Die Davidsburg war ein Ausflugsziel

In seiner Reihe „Backnang im Zeitspiegel“ nimmt Peter Wolf die Helferhausbesucher „Vom Güterbahnhof zum Galgenberg“ mit

Die erste Ausstellung in diesem Jahr in der Reihe „Backnang im Zeitspiegel“ im Kabinett des Helferhauses beschäftigt sich mit dem Gebiet vom Güterbahnhof bis zum Galgenberg. Zu den historischen Fotos stellte Peter Wolf Informationen und Geschichten zusammen, etwa darüber, was es mit der ehemaligen Davidsburg zwischen Backnang und Maubach auf sich hatte.

Seit dem Jahr 1884 gab es auf dem Galgenberg zwischen Backnang und Maubach mit der „Davidsburg“ einen Aussichtspunkt mit einem turmartigen Gartenhaus mit Dachterrasse. Die „Davidsburg“ wurde um 1970 abgebrochen.

Seit dem Jahr 1884 gab es auf dem Galgenberg zwischen Backnang und Maubach mit der „Davidsburg“ einen Aussichtspunkt mit einem turmartigen Gartenhaus mit Dachterrasse. Die „Davidsburg“ wurde um 1970 abgebrochen.

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Bereits seit zehn Jahren gibt es die Reihe „Backnang im Zeitspiegel“, die viermal im Jahr im Kabinett des Helferhauses gezeigt wird. Der Diplomfotodesigner Peter Wolf stellt jeweils historische Fotos zu einem anderen Stadtgebiet oder Themenbereich zusammen. Dazu liegt ein Begleitheft aus, das lebhafte Einblicke in die Geschichte Backnangs gewährt. Der ehemalige Güterbahnhof war für die Industrie, insbesondere für die Gerbereien, von zentraler Bedeutung. Ein Foto zeigt einen elektrischen Greifkran, mit dem große Mengen von Leimleder verladen werden. Der Rohstoff, der früher für die Weiterverarbeitung zu tierischen Leimen benutzt wurde, ist heute in der Lederindustrie eher ein Abfallprodukt, kann man im Begleitheft nachlesen. Reger Betrieb herrschte am Güterbahnhof. Eine Aufnahme zeigt Männer und Frauen bei Abladearbeiten in den 1940er-Jahren.

Etwas früher sind Aufnahmen von der Dampfziegelei Wieland entstanden. Bereits im ältesten Backnanger Lagerbuch aus dem Jahr 1393 wird eine Ziegelei an der späteren Maubacher Straße erwähnt. Sie ging Ende des 18. Jahrhunderts an die Familie Wieland über. Im Zuge der Industrialisierung baute David Wieland die Ziegelhütte zu einer Dampfziegelei aus. Diesem Namen wird der Betrachter der Ausstellung später noch einmal begegnen. In der Dampfziegelei gab es Brände in den Jahren 1935 und 1940. Wie die Flammen aus dem Dachstuhl schlagen, ist auf einem Bild neben anderen Ansichten der Fabrik dokumentiert.

Karl Bacher ist auf einem Bild mit seiner fahrbaren Kaelble-Motorsäge zu sehen

Auch die Geschichte der Spedition Ulmschneider, die sich an der Blumenstraße befand, hat Peter Wolf recherchiert. Auf einer Aufnahme ist ein Hanomag zu sehen, der der erste Transporter nach den Pferdefuhrwerken war. Ein Foto aus den 1950er-Jahren zeigt, dass sich an der Ecke Blumenstraße/Stuttgarter Straße eine Tankstelle befand. Die Zeitreise führt in die Marienstraße, die als Privatstraße entstanden ist. Auf einem Farbfoto aus den 1980er-Jahren ist Karl Bacher, bekannt als der Holzsäger, mit seiner fahrbaren Kaelble-Motorsäge zu sehen. In früheren Jahren war er noch mit dem Pferdegespann unterwegs.

