„Die Situation ist schon schräg“

Im Februar startete Diana Weindel als neue Leiterin der katholischen Singschule in Backnang und Nachfolgerin von Christiane Schulte. Die Lockdown-Situation erfordert dabei besondere Maßnahmen.

Die Kinder und Jugendlichen, die in ihrem Chor singen, kennt die neue Singschulleiterin fast alle nur übers Netz. Foto: R. Schulte

Die Kinder und Jugendlichen, die in ihrem Chor singen, kennt die neue Singschulleiterin fast alle nur übers Netz. Foto: R. Schulte

Von Simone Schneider-Seebeck

BACKNANG. Eigentlich war es ein Zufall. Ein Bekannter aus Backnang hatte mitbekommen, dass eine Nachfolge für Singschulengründerin Christiane Schulte gesucht wurde – witzigerweise, denn dieser hatte weder etwas mit Musik noch mit der katholischen Kirche zu tun. Doch gleich war ihm Diana Weindel in den Sinn gekommen. „So haben wir zusammengefunden“, sagt sie lachend. „Die Situation ist schon schräg“, sagt die 35-Jährige. „Man bewirbt sich auf so eine Stelle, und dann kommt sofort der Lockdown.“ Sie hatte bisher noch gar keine Gelegenheit, die verschiedenen Chöre oder alle Kinder persönlich kennenzulernen: „Nur über den Online-Weg.“

Immerhin hatte sie in der vergangenen Woche zum ersten Mal die Gelegenheit, wenigstens vier der Schüler einmal live zu erleben. Denn eine der Hauptaufgaben der Chöre ist die Mitgestaltung des Gottesdienstes. Da aktuell kein Singen der Gemeinde gestattet ist, übernimmt das nun eine Vierergruppe von Jugendlichen. Gewissermaßen als Stellvertreter für die Gemeinde. „Es war total schön, vier Schüler live zu sehen, und es war auch sehr spannend“, so Weindel. Denn sie musste sich darauf verlassen, dass die jungen Leute die Einteilung in die Vierergruppen eigenständig vornehmen würden. Mögliche Termine für die Teilnahme am stellvertretenden Singen waren vorgegeben, nun mussten die Jugendlichen unter sich ausmachen, wer mit wem singfähige Vierergruppen bilden könnte. „Ich muss mich gerade sehr auf die Expertise der Jugendlichen verlassen. Sie haben das total souverän gemacht“, lobt Weindel. Das Eigenartige in der momentanen Situation ist natürlich allen bewusst. Man hatte sich vor dem Einsatz im Gottesdienst noch nicht gesehen, immerhin kennen sich wenigstens die Schüler untereinander. Erst eine halbe Stunde vorher durfte man kurz noch miteinander proben, aber diese 30 Minuten waren schnell um. Trotz allem: „Es hat gut funktioniert!“ Immerhin seien die Jugendlichen in den Vierergruppen auch ganz schön gefordert, man trage viel Verantwortung als Sänger.

Wie es mit dem Proben gerade so läuft? Aktuell bestehen die Chöre und Musikgruppen der katholischen Singschule aus etwa 100 Kindern und Jugendlichen im Alter von 5 bis 18 Jahren. Zu den regulären Probenzeiten gibt es Online-Meetings. Allerdings ist aufgrund der Gegebenheiten ein gemeinsames Singen nicht möglich. Mit den Kleineren aus der musikalischen Früherziehung wird spielerisch miteinander gesungen, sich bewegt und gespielt. Bei den Größeren geht es schon an richtige chorische Probenarbeit, allerdings kann höchstens ein Sänger zu einer Zeit das Mikrofon öffnen. „Es ist schon eigenartig, da man sich bisher noch so gut wie gar nicht persönlich gesehen hat“, sinniert Weindel. Während der Online-Proben sieht man nicht alle Teilnehmer, da aufgrund der manchmal schwierigen Internetverbindung die Kameras abgeschaltet sind. „Mit Abstrichen funktioniert es. Es gibt jedoch durchaus auch Kinder, die nicht am Rechner sitzen möchten. Da muss man dann auch Verständnis dafür haben“, erklärt die ausgebildete Lehrerin. Nach diesem Online-Kennenlernen wird es auch nicht einfach werden, einen Plan für die Zeit nach dem Lockdown zu erstellen. Das lässt sie einfach auf sich zukommen – und ist zuversichtlich, dass sie eine Lösung finden wird, je nachdem, was dann auch in welcher Form möglich sein wird.

Man muss übrigens nicht katholisch sein, um eines der Angebote der katholischen Singschule wahrnehmen zu dürfen. Zwar ist der Hauptzweck der Chöre die Mitgestaltung des Gottesdienstes, doch es gehören nicht nur geistliche Lieder zum Repertoire. In „normalen“ Zeiten finden auch Konzerte außerhalb des Gottesdienstes mit weltlicher Literatur statt. Und wie sieht es mit ihrem persönlichen Musikgeschmack aus? Diana Weindel lacht: „Eigentlich höre ich selbst keine Musik mehr, da ich den ganzen Tag Musik um mich habe.“ Aber wenn sie tatsächlich mal gemütlich mit musikalischer Untermalung entspannen möchte, dann mit Barock- oder Renaissanceklängen, manchmal auch mit Chormusik aus der Romantik, denn: „Die alte Musik hat oft einen sehr ordnenden Gestus und ist sehr symmetrisch angelegt.“

Stationen aus dem Leben von Diana Weindel

Diana Weindel stammt aus Karlsruhe. Schon von klein auf wurde zu Hause viel gesungen. Für die Familie stand früh fest, dass sie auf eine Musikschule musste – bereits als kleines Kind habe sie, laut Familienerzählung, gern auf dem Fahrradsitz gesungen. Allerdings begann sie selbst erst mit dem Singen, als es um die Aufnahme an der Musikhochschule ging. Das sieht die Sopranistin heute als besonderen Vorteil für ihre Arbeit an, denn sie hat den Chorgesang erst als Erwachsene bewusst gelernt. Weindel spielt Klavier und Cello und war Mitglied in einem Orchester.

Nach einem Schulmusikstudium sowie einem künstlerischen Studiengang im Bereich Chorleitung mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendchor in Nordrhein-Westfalen hat sie als Lehrerin gearbeitet und geflüchtete Kinder betreut, bis sie sich schließlich wieder der Musik zugewandt hat. 2018 kehrte sie ins Ländle zurück und wohnt seither in Stuttgart. Dort betreut sie auch den Nachwuchs bei den Hymnus-Chorknaben.

Die katholische Singschule bietet musikalischen Unterricht für Kinder ab fünf Jahren. Die musikalische Früherziehung findet jeweils donnerstags und freitags von 15 bis 15.45 Uhr statt. Im Hauptchor inklusive Stimmbildung singen Kinder ab acht Jahren. Donnerstags proben Mädchen von 16 bis 17.30 Uhr, freitags Jungs von 16 bis 17.30 Uhr. Im Jugendchor CHORios singen 12- bis 18-Jährige. Probe ist freitags von 18 bis 19.30 Uhr. Weitere Infos auf der Homepage https://katholisch-backnang.de/musik/singschule/. Interessierte können sich auch direkt bei Diana Weindel melden und sind zu einer Schnupper-Online-Probe eingeladen: diana.weindel@katholisch-backnang.de

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Erstellt:
5. März 2021, 16:00 Uhr

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