Neues Album vomK-Pop-Wunder Blackpink

Die besten Mädels der Welt

Popstars nach Maß: Blackpink sind die derzeit erfolgreichste Girlgroup der Welt. Sie und BTS führen das weite Feld des K-Pop an, der von Südkorea aus längst auch Deutschland und den Rest der Welt erobert hat. Ist das noch Kunst, oder kommt das vom Fließband?

Erfolgreich ohne Ende: Blackpink

© Universal/Universal

Erfolgreich ohne Ende: Blackpink

Von Björn Springorum

Vor zehn Jahren kam die Welt erstmals in Kontakt mit einem südkoreanischen Pop-Phänomen. Der „Gangnam Style“ des Rappers Psy wurde 2012 zum viralen Hit. Er knackte mit seinem Youtube-Video als Erster die Marke von einer Milliarde Klicks, stürmte in über 30 Ländern an die Spitze der Charts, wurde von Politikern nachgetanzt. Damit fing die südkoreanische Popkultur natürlich nicht an. Lange bevor Bands wie BTS oder Blackpink auch im Ausland hohe Wellen schlugen, spiegelten Formationen wie Seo Taiji and Boys oder Sechs Kies den westlichen Boyband-Hype der frühen Neunziger. Während die großen Märkte der USA und Europa alsbald auf kurzlebige Castingformate umschwenkten, wurden in Südkorea über Jahre hinweg wirtschaftliche Strukturen aufgebaut, die Popstars und Ruhm zur präfabrizierten Massenware hochjazzen sollten.

Mit gewaltigem Erfolg. Big Player wie YG Entertainment Inc. sind längst Unterhaltungsmagnaten, die Bands am Reißbrett planen, casten, ausbilden und mit Inhalten bestücken. Musik wird zur Ware, zum millionenschweren Produkt, hingezüchtet auf größtmögliche Reichweite und maximierten Erfolg. Neben musikalischen Belangen unterhält YG Entertainment eine Modelinie, ein Golfmanagement und eine Kosmetikmarke.

Zwischen Romanzensehnsucht und Empowerment

Kurz: Musik ist hier kein vergeistigtes künstlerisches Gut, sondern Massenware. Das muss man nicht mögen, aber doch mit einer gewissen ungläubigen Bewunderung akzeptieren. Die mit Abstand erfolgreichste Schöpfung von YG Entertainment ist die Girlgroup Blackpink. In Kurzform: Als Gegenstück zur Boyband BTS sind sie die erfolgreichste weibliche K-Pop-Band aller Zeiten. Ihre Videos brechen ständig Rekorde, mehr Abonnenten bei Youtube oder Spotify hat derzeit niemand, sie spielten 2019 als erste südkoreanische Band beim Hipster-Betriebsausflug Coachella.

Ihr Erfolgsrezept: Eine genauestens ausbalancierte Mischung aus rosa Mädchenwelt und selbstbestimmter, verwegener Frau – daher der Name Blackpink –, aus Romanzensehnsucht und Empowerment, überwiegend vorgetragen auf Südkoreanisch und von spektakulären, aufwendig choreografierten Videos begleitet. Knalliger Elektro trifft aus Elemente aus Pop, Rap und Trap, perfekt ausproduziert, dramatisch, eingängig selbst für diejenigen, die nicht des Südkoreanischen mächtig sind – symbolisiert in ihrem vielleicht erfolgreichsten Song, „Ddu-du ddu-du“. Aktuelle Klickzahl bei Youtube: 1,95 Milliarden.

Skandale? Fehlanzeige!

Dabei kommen die vier Protagonistinnen Jisoo, Jennie, Rosé und Lisa selbst nicht mal alle aus Südkorea: Lisa ist aus Thailand, Rosé wuchs in Australien auf, und Jennie wurde zwar in Südkorea geboren, lebte aber lang in Neuseeland. Nur Jisoo ist Südkoreanerin durch und durch. Gut möglich, dass auch diese internationale Aura zu ihrem Erfolg beiträgt. Es ist das Spice-Girls-Prinzip, ausgerichtet am Zeitgeist und Tempo der neuen Zwanziger: Eine coole Girlgang mischt die Stadt auf. Mädels, macht mit, Jungs, zieht euch warm an, Eltern, schaut weg. Mit einem Unterschied: Der K-Pop ist Musik der Saubermänner und Sauberfrauen, Ecken und Kanten sind nicht erwünscht, sexuelle Anspielungen oder verbale Entgleisungen eh nicht. Von Skandalen oder entlarvenden Paparazzi-Fotos mal ganz zu schweigen.

Das kommt bei einem sehr jungen Publikum auch in Deutschland gut an, passt aber natürlich nur bedingt ins Bild der selbstbestimmten Frau. Dennoch sind Verhalten und öffentliches Auftreten in der jahrelangen Ausbildung der Stars von morgen fest verankert. YG Entertainment hat eine regelrechte Popstar-Akademie aufgebaut, eine Kaderschmiede, auf die auch ein FC Bayern München mit neidvollen Augen blicken dürfte. Auf dem Stundenplan: Singen, Tanzen, Rappen, Fitness, Medientraining, Fremdsprachen, Styling.

Nur eine Masche?

Blackpink sprechen offen darüber, für sie und viele andere südkoreanische Sänger ist ein solcher Werdegang nichts Außergewöhnliches. Ihrem offiziellen Debüt 2016 ging eine jahrelange Ausbildung voraus: Jennie trainierte sechs Jahre, Lisa und Jisoo fünf, Rosé vier. „Das war strenger als die Schule“, erinnerte sich Jennie in einem Interview mit dem Fachmagazin „Billboard“ 2019. Schlafsäle, zwölf Stunden Unterricht an allen sieben Tagen der Woche, konstante Dezimierung der Kandidatinnen, bis nur noch diese vier übrig blieben: Wenn wir Dieter Bohlen früher scherzhaft und ein wenig peinlich berührt als Hitfabrikanten bezeichnet haben, was ist dann das hier?

Wenn Blackpink gemeinsam auftreten, symbolisieren sie Geschlossenheit, Einigkeit, innige Freundschaft. Auch nur eine Masche? Sicher kann man es nicht sagen, doch die vier wirken schon so, als wären sie sich sehr vertraut. Natürlich macht auch das ihren Erfolg aus. Wir vier gegen den Rest der Welt, das kam schon bei den Spice Girls an. Und erlebt hier eine sagenhaft erfolgreiche Neuauflage.

Wie ihr neues Album „Born Pink“ klingt, ist da fast schon Nebensache. Es ist das jüngste Update eines extrem erfolgreichen, begehrlichen Produktes. So funktioniert letztlich auch eine Marke wie Apple. Und nichts anderes sind Blackpink: eine sehr erfolgreiche Marke.

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Erstellt:
16. September 2022, 12:44 Uhr

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