Weiter geht es zum Reichsarbeitsdienstlager auf der Maubacher Höhe. Neben einer Luftaufnahme aus den 1930er- oder 1940er-Jahren von den Baracken ist auch eine Innenansicht von einer Stube mit Stockbetten dabei. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in den Baracken Heimatvertriebene notdürftig untergebracht. Auf diesem Areal befinden sich heute das Max-Born-Gymnasium und die Max-Eyth-Realschule. Von den Schulen sind Fotos aus verschiedenen Jahren ausgestellt. Die „Turn- und Festhalle“ auf der Maubacher Höhe wurde 1938 eröffnet. Aus dieser Zeit stammen Innen- und Außenaufnahmen der heutigen Stadthalle. Damals flankierten noch Wandgemälde von Hermann Erlenbusch die Bühne. Von hier aus geht es die Maubacher Straße entlang in Richtung B14, wo 1960 das „Carl Kaelble Maschinenbau Werk II“ eröffnet wurde.

Einst war die Maubacher Straße ein Teil der Salzstraße von Schwäbisch Hall nach Cannstatt, hat Wolf recherchiert. Kreuzt man die heutige B14 in Richtung Maubach, gelangt man zum Galgenberg. Hier wurden zwischen 1609 und 1626 elf Menschen hingerichtet, gibt Wolf geschichtliche Zusatzinformationen. Auf dem Galgenberg wurde 1930 ein Wasserhochbehälter mit Aussichtsturm in Betrieb genommen, heute meist als „Alter Wasserturm“ bezeichnet. Die historischen Fotos in Schwarz-Weiß werden durch neuere Luftaufnahmen von Florian Muhl aus den Jahren 2012 und 2019 ergänzt.

Nicht weit davon entfernt befand sich die Davidsburg. Hier begegnet man dem Besitzer der Dampfziegelei am Fuß der Maubacher Straße wieder. Das imposante, kleine Aussichtstürmchen wurde 1884 von dem Industriellen David Wieland erbaut. Auf dem Galgenberg besaß er große Streuobstwiesen. Als Ausflugsziel für die ganze Familie, um an den Sonntagen dort Kaffee und Kuchen zu genießen, und zum Einlagern von Obst errichtete er das Türmchen auf dem höchsten Punkt im Süden der Stadt. Friedrich Haar, der mit dem Erbauer entfernt verwandt ist, hat für den Begleittext zur Ausstellung die Geschichte des Davidturms zusammengestellt, in dem es heißt: „Als kleiner Bub nahm mich meine Großmutter Emma Haar zum Obstauflesen auf den in meiner Vorstellung weiten, weiten Weg ,in den Galgen‘ mit. Die Apfelkörbe, die der Handwagen nicht fassen konnte, wurden in der Davidsburg eingeschlossen...“

Beim Zusammentragen der historischen Fotos über Backnang stößt Peter Wolf immer wieder auf ganz persönliche Geschichten und Erinnerungen, die die Fotodokumentation vergangener Zeiten lebendig machen. Für Mai ist die nächste Ausstellung „Von der Bleichwiese zum Freibad“ geplant. Gerne nimmt Peter Wolf historische Fotos zu diesem Bereich im Helferhaus während der Öffnungszeiten der Ausstellung entgegen.

Die Ausstellung „Vom Güterbahnhof zum Galgenberg“ kann noch bis zum 3. Mai im Helferhaus, Petrus-Jacobi-Weg 5, besichtigt werden. Öffnungszeiten sind: dienstags bis freitags von 17 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 14 bis 19 Uhr.

Männer und Frauen in den 1940er-Jahren bei Ladearbeiten am Güterbahnhof in Backnang. Repros: P. Wolf

Männer und Frauen in den 1940er-Jahren bei Ladearbeiten am Güterbahnhof in Backnang. Repros: P. Wolf

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Erstellt:
16. März 2020, 06:00 Uhr

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