Ein Plan B für die Opernsanierung

Der Verein Aufbruch Stuttgart liefert der Debatte über die Zukunft der Staatstheater neuen Stoff – Podiumsdiskussion im Hospitalhof

Städtebau - Denkmalschutz, unkalkulierbare Kosten und die Chancen eines Neubaus – diese Themen sind debattiert worden. Ebenso im Fokus: das Sanierungsbeispiel Berliner Staatsoper Unter den Linden.

Seit rund fünf Jahren planen Stadt und Land an der Sanierung des Opernhauses herum. Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (beide Grüne) haben dabei ein Konzept im Blick, demzufolge nicht nur die Technik und Arbeitsplätze des Staatstheaters auf den bestmöglichen Stand versetzt werden, sondern auch die Bühne des Großen Hauses. Dazu soll es nicht nur bauliche Verdichtungen auf dem Areal an der Kulturmeile geben, sondern vor allem eine Verschiebung der Opernhaus-Außenmauer zum Landtag hin um 2,5 Meter.

Um all das zu bauen, rechnet man inzwischen mit mindestens fünf, höchstens zehn Jahren – und in dieser Zeit sollen Oper und Ballett in einer Ersatzspielstätte ihre Heimat finden, die womöglich an den Wagenhallen platziert wird. Ob und wie dies zu realisieren ist, wird gerade von der Verwaltung geprüft. Ebenso werden momentan die möglichen Kosten für das Sanierungsprojekt errechnet. Danach sollen Gemeinderat und Landtag entscheiden. Der Verein Aufbruch Stuttgart hält dieses Konzept für schlecht und arbeitet darum an einem eigenen, also einem Plan B zur Opernsanierung – wie jetzt am Montagabend bei einer spannenden Podiumsdiskussion im Hospitalhof.

Die Hauptpunkte der Aufbruch-Kritik, die hier zur Sprache kamen: Die Versetzung der Opernhauswand um 2,5 Meter widerspreche dem Denkmalschutz. Die Kosten einer Opernhaussanierung seien im Voraus unwägbar, würden aber zum Schluss in jedem Fall zu hoch ausfallen, gemessen jedenfalls am für das Publikum sichtbaren Ergebnis. Und auch die Ersatzspielstätte kostet ja öffentliche Gelder, nur um eine Zwischenzeit zu überbrücken, also ohne kulturpolitische Nachhaltigkeit. Weswegen es sinnvoller sei, für praktisch gleiches Geld das alte Opernhaus nur zurückhaltend zu sanieren und an anderer Stelle der Stadt statt einer temporären Ersatzspielstätte lieber eine ganz neue moderne Oper zu errichten – dies auch als neuen städtebaulichen Akzent.

Aufbruch-Vorsitzender Wieland Backes begrüßte auf dem Podium Gäste, die all diese Punkte mit Erfahrungen und Argumenten belegen und unterstützen konnten. Ulrike Plate vom Landesdenkmalamt berichtete aus dem internen Verfahren um die geplante Bühnenerweiterung und Fassadenversetzung aus dem Jahr 2016. Die Denkmalschützer hätten damals ihre „erheblichen Einwände“ gegen den „Verlust an Decken und Sälen“ vorgetragen. Andererseits gebe es an dieser Stelle einen klassischen „Zielkonflikt“: „Wir müssen ja auch im Blick haben, wie die Gebäude künftig sinnvoll zu nutzen sind.“ Gleichwohl, stellte Plate fest, wäre eine Opernhaussanierung ohne Bühnenerweiterung natürlich „für die Denkmalschützer eine riesige Erleichterung“.

Für die Kostenfrage war als Gast vor allem der Architekt HG Merz zuständig, der in Berlin von 2010 bis 2017 die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden verantwortet hat. Dass diese Sanierung in der Hauptstadt statt der geplanten drei Jahre sieben gedauert und statt der veranschlagten 200 Millionen schließlich über 440 Millionen Euro gekostet hat, lag seiner Meinung nach just in der Sache, nämlich in der Sanierung eines Altbaus: „Wir konnten das Gebäude im Grunde erst von dem Tag an wirklich in Augenschein nehmen und untersuchen, als die Oper endlich ausgezogen war.“ Viele zum Teil dramatische Bauprobleme seien dann erst offenbar geworden und hätten zu ständigen Neuplanungen geführt – und just diese Gefahr sieht Merz auch beim mehr als 100 Jahre alten Littmann-Bau am Eckensee. Zu den von Aufbruch Stuttgart prognostizierten 800 Millionen Euro Gesamtkosten in Stuttgart äußerte er sich zwar nicht. Auf die Frage, ob er als Architekt die geplante Bühnenerweiterung unterstützen würde, antwortete Merz aber ironisch: „Wenn man das Haus kaputt machen will, klar.“

Die stellvertretende Direktorin des Frankfurter Architekturmuseums, Andrea Jürges, und der Hamburger Architekt Detlef Junkers, beteiligt an verschiedenen Theaterbauten, plädierten beide stark für eine Alternative: „Neubau ist die einfachere Lösung“, so Jürges. Moderne Theaterbauten wie zuletzt in Oslo, Kopenhagen oder Dresden würden sich immer der Stadt und ihren Bürgern gegenüber viel stärker öffnen, als dies einem traditionellen Opernhaus wie in Stuttgart jemals möglich wäre. „Kulturbauten sind heute offen und vielfältig“, meinte Junkers. „Die Politik sollte das Geld des Bürgers so ausgeben, dass der hinterher auch etwas Neues dafür bekommt.“

Bei der Frage, wo ein Opernneubau Platz finden könnte, steht inzwischen für Aufbruch Stuttgart das frei werdende LBBW-Gelände an der Königstraße 1–3 im Blickfeld. Auch HG Merz stimmte hier mit Verve zu: „Ein Neubau dort wäre mir für Stuttgart am liebsten.“ Die Theater-Intendanten, die den ganzen Abend über nicht zu Wort gekommen waren, meldeten sich am Dienstag allerdings deutlich kritisch zu Wort: „Das Opernhaus von Max Littmann zählt für die Staatstheater zum unverzichtbaren Kernbestand ihrer künstlerischen und kulturhistorischen Identität. Dieses herausragende architektonische Baudenkmal wollen wir sowohl in seinem Bestand erhalten als auch für die Zukunft behutsam fortentwickeln.“

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Erstellt:
20. Februar 2019, 03:04 Uhr

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