Residenz-Projekt im Renitenztheater
Duo „Hart auf Hart“ erarbeitet Stuttgarter Verkehrskrimi
Elisabeth Hart und Rhaban Straumann sind die ersten „Satiriker*in Residence“ des Renitenztheaters. Bei Aufenthalten in Stuttgart hat das Duo Stoff für einen Verkehrskrimi gesammelt.

© Remo Buess
Elisabeth Hart und Rhaban Straumann haben das Thema für ihr Stuttgart-Stück „Meinung Macht Mobil“ auf der Straße gefunden.
Von Andrea Kachelrieß
Ob Stadtschreiber oder Gastchoreograf: Residenzen sind in vielen Kulturbereichen ein beliebtes Werkzeug, um Kunstschaffenden Arbeitsmöglichkeiten zu bieten und sie enger an eine Einrichtung zu binden.
Jetzt ist dieses Format auch im Kabarett angekommen. Roland Mahr, Intendant des Stuttgarter Renitenztheaters, spukte dieser Wunsch, wie er sagt, schon lang durch den Kopf. „Mir ging es bei der Idee zu einem solchen Künstleraufenthalt darum, einen Blick von außen auf die Stadt zu werfen und Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenzubringen“, erklärt er seine Motivation.
Schon bei der ersten Begegnung hat es klick gemacht
So kommt es, dass Elisabeth Hart und Rhaban Straumann im Mai im Besprechungsraum des Theaters sitzen und zufrieden auf ihre Zeit als „Satiriker*in Residence“ zurückschauen. Gemeinsam sind die Leipzigerin und der Schweizer aus Olten „Hart auf Hart“. Schon bei der ersten Begegnung mit dem Schauspielduo auf der Freiburger Kulturbörse hat es bei Roland Mahr klick gemacht. „Ich bin nach zehn Minuten aus der Vorstellung der beiden rausgeschlichen und habe ihren Agenten gesucht, um sie für Stuttgart zu buchen“, blickt er zurück.
Rund um dieses erste Gastspiel von „Hart auf Hart“ im September 2023 kristallisierte sich für Mahr schnell heraus, dass sich das Duo bestens für die Umsetzung seines Residenzprojektes eignen würde. „Ich fand klasse, wie die beiden schreiben und auf der Bühne agieren. Die von ihnen gefundene Bühnenform hat einen Zugang zu Theater und Satire, der mir sehr gefällt.“
Mentalitäten prallen aufeinander
Wer das deutsch-schweizerische Duo live erlebt hat, der weiß, dass „Hart auf Hart“ komisch Mentalitäten aufeinanderprallen lässt. Beim „Zugunglück“ etwa sind eine verstörte Reisende und ein gut gelaunter Katastrophenexperte gemeinsam eingesperrt; aus einer Lesung an einem Tisch holt das Duo das Maximum heraus.
Wie praktisch: Stuttgart liegt auf dem Weg von Leipzig nach Olten
Im Rahmen der ersten Renitenz-Residenz hat „Hart auf Hart“ seit November „Meinung Macht Mobil – Ein Stück (für) Stuttgart“ erarbeitet. Tage- und wochenweise waren die beiden dafür immer wieder vor Ort. Für freie Kabarettisten mit Auftrittsverpflichtungen ist ein Aufenthalt am Stück nicht machbar, wie Roland Mahr gelernt hat. Doch dieser Arbeitsmodus hat sich logistisch als ideal erwiesen, Stuttgart liegt auf halber Strecke zwischen Olten und Leipzig, den Standorten des Duos.
„Das passt auch zu unserer Spielweise, wir haben immer eine Draufsicht auf die Dinge und konnten so aus der Distanz das Gesammelte überdenken“, sagt Elisabeth Hart und resümiert: „Das war wie für uns gemacht.“ Rhaban Straumann stimmt zu: „So entstehen auch unsere eigenen Stücke; bei diesem war die Herausforderung, zum ersten Mal für jemand anderen zu schreiben.“ Am 23. Oktober kommt „Meinung Macht Mobil“ mit einem dreiköpfigen Ensemble zur Uraufführung, im Juni starten Proben und Vorverkauf.
