Der dem Talibanösen Rotwein anbietet

Dave Davis beschließt den Murrhardter Sommerpalast mit einer Vorstellung, die das Leben und den schwarzen Humor feiert

„Erzählt den Kollegen mal was Positives in der Pause und lasst uns mehr bekloppte Dinge tun!“, so Dave Davis’ Empfehlung. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

„Erzählt den Kollegen mal was Positives in der Pause und lasst uns mehr bekloppte Dinge tun!“, so Dave Davis’ Empfehlung. Foto: J. Fiedler

Von Ute Gruber

MURRHARDT. Die Bühne im Sommerpalastzelt liegt schwarz da. Pünktlich um 20 Uhr klingelt offstage ein Telefon: „Hallo, hier ist der Dave“, hört man in Kölner Tonfall. „Wo ick bin? Na, in Murrhardt. Das ist ne Stadt – echt putzig! Mein Navi sucht jetzt noch. Aber klasse Essen haben die hier! Was ich da backstage bekommen habe, alter Schwede, ich möchte mal wissen, was es dann erst vorne gibt! Du, ich muss jetzt los. Ja, Kabarett, Comedy-Show, das Übliche halt, du weißt doch: Schwarzer Humor, haha.“ Dann wird aufgelegt, das Bühnenlicht geht an und ein strahlender Schwarzer betritt unter lachendem Applaus die Bühne, schwarzes T-Shirt, Hose, Hut. Oder muss man sagen: Dunkelhäutiger? Farbiger? Oder vielleicht: stark Pigmentierter? Gerne spielt der Künstler selbst sprachlich mit seiner Hautfarbe. Aber dazu später.

Jetzt tritt der junge Mann mit afrikanischen Wurzeln erst mal in persönlichen Kontakt mit seinem Publikum im Zelt: „Ich muss ja wissen, wen ich vor mir habe, ich kann doch nicht so ins Weiße hinein reden.“ Markus ist Techniker und mit Partnerin Petra da. „Seid ihr verheiratet oder lädiert?“, fragt er neugierig in bewusster Verdrehung von Fremdwörtern. In locker spontanem Plauderton erzählt der Kölsche Jung zugleich viel von sich und seiner Familie, die aus Uganda stammt. Von seinem betagten afrikanischen Großvater („Der Oppa kannte das Tote Meer schon, als es noch krank war.“), der als Schamane für Hochzeiten, Krankheiten und Beerdigungen zuständig war und für ihn eine Art ethische Instanz ist. „Der Oppa, der haut Sprüche raus, die verändern dein Leben.“

Und schon ist er mitten drin im Thema, das sich durch sein ganzes aktuelles Programm zieht: Nichts reimt sich auf Mensch, weil jeder einmalig ist. Der Opa sage, „mit der Geburt hast du alles in dir drin, was du für ein erfülltes Leben brauchst“, erzählt Dave Davis und formuliert es in seiner Umgangssprache: „Mit einem Wort, du bist ne geile Sau!“ Damit kommt er natürlich bei den jugendlichen Zuschauern gut an, aber auch die vielen Älteren im Publikum folgen dem, was da an Nachdenklichem zwischen den Zeilen mitschwingt. Wozu bräuchte man all die Prestigeobjekte, das werde einem doch nur von der Werbung eingeredet, weil anders der Kapitalismus nicht funktioniere. Dazu erzählt er beispielhaft von seinem Freund Thorsten, der sich eine sündhaft teure Omega-Armbanduhr gekauft habe, so eine, wie James Bond sie trägt: „Mann, der Bond, der hat ne Lizenz zum Töten“, habe er dem gesagt, „du hast nur ne Erdnussallergie, damit kann dich jede Waldorfschülerin mit ’nem Snickers umbringen! Und 600 Meter wasserdicht – der Typ hat nicht mal ein Seepferdchen!“ Besonders Frauen seien geborene Opfer für Werbung, eiferten all den spindeldürren Strichen in der Landschaft nach, die in den Medien präsentiert würden: „Ihr seid nicht zu dick“, klärt er sie auf, „ihr seid nur gut sichtbar!“ Stattdessen empfiehlt er allen den morgendlichen Dave-Davis-Glückstest: „Wenn ihr aufwacht, euch streckt und eure Ellenbogen stoßen dabei nicht auf Holz – freut euch: Alles ist gut!“ Wenn man also definitiv noch nicht gestorben sei: „Steht stolz vor den Spiegel und sagt: Das Leben ist schön!“

Und dieses Gefühl solle man auch in die Welt hinaustragen: „Wenn ich all die griesgrämigen Gesichter in der Bahn am Montagmorgen sehe, Mann, Mann, Mann“, schüttelt der Sunnyboy den Kopf und empfiehlt: „Erzählt den Kollegen mal was Positives in der Pause und lasst uns mehr bekloppte Dinge tun!“

Dazu hat der gelernte Versicherungskaufmann auch gleich ein paar Tipps auf Lager: „Quetscht euch morgens in den rappelvollen Aufzug, drückt alle Knöpfe“, schlägt etwa er als Start in den Arbeitstag vor, „gerade, wenn die Türen schließen, hechtet ihr raus und nehmt die Treppe.“ Oder man könne einen Bekannten anrufen und nur „Life is Life“ ins Telefon singen und sofort auflegen. „Wenn der dann zurückruft und singt weiter: ,Nana, nanana‘, dann hat der’s verstanden!“ Damit kommt er auch auf das Thema Integration zu sprechen. „Integration ist eine Zweibahnstraße“, motiviert er die Zuhörer, auf neue Nachbarn zuzugehen. „Wenn da so ein Talibanöser bei dir einzieht: Begrüße ihn mit einer Flasche Rotwein!“, schlägt er vor und erzählt von einem Freund, der vor zwei Jahren aus dem Kongo gekommen sei und inzwischen perfekt Deutsch spreche, wenn auch mit starkem Akzent. „Das ist der schwärzeste Mensch, den ich kenne, richtig nachtschwarz. Aber wenn Deutschland spielt, dann steht der im Stadion mit dem Gesicht in Rot-Gold.“ Überhaupt, die Hautfarbe und ihre Benennung: Als Betroffener habe er da doch die Bezeichnungshoheit, „und wenn ich da in einer fremden Stadt in so einen kleinen Laden komme und nichts finde, und die Omma mit dem Rollator sagt zur Verkäuferin ,Schauen Se doch mal, ich glaube, der Neger sucht was‘, dann ist das für mich völlig in Ordnung.“

Wenn er aber höre „Ich bin stolz, Deutscher zu sein!“, müsse er kritisch fragen: „Wieso?! Das ist bloß ein geografischer Zufall. Sei dankbar!“

Immer wieder wird er auch politisch, ordnet sich aber weder links noch rechts ein, sondern als „radikale Mitte“. Mit großem Optimismus setzt er sich für eine menschlichere Welt ein, die „einfach zu komplex geworden ist für unser Hirn“, weshalb die Menschen auf fatale Weise dazu neigten, ihre Sichtweise zu vereinfachen.

Dave Davis’ ansteckende Lebensfreude reißt die Zuhörer mit, die feststellen, dass der „Wiederholungstäter“ sich in den zwei Jahren seit seinem ersten Auftritt beim Murrhardter Festival noch gesteigert hat – ein augenzwinkernder, gut gelaunter Schlusspunkt für den diesjährigen Sommerpalast.

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Erstellt:
23. Juli 2019, 06:00 Uhr

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