Ein toleranter, unentwegt tätiger Förderer

Ernst Hövelborn leitet seit 40 Jahren den Backnanger Heimat- und Kunstverein – Eine Geschichte zwischen Tradition, Erneuerung und Zukunftsfähigkeit

40 Jahre lang ist Ernst Hövelborn der Mann an der Spitze des Heimat- und Kunstvereins Backnang. Es war im Winter 1979, als er in einer Mitgliederversammlung als Nachfolger von Armin Beck gewählt wurde. Seither ist vieles passiert in dem Verein, der nicht nur mit der Heimat verbundene Inhalte zum Thema hat, sondern auch für Mitglieder und Besucher zu einem wertvollen Heimat- und Kunsterlebnis-Ort geworden ist.

Ernst Hövelborn bei der Erinnerungsveranstaltung an die Befreiung von Auschwitz in der Backnanger Friedhofkapelle. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Ernst Hövelborn bei der Erinnerungsveranstaltung an die Befreiung von Auschwitz in der Backnanger Friedhofkapelle. Foto: A. Becher

Von Ingrid Knack

BACKNANG. „Das genaue Datum weiß ich nicht mehr, aber Anfang Januar 1979 wurde ich in der Mitgliederversammlung als Nachfolger von Armin Beck zum ersten Vorsitzenden gewählt, wobei ich nicht daran gedacht habe, 40 Jahre lang dem Verein vorzusitzen. Ich hatte auch keinen Plan im Hinblick auf den Verein, zumal das Angebot von Armin Beck ziemlich überraschend am Ende des Jahres 1978 kam und ich damals an so etwas überhaupt nicht gedacht hatte“, erzählt Ernst Hövelborn mit dem für ihn typischen Understatement. Es war die Zeit, als der 1940 geborene Sportler das Training der Leichtathletik-Abteilung in der TSG Backnang zusammen mit Norbert Brohlich leitete und in der Gewichthebermannschaft der TSG Schwerathletik aktiv war. „Sozusagen an der Hantel.“

Was er im Heimat- und Kunstverein vorfand, war eine Kunstabteilung, die dank der Arbeit von Meta-Maria Haserodt, der Schwester von Edda Ebert, die sich nach der Ära der rührigen Veronica Schäffer später um die Abteilung kümmern sollte, sehr professionell aufgestellt war. Dies wirke bis heute positiv nach, findet Hövelborn. In der Heimatabteilung allerdings sei vor 40 Jahren wenig geboten gewesen. Was sich aber bald änderte. Zum Beispiel durch „Angebote von außen“. Als Beispiel nennt der Vorsitzende die Altstadtstammtische des einstigen Stadtplanungsamtsleiters Reginald Kunzelmann. Diese wurden im Zusammenhang mit dem Fassadenwettbewerb Ende 1979 ins Leben gerufen und entwickelten sich zu einer stadtgeschichtlich relevanten, kontinuierlich fortgesetzten Reihe mit bis heute 212 Veranstaltungen.

Aus der Schriftenreihe ging das Backnanger Jahrbuch hervor

Im Jahr 1984 schlug der Historiker Gerhard Fritz vor, eine Schriftenreihe des Vereins zu initiieren, was auch umgesetzt wurde. Anfang 1990 erschien, resultierend daraus, das erste Backnanger Jahrbuch, das sich zu einer erfolgreichen Reihe entwickelte. Bis heute wird es im Auftrag der Stadt Backnang in Zusammenarbeit mit dem Heimat- und Kunstverein sowie dem Fr. Stroh Verlag von den Historikern Gerhard Fritz und Bernhard Trefz herausgegeben.

Als Folge des 