Die schöne Wirtin verdreht allen den Kopf

Siebte Spielzeit im Bandhaus-Theater mit der Premiere von „Mirandolina“ eröffnet – Backnanger Bürgerbühne frenetisch gefeiert

Bereits vor zwei Jahren arbeitete die Backnanger Bürgerbühne mit dem Regisseur Christian Schidlowsky zusammen. Ging es damals um die „Pension Schöller“, so entführt das Team dieses Mal ins Gasthaus der schönen Wirtin Mirandolina. Das Premierenpublikum feierte die Produktion frenetisch.

Mit Goldonis Komödienklassiker „Mirandolina“ feiert die Backnanger Bürgerbühne einen weiteren Erfolg. Unterstützt wird die Truppe von der Schauspielerin Nupelda Ciftci. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Mit Goldonis Komödienklassiker „Mirandolina“ feiert die Backnanger Bürgerbühne einen weiteren Erfolg. Unterstützt wird die Truppe von der Schauspielerin Nupelda Ciftci. Foto: J. Fiedler

Von Carmen Warstat

BACKNANG. Den Text des Komödienklassikers von Carlo Goldoni (1707 bis 1793) hat Schidlowsky behutsam bearbeitet, aktualisiert und den neun Darstellern auf den Leib geschneidert. Dabei ging es ihm offensichtlich nicht um die bloße Verzauberung oder Entführung des Publikums, sondern auch darum, das Bewusstsein dafür wach zu halten, dass es sich in einem Theater befindet und von Menschen gemachten Abläufen folgt.

Was nach einem trockenen brechtschen Ansatz klingt, gestaltete sich ausgesprochen belustigend: Lokalkolorit und das Verhandeln inhaltlicher beziehungsweise deutender sowie dramaturgischer Aspekte fanden in den Dialogen und Monologen ebenso ihren Platz wie beispielsweise Modern-aphoristisches zu Geschlechterrollen und -klischees.

Fünf anstrengende Probenwochen liegen hinter den Mitwirkenden, unter denen sich mit Nupelda Ciftci auch eine professionelle Schauspielerin und Theaterpädagogin befindet. Die Chemie stimmt absolut, das Amateurteam habe die Hauptdarstellerin quasi adoptiert, so die Theaterleiterin und künstlerische Mitarbeiterin Juliane Putzmann, und Ciftci selbst bestätigt nach der Vorstellung strahlend, dass sie die Truppe gleichfalls ins Herz geschlossen hat.

Das Bühnenbild von Manuel Kolip, der am Bandhaus zuvor bereits mehrere Stücke ausstattete, kommt anfangs mit drei Wäscheleinen aus. Es ist frappierend zu sehen, welche Vielfalt an Möglichkeiten solcherart spartanische Gestaltung anbietet. Da wird in Bildern von der Arbeit einer Gastwirtin erzählt, da lugen neugierige, manchmal fratzenhafte Gesichter zwischen Tüchern hervor, da versteckt man sich oder teilt mittels aufgehängter Bettlaken ein Spektrum von Gefühlen und Ausbrüchen mit, da gibt es immer noch einen Winkel, in dem noch niemand stand, wo jetzt aber eine Figur erscheint, um ihren Monolog zu geben.

Was aber hat es auf sich mit Mirandolina, der schönen Wirtin? In ihrem Gasthaus haben sich drei Herren einquartiert: der Graf von Alba Fiorita, hinreißend komisch vom Bürgerbühnenurgestein Ralf Kleinpeter im Rollstuhl sitzend gespielt, der Künstler Forli „von“ Popoli mit Volker Seifert als unglaublich fantasievoll-gewandtem Darsteller sowie Riafratta, der Oberst a.D., den Matthias Wagner als überzeugenden Zyniker gibt.

Fiorita und Popoli haben sich unsterblich verliebt in Mirandolina, eine mit allen Waffen der Frau ausgestattete Wirtin, die Nupelda Ciftci mit ganzem Einsatz erstrahlen lässt, Riafratta hingegen hasst die Weiber und erwehrt sich der Reize Mirandolinas anfangs tapfer.

Das Stück lebt auch von den Rollen der Diener

Wie sollte es anders sein, er wird ihr im Laufe der Zeit doch erliegen, bekommen aber wird er sie nicht. Und wie es die Komödie will, wird sich am Ende alles in Wohlgefallen auflösen und Mirandolina ihr wahres Herzblatt nach allerlei Gewirr in die Arme schließen. Auch die anderen werden glücklich, zumindest jedenfalls bleibt niemand allein. Das Stück lebt vor allem auch von den Rollen der Diener: Hannes Gärtner als Mirandolinas Kellner Fabrizio, eifersüchtig und zugleich gewieft, Sylvia Kappel in Gestalt von Fioritas Pflegerin unter anderem mit einem wunderbar abgefeimten Monolog über die Last, „so ’nen alten geilen Sack pflegen zu müssen“, und Tim Fiechtner, der fast textlos und mit umso eindringlicherem Schauspiel den Diener Ripafrattas verkörpert. Schließlich sind da noch zwei verrückte Hühner, die Paradiesvögelchen Déjàvu (Sylvie Bollinger) und Oweosé (Gaby Miletic), die dem Chaos gekonnt und leidenschaftlich gewitzt ihren ganz eigenen Schliff verpassen.

Die fabelhaften Kostüme (Manuel Kolip) tragen zu einem bunten Wirrwarr bei, das von einer brillanten Nupelda Ciftci als Mirandolina zusammen mit den fabelhaften Laien famos zusammengehalten wird. Das Licht und die Technik schließlich werden von Hannes Gärtig und Hannes Ischinger besorgt.

Stürmisch der Applaus und unbändig die Begeisterung des Publikums.

Die nächste von insgesamt sieben Vorstel- lungen findet am Samstag, 9. November, um 20 Uhr statt.

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Erstellt:
14. Oktober 2019, 06:00 Uhr

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