Inspiration lag auf der Straße
Nach einer Inspiration für sein Stuttgart-Stück musste das Duo nicht lange suchen. „Wir haben unser Thema gefunden, indem wir mit dem Auto in die Stadt hineingefahren sind“, erinnert sich Elisabeth Hart an ihr Stuttgart-Debüt. „Man verliert hier viel Zeit“, sagt Rhaban Straumann und fügt an: „Stuttgart ist für Autos gemacht und für den langsamen Verkehr unfreundlich.“ Ihr Stück will Orte und Diskussionen benennen, die polarisieren.
Annäherungen an die Autostadt
Perspektivwechsel gehören zum Handwerkszeug von „Hart auf Hart“; das Duo steigt immer wieder aus Rollen aus, kommentiert das eigene Spiel. Mit dieser Offenheit haben sich die beiden der Autostadt genähert und sie in unterschiedlichen Tempi erlebt, zum Beispiel bei Fahrten mit der Straßenbahn. Sich ändernde Betrachtungsweisen will auch das Stuttgart-Stück erlauben, das die Schwestern Linda und Lydia sowie das Unfallopfer Benja zusammenbringt. „Es ist ein Krimi, der Schwerpunkt liegt auf der Wahrheitsfindung: Was ist passiert? Wer trägt die Schuld? Wer hat was getan oder unterlassen?“, fasst Elisabeth Hart zusammen und verspricht „viel Situationskomik“.
Der Unfall ist der Rahmen, in den das Duo sein Wissen aus den in Stuttgart geführten Experten-Gesprächen vom Fahrradmechaniker bis zum Stadtplaner einfließen lässt. „Wir lösen das Verkehrsproblem nicht“, sagt Rhaban Strautmann. „Doch durch die Draufsicht lässt sich lernen, wie man auch anders diskutieren kann.“ Elisabeth Hart will das Publikum auf keinen Fall unterfordern. „Es kann viel mitnehmen aus dem Stück, zum Beispiel, dass man seine Meinung ändern kann, wenn man will.“
Stuttgart, keine Liebe auf den ersten Blick
Das hat auch das Schauspiel-Duo getan; nach ihrer Stuttgart-Residenz blicken die beiden freundlicher auf die Stadt als nach dem ersten Eindruck. „Sonst fahren wir einfach weiter, jetzt konnten wir unsere Vorurteile aufbrechen. Das ist eine Riesenqualität, wenn man auf denen nicht sitzenbleibt“, lobt Rhaban Straumann die Residenz-Idee. Stuttgart sei keine Liebe auf den ersten Blick, so das Duo, aber eine coole Stadt. „Da tut sich was.“
Info
Termin„Meinung Macht Mobil – Ein Stück (für) Stuttgart“ hat am 23. Oktober im Renitenztheater Premiere. Der Vorverkauf startet am 1. Juni.
EnsembleRegie führt Annika Schäfer, es spielen Angela Neis, Magdalena Ganter und Ismael Boerner. „Es war mir ein Anliegen, ein neues Team zusammenzustellen. Alle haben große Lust auf das Stück“, sagt Roland Mahr.
MusikDie Songs kommen von Lucy Mackert und Peter Fischer alias Mackefisch, „Hart auf Hart“ lieferten Textideen dazu. „Das war auch neu für uns und ein tolles Miteinander“, sagt Elisabeth Hart.
DuoElisabeth Hart und Rhaban Straumann formierten sich 2021 zu „Hart auf Hart“. Während der Coronapandemie entstanden erste Kurzfilme und das Bühnenstück „Wollen Sie wippen?“. Es folgten „Sie sagen Stopp!“ und „Das Zugsunglück“.