Ein Geschichtensammler in Burgstetten

Bürger aus Burgstall und Erbstetten erzählen dem Theaterpädagogen und Autor Thomas Faupel aus ihrem Leben. In Zusammenarbeit mit dem Historischen Verein und der Gemeinde soll ein Buch mit besonderen persönlichen Einblicken in das Leben der Dorfbewohner entstehen.

Thomas Faupel erklärt sein Konzept für ein Buch über Burgstetten, das anders sein soll als bisher erschienene Bildbände.  Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Thomas Faupel erklärt sein Konzept für ein Buch über Burgstetten, das anders sein soll als bisher erschienene Bildbände. Foto: Alexander Becher

Von Ingrid Knack

Burgstetten. Thomas Faupel ist Geschichtensammler. Zwei Wochen lang war er in Burgstetten und führte Gespräche mit Bürgern aus Burgstall und Erbstetten. „Was lässt sich aus der Vergangenheit erfahren? Was birgt die Gegenwart an Erfahrungen und Geschichten? Was wollen wir für die Zukunft bewahren?“ Fragen wie diese hatte er dabei im Kopf. Abschluss seines literarischen Projekts soll eine Buchveröffentlichung sein.

Der Historische Verein war ein Glücksfall für Faupel

Doch wie kommt Thomas Faupel, der aus Hessen stammt und in Salach im Landkreis Göppingen wohnt, ausgerechnet auf Burgstetten? Bei einem Besuch in Marbach am Neckar fuhren er und seine Frau über kleine Ortschaften wieder zurück ins Filstal, erzählt er. In Burgstetten fielen Sätze wie diese: „Hier ist es hübsch, hier könnte ich mich mal als Gemeindeschreiber bewerben.“

Das sei allerdings eher als Spaß gemeint gewesen: „Gemeindeschreiber gibt es ja nicht mehr. Was ich kannte, war das Konzept des Stadtschreibers.“ Und mit seinem trockenen Humor beteuert er: „Da ich kein berühmter Literat bin, habe ich Gemeindeschreiber gesagt. Die Idee war, sich eine Zeit lang irgendwo aufzuhalten und sich Geschichten aus dem Ort erzählen zu lassen. Mit diesem Anliegen habe ich mich bei der Gemeinde gemeldet.“ Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz verwies Faupel an den Historischen Verein, der sogleich mit im Boot war, was der Geschichtensammler als Glücksfall bezeichnet.

Der Historische Verein hat die organisatorische Vorarbeit geleistet

Bei seinen ersten Recherchen fiel dem Salacher auf: „Burgstetten wird komplett weiblich regiert.“ Mit einer Bürgermeisterin, einer Pfarrerin und einer „Schulrektorin“ seien wichtige Positionen weiblich besetzt. Ausnahmen bestätigen die Regel. In der Kläranlage etwa arbeite ein Mann an vorderster Front, schränkt er ein. Auch die Zweiteilung des Ortes in Erbstetten und Burgstall hat er sich näher angeschaut. Erbstetten empfand er als eher ländlich geprägt, das im Tal liegende Burgstall mit Zuganbindung als mehr nach außen gerichtet („dort wohnen die Leute, die pendeln“). „Dies ließ mich vermuten, dass die Bevölkerungsstruktur in den beiden Ortsteilen unterschiedlich ist.“ Auch dass sich Templer im 19. Jahrhundert im Kirschenhardthof angesiedelt hatten, fand er interessant.

Faupel quartierte sich in der Pension Römerhof im Kirschenhardthof ein. Doch die Leute kamen nicht zu ihm, sondern er ging zu den Leuten, bot zudem Treffen an einem neutralen Ort, auch im Freien, an, in der Regel zusammen mit einem Vertreter des Historischen Vereins, der im Ort bekannt ist. Zumal der Historische Verein im Vorfeld die Kontakte zu den Gesprächspartnern hergestellt hatte. „Es ist gut, wenn jemand im Raum ist, den man schon kennt.“ Die Anmeldungen gingen über die Adresse von Jochen Elzmann. In diesem Zusammenhang spricht Thomas Faupel von einer „sehr aufwendigen Vorarbeit vor Ort“. Mit dem Historischen Verein hat er auch einen Vertrag: Der Verein übernimmt die Kosten für die Unterkunft und die Verpflegung und Faupel bekommt ein kleines Honorar für die Arbeit in Burgstetten.

„Wenn das Buch zehn Jahre alt ist, ist es ein historisches Dokument.“

Er befasse sich nicht mit historischen Recherchen, sagt Faupel. „Aber wenn das Buch zehn Jahre alt ist, ist es ein historisches Dokument.“ Hier schwingt mit, dass Zeitzeugenberichte auf jeden Fall subjektiv gefärbt sind und Ereignisse durchaus auch anders widerspiegeln können als diese wirklich waren. Wie heißt es so schön?: Der Zeitzeuge ist der natürliche Feind des Historikers. Faupel indes hat einen pfiffigen Ansatz, der sogar in die Nähe von Kunstprojekten gerückt werden kann. „Ich arbeite als Schwamm – die 14 Tage. Von jedem mache ich ein Foto und Audioaufnahmen, zu Hause grabe ich die Perlen raus“, sagt Faupel. Während des Gesprächs notiert sich Faupel einen markanten Satz. Diesen lässt er danach von dem Urheber selbst aufschreiben. Dieses Dokument wird dann ebenfalls abgelichtet und später als grafisches Element in das Bild eingefügt. „So habe ich die Anmutung eines Passfotos unterlaufen.“

Und wie geht es weiter? „Am Abend unseres Treffens schreibe ich die Audioaufnahme ab.“ Den fertigen Text bekommen die Gesprächspartner zum Gegenlesen. Wenn sie mit Faupels Ausformulierung einverstanden sind, übernimmt dieser den Text in seine Sammlung.

Anekdoten aus der Kindheit

Zwar darf jeder erzählen, was ihm gerade passend erscheint für das Projekt, allerdings bremst Thomas Faupel ein wenig ein, wenn es einmal doch zu tabellarisch werden sollte. Vor allem Anekdoten will er hören. „Ich möchte Geschichten aufschreiben, die bildhaft sind. Wenn man die Texte liest, sollen in den Köpfen Bilder entstehen.“ Auch von Textbildern spricht der Autor, dem eher romanhafte denn historische Inhalte vorschweben.

Gefallen hat ihm unter anderem, dass eine Burgstallerin schilderte, wie sie und andere Kinder einstens Schlitten gefahren sind mitten auf der Ortsstraße, im „Tal“ gab es auf dem Abschnitt unter der Eisenbahnbrücke aber keinen Schnee. „Da war der Teer, da sind sie drübergerutscht und es hat Funken geschlagen.“

Positive Resonanz zur Buchidee

Faupel geht für eine Buchveröffentlichung nicht bei Verlagen Klinken putzen, sondern wird eine Online-Druckerei beauftragen. Bei einer Veranstaltung in Burgstetten soll das Werk Beteiligten und Interessierten präsentiert werden und danach über das Rathaus und den Historischen Verein zu beziehen sein. Alle Mitwirkenden erhalten ein Geschenkexemplar.

Die Resonanz auf sein Projekt war übrigens von Anfang an groß. „Die erste Woche war ausgebucht, bevor ich da war. Angepeilt waren Interviews mit 42 Personen und drei Termine pro Tag in zwei Wochen. Das war die Planungsgröße. Da liegen wir schon sehr nah dran.“ Um zu erfahren, in welchem Umfang Geschichten aus Burgstetten in dem Band zu finden sein werden, muss man sich noch gedulden. „Wir hoffen, dass wir Ende des Jahres das Buch haben.“

Autobiografisches Schreiben

Lehr- und Wanderjahre Thomas Faupel wurde am 23. November 1957 in Schlitz/Hessen geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in der sehr ländlich geprägten Region Osthessen, die zu dieser Zeit in der Bundesrepublik Deutschland als Zonenrandgebiet eingestuft war. Er absolvierte von 1974 bis 1977 eine Lehre zum Maschinenschlosser in Fulda. Von 1977 bis 1981 verbrachte er weitere

Lehr- und Wanderjahre in Hessen und Baden-Württemberg.

Sozialpädagogikstudium Er studierte von 1981 bis 1985 Sozialpädagogik mit dem Schwerpunkt Heilpädagogik an der Fachhochschule in Fulda und lebte nach Heirat und Umzug von 1986 bis 2000 in Eislingen/Fils. In diesen Jahren arbeitete er als Sozial- und Heilpädagoge mit Menschen mit unterschiedlichen Handicaps psychischer, geistiger oder körperlicher Art.

Freier Theaterpädagoge Seit 2000 lebt er mit seiner Familie in Salach und produziert seit 2004 als freier Theaterpädagoge Kunst- und Theaterprojekte unter dem Label theaterfuereinjahr. In den Jahren 2008/2009 studierte er ‚Grundlagen der Theaterpädagogik‘ im Externenstudiengang an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg.

Veröffentlichungen Mit dem autobiografischen Schreiben beschäftigt er sich seit 2007 und veröffentlicht seit 2012 Kurzgeschichten im Eigenverlag unter dem Pseudonym „Hubert Janek“. In der Edition dergelbefluss sind erschienen: Flutbrücken – Erzählungen 2013, Abzweig Lyrik: Vom Atem der Milch – Gedichte 2014, Gramschatz – Erzählungen 2015.

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Erstellt:
12. August 2022, 11:30 Uhr

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