett Backnang vor knapp zwei Jahren. Dabei kooperierte sie mit der Universität Tübingen. Es handelte sich um eine Art Zwischenbericht - denn ihre Forschungen werden noch längere Zeit in Anspruch nehmen. In der nun ausstellungsfreien Zeit konzentriert sie sich ganz auf diese Aufgabe. Erkenntnisse beispielsweise darüber, wo Ernst Riecker seine Blätter kaufte und wie er von Amerika aus in Europa sammelte, sind eine kunsthistorische Reise wert. Einige Schiffsreisen Rieckers von Amerika nach Europa sind überliefert. Passagierlisten geben darüber Aufschluss. Der klassische Grafiksammler hatte in seiner Heimat noch Verwandtschaft, die er besuchte. Dabei holte er wohl auch die Kunstwerke ab, die er über Mittelsmänner erstanden hatte. Es geht überdies um die komplette Geschichte eines Werkes. Also darum, so weit wie möglich „in die Geschichte des Blattes zurückzuschauen“. Dabei arbeitet sich Celia Haller-Klingler Blatt für Blatt durch die Sammlung durch. Die unumstößlichen Ergebnisse, die sie schon bei der Ausstellung im Graphik-Kabinett hatte, sind bereits in die stadteigene Datenbank mit eingeflossen.

Der Backnanger Apotheker Ernst Riecker war nach St. Louis im Staat Missouri ausgewandert. Seine Sammlung von Stichen, Gemälden und anderen Kunstwerken sowie Bände aus seiner Handbibliothek, die sich darauf beziehen, vererbte er der Stadt Backnang. Celia Haller-Klingler schreibt im Katalog zur Ausstellung: „In ihrem überlieferten Zustand umfasst die Sammlung 1611 Blätter vom 15. bis zum 19. Jahrhundert. Alles, was Rang und Namen hat, ist hierin vertreten.“ Albrecht Dürer ist einer der bekanntesten davon. Allerdings handelt es sich nicht um die komplette Sammlung Rieckers, die 1928 in Backnang ankam. Ein eindeutiger Beweis dafür sind etliche höhere Inventarnummern. „Zumindest ein Viertel muss es mehr gewesen sein“, so Haller-Klingler. Die fehlenden Arbeiten herauszufinden, ist eine enorme Herausforderung. Über rund ein Viertel der vorhandenen Werke kann die Graphik-Kabinett-Leiterin indes schon dezidierte Aussagen machen.

Mit Akribie ist sie nach wie vor dabei, die Spuren zu verfolgen, die noch fehlen in der Geschichte der einzelnen Werke, der kompletten Sammlung und der Sammlerpersönlichkeit Riecker. „Es macht ein Blatt wertiger, wenn man weiß, woher es kommt“, sagt die Kunsthistorikerin. Und da sind es vor allem die Rückseiten der Blätter, „die Auskunft geben können“. Durch Wasserzeichen, Notation, Sammlermarken- und stempel, das Passpartourieren, Druckzustände, Techniken, Spuren des Gebrauchs und der Bearbeitung beginnen die Blätter im übertragenen Sinn zu sprechen. Aber auch eine Datenbank in Paris, Preisangaben, Korrespondenzen, Rechnungen und Verklausulierungen spielen eine Rolle. Eine wahre Fundgrube ist die einstige Handbibliothek Rieckers. In die Bücher selbst schrieb der Sammler nach den Worten Haller-Klinglers höchstens einmal eine Korrektur, die eine Jahreszahl betrifft, hinein. Seine Anmerkungen stehen auf beigelegten Zetteln. Auch einen Rezeptblock verwendete er schon einmal dafür. Doch nicht alle Zettel befinden sich noch am originalen Platz. Hier gilt es, die dazugehörige Stelle zu suchen. Alles in allem ein langes, zeitintensives Unterfangen.

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Erstellt:
12. April 2020, 15:32 Uhr

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