Deutscher Sachbuchpreis

Die wichtigsten acht Sachbücher des Jahres

Am 30. Mai wird der Deutsche Sachbuchpreis vergeben. Wir stellen die acht nominierten Titel vor.

In unserer Bildergalerie können Sie sich durch die acht Finalisten klicken.

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In unserer Bildergalerie können Sie sich durch die acht Finalisten klicken.

Von Stefan Kister

Will man sich einen Überblick verschaffen, welche Probleme gerade die Welt in Atem halten, kann man sich an die Auswahl für den Deutschen Sachbuchpreis halten. Dieser begrüßenswerte Aktualitätsbezug führt allerdings auch dazu, dass eines der schönsten Bücher in dieser Kategorie durch das Raster gefallen ist: Horst Bredekamps ihrerseits weltumspannende monumentale Monografie „Michelangelo“ (Wagenbach Verlag). Deshalb sei an dieser Stelle ausdrücklich an sie erinnert, bevor wir den Blick über die aus 205 eingereichten Büchern ausgewählten acht Titel schweifen lassen.

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Zum zweiten Mal vergibt die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels die Auszeichnung, mit der den belletristischen Großpreisen ein entsprechendes Gegenstück zu Seite gestellt wird. Ausgezeichnet wird ein herausragendes, in deutscher Sprache verfasstes Sachbuch, das Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung geben soll. Die Preisverleihung findet am 30. Mai als Livesendung aus dem Humboldt Forum statt in Anwesenheit von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. In unserer Bildergalerie stellen wir Ihnen die acht Kandidaten schon einmal vor.

<b>Steffen Mau: Sortiermaschinen. C.H. Beck. 189 Seiten, 14,95 Euro. </b>Dass sich die Globalisierung als große Entgrenzung erfahren lässt, gilt, wenn überhaupt, nur für einen privilegierten Teil der Weltbevölkerung. Ein weitaus größerer Teil macht täglich die gegenteilige Erfahrung. Für sie sind Grenzregime und Personenkontrollen die Sortiermaschinen, die jedem seinen Platz zuweisen, was in der Regel heißt, den Bedürftigen und Benachteiligten den Stuhl vor die Tür zu stellen. Der Soziologe Steffen Mau beschreibt die sozioökonomischen Prozesse der Aus- und Einschließung in unserer scheinbar so grenzenlosen Freiheit.

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<b>Steffen Mau: Sortiermaschinen. C.H. Beck. 189 Seiten, 14,95 Euro. </b>Dass sich die Globalisierung als große Entgrenzung erfahren lässt, gilt, wenn überhaupt, nur für einen privilegierten Teil der Weltbevölkerung. Ein weitaus größerer Teil macht täglich die gegenteilige Erfahrung. Für sie sind Grenzregime und Personenkontrollen die Sortiermaschinen, die jedem seinen Platz zuweisen, was in der Regel heißt, den Bedürftigen und Benachteiligten den Stuhl vor die Tür zu stellen. Der Soziologe Steffen Mau beschreibt die sozioökonomischen Prozesse der Aus- und Einschließung in unserer scheinbar so grenzenlosen Freiheit.

<b>Alice Bota: Die Frauen von Belarus. Berlin Verlag. 240 Seiten, 18 Euro. </b>„Es hat etwas Erhabenes, wenn Menschen ihre Angst überwinden und sich einem ungleichen Kampf stellen, obwohl sie so unendlich viel zu verlieren haben“, schreibt die Osteuropa-Korrespondentin der „Zeit“, Alice Bota, im Vorwort ihres Buches. Ihre Beobachtung ist gemünzt auf den mutigen Aufstand gegen die gefälschten Wahlen in Belarus. Stellvertretend für viele andere porträtiert sie die Protagonistinnen der Bewegung Swetlana Tichanowskaja, Veronika Zepkalo und Maria Kolesnikowa. Ihr Buch macht deutlich, wie auch deren Anliegen im Westen allzu bedächtig und allzu lange mit den eigenen wirtschaftlichen Interessen verrechnet wurden.

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<b>Alice Bota: Die Frauen von Belarus. Berlin Verlag. 240 Seiten, 18 Euro. </b>„Es hat etwas Erhabenes, wenn Menschen ihre Angst überwinden und sich einem ungleichen Kampf stellen, obwohl sie so unendlich viel zu verlieren haben“, schreibt die Osteuropa-Korrespondentin der „Zeit“, Alice Bota, im Vorwort ihres Buches. Ihre Beobachtung ist gemünzt auf den mutigen Aufstand gegen die gefälschten Wahlen in Belarus. Stellvertretend für viele andere porträtiert sie die Protagonistinnen der Bewegung Swetlana Tichanowskaja, Veronika Zepkalo und Maria Kolesnikowa. Ihr Buch macht deutlich, wie auch deren Anliegen im Westen allzu bedächtig und allzu lange mit den eigenen wirtschaftlichen Interessen verrechnet wurden.

<b>Stefan Creuzberger: Das deutsch-russische Jahrhundert. Rowohlt. 672 Seiten, 36 Euro.</b>  Den Anfang macht ein schwäbischer Zuckerbäcker, dessen Köstlichkeiten das zaristische Russland dem Westen etwas näher bringen sollten, bis der erste Weltkrieg und die Oktoberrevolution diesem süßen Austausch ein Ende bereiteten. Auf bittere Weise scheiden sich heute an der Frage Russlandversteher oder nicht die Geister. Mit seiner Rekonstruktion deutsch-russischer Beziehungen über dramatische Umbrüche, Terror und alle Abgrenzungen hinweg will Stefan Creuzberger die Debatte versachlichen. Je schrecklicher sich die Dinge entwickeln, desto wichtiger ist es, in historischer Hinsicht einen kühlen Kopf zu bewahren.

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<b>Stefan Creuzberger: Das deutsch-russische Jahrhundert. Rowohlt. 672 Seiten, 36 Euro.</b> Den Anfang macht ein schwäbischer Zuckerbäcker, dessen Köstlichkeiten das zaristische Russland dem Westen etwas näher bringen sollten, bis der erste Weltkrieg und die Oktoberrevolution diesem süßen Austausch ein Ende bereiteten. Auf bittere Weise scheiden sich heute an der Frage Russlandversteher oder nicht die Geister. Mit seiner Rekonstruktion deutsch-russischer Beziehungen über dramatische Umbrüche, Terror und alle Abgrenzungen hinweg will Stefan Creuzberger die Debatte versachlichen. Je schrecklicher sich die Dinge entwickeln, desto wichtiger ist es, in historischer Hinsicht einen kühlen Kopf zu bewahren.

<b>Ludwig Huber: Das rationale Tier. Suhrkamp Verlag. 671 Seiten, 34 Euro.</b> Man würde schon gerne wissen, was in der Katze vorgeht, wenn sie schläfrig-herablassend in die Runde blinzelt. Doch entscheidender als die Befriedigung der Neugier von Haustierhaltern ist die Frage des animalischen Bewusstseins auf der Ebene, die Ludwig Huber den verbrauchenden Zugriff des Menschen nennt. Denn irgendwie hängt vom Denken und Fühlen der Tiere auch ab, welchen Platz wir ihnen auf der Speisekarte oder in den Laboren der Humanmedizin zuweisen dürfen. Die neuesten Erkenntnisse des Wiener Kognitionsbiologen könnten dem gesellschaftlichen  Trend zum Veganismus eine wissenschaftliche Grundlage geben.

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<b>Ludwig Huber: Das rationale Tier. Suhrkamp Verlag. 671 Seiten, 34 Euro.</b> Man würde schon gerne wissen, was in der Katze vorgeht, wenn sie schläfrig-herablassend in die Runde blinzelt. Doch entscheidender als die Befriedigung der Neugier von Haustierhaltern ist die Frage des animalischen Bewusstseins auf der Ebene, die Ludwig Huber den verbrauchenden Zugriff des Menschen nennt. Denn irgendwie hängt vom Denken und Fühlen der Tiere auch ab, welchen Platz wir ihnen auf der Speisekarte oder in den Laboren der Humanmedizin zuweisen dürfen. Die neuesten Erkenntnisse des Wiener Kognitionsbiologen könnten dem gesellschaftlichen Trend zum Veganismus eine wissenschaftliche Grundlage geben.

<b>Stephan Malinowski: Die Hohenzollern und die Nazis. Propyläen. 752 Seiten, 35 Euro.</b> Dass sich Herrscherfamilien gerne Aufbretzeln, gehört zum überlebten Adelsspiel wie die Lust auf die Skandale, die sich darunter verbergen. Im Falle der Hohenzollern geht es aber um wesentlich mehr. Denn so sehr sie in ihrer öffentlichen Selbstdarstellung durch allerlei Legendenbildung in der Nachkriegszeit um eine weiße Weste bemüht waren, so tiefbraun färbt sich diese in den historischen Nachforschungen von Stephan Malinowski ein. Wer dem „lieben Herrn Hitler“ und seiner „herrlichen nationalen Bewegung“ in den Sattel geholfen hat, muss sich nicht wundern, wenn man ihm später die Mär vom Widerstand nicht abnimmt, die seine Restitutionsansprüche untermauern  soll.

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<b>Stephan Malinowski: Die Hohenzollern und die Nazis. Propyläen. 752 Seiten, 35 Euro.</b> Dass sich Herrscherfamilien gerne Aufbretzeln, gehört zum überlebten Adelsspiel wie die Lust auf die Skandale, die sich darunter verbergen. Im Falle der Hohenzollern geht es aber um wesentlich mehr. Denn so sehr sie in ihrer öffentlichen Selbstdarstellung durch allerlei Legendenbildung in der Nachkriegszeit um eine weiße Weste bemüht waren, so tiefbraun färbt sich diese in den historischen Nachforschungen von Stephan Malinowski ein. Wer dem „lieben Herrn Hitler“ und seiner „herrlichen nationalen Bewegung“ in den Sattel geholfen hat, muss sich nicht wundern, wenn man ihm später die Mär vom Widerstand nicht abnimmt, die seine Restitutionsansprüche untermauern soll.

<b>Samira El Ouassil & Friedemann Karig: Erzählende Affen. Mythen, Lügen, Utopien – wie Geschichten unser Leben bestimmen. Ullstein. 528 Seiten, 25 Euro.</b> Das Wort „Narrativ“ steht gerade in höchsten Ehren. Überall begegnen nicht mehr die Dinge selbst, sondern das, was man sich über sie erzählt. Zur Erhärtung dieser These geben die Autoren allerhand anthropologisches Erzählmaterial an die Hand. Wenn das so ist, müssten sich die drängendsten Fragen  der Zeit auch auf narrativer Ebene lösen lassen: durch neue, bessere Geschichten. Aber besteht nicht ein großer Teil unserer gegenwärtigen Probleme gerade darin, dass sich jeder heraussuchen kann, an welche Geschichten er gerade glauben will?

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<b>Samira El Ouassil & Friedemann Karig: Erzählende Affen. Mythen, Lügen, Utopien – wie Geschichten unser Leben bestimmen. Ullstein. 528 Seiten, 25 Euro.</b> Das Wort „Narrativ“ steht gerade in höchsten Ehren. Überall begegnen nicht mehr die Dinge selbst, sondern das, was man sich über sie erzählt. Zur Erhärtung dieser These geben die Autoren allerhand anthropologisches Erzählmaterial an die Hand. Wenn das so ist, müssten sich die drängendsten Fragen der Zeit auch auf narrativer Ebene lösen lassen: durch neue, bessere Geschichten. Aber besteht nicht ein großer Teil unserer gegenwärtigen Probleme gerade darin, dass sich jeder heraussuchen kann, an welche Geschichten er gerade glauben will?

<b>Bettina Baltschev: Am Rande der Glückseligkeit. Über den Strand. Berenberg Verlag. 280 Seiten, 25 Euro.</b> Vielleicht muss etwas lange in der Vorstellungskraft gereift sein, bevor man es in der Wirklichkeit so klar sehen kann. Die in der DDR aufgewachsene Journalistin Bettina Baltschev gewinnt in ihrem Buch den abgegriffenen Sehnsuchtsveduten verlockender Strandpanoramen eine Kulturgeschichte ab, die den Spuren folgt, die Tourismus, Krieg, Literatur und Lebenslust im Sand an den meerumspülten Säumen Europas hinterlassen haben.

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<b>Bettina Baltschev: Am Rande der Glückseligkeit. Über den Strand. Berenberg Verlag. 280 Seiten, 25 Euro.</b> Vielleicht muss etwas lange in der Vorstellungskraft gereift sein, bevor man es in der Wirklichkeit so klar sehen kann. Die in der DDR aufgewachsene Journalistin Bettina Baltschev gewinnt in ihrem Buch den abgegriffenen Sehnsuchtsveduten verlockender Strandpanoramen eine Kulturgeschichte ab, die den Spuren folgt, die Tourismus, Krieg, Literatur und Lebenslust im Sand an den meerumspülten Säumen Europas hinterlassen haben.

<b>Nathan Sznaider: Fluchtpunkte der Erinnerung. Hanser. 256 Seiten, 24 Euro.</b> 2020 wurde dem kamerunischen Historiker Achille Mbembe vorgeworfen, den Holocaust im Licht der Kolonialgeschichte zu relativieren und den Staat Israel mit dem Apartheidsystem Südafrikas gleichzusetzen. Der in Tel Aviv lehrende Natan Sznaider versucht die heiß debattierte Streitfrage um die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte mit ihren Konsequenzen für die Erinnerungskultur auf einer wissenssoziologischen Grundlage zu rekonstruieren: Theoretische Überlegungen können nicht ohne die jeweiligen Erfahrungen der Beteiligten verstanden werden. Sznaider zeichnet europäische und nichteuropäische Denkweisen nach, die sich mitunter gegenseitig ausschließen, manchmal ergänzen, oft widersprechen. Und er leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der  Auseinandersetzung  im Spannungsfeld zwischen partikularen Problemen und universalistischen Ansprüchen.

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<b>Nathan Sznaider: Fluchtpunkte der Erinnerung. Hanser. 256 Seiten, 24 Euro.</b> 2020 wurde dem kamerunischen Historiker Achille Mbembe vorgeworfen, den Holocaust im Licht der Kolonialgeschichte zu relativieren und den Staat Israel mit dem Apartheidsystem Südafrikas gleichzusetzen. Der in Tel Aviv lehrende Natan Sznaider versucht die heiß debattierte Streitfrage um die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte mit ihren Konsequenzen für die Erinnerungskultur auf einer wissenssoziologischen Grundlage zu rekonstruieren: Theoretische Überlegungen können nicht ohne die jeweiligen Erfahrungen der Beteiligten verstanden werden. Sznaider zeichnet europäische und nichteuropäische Denkweisen nach, die sich mitunter gegenseitig ausschließen, manchmal ergänzen, oft widersprechen. Und er leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Auseinandersetzung im Spannungsfeld zwischen partikularen Problemen und universalistischen Ansprüchen.

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Erstellt:
30. Mai 2022, 11:32 Uhr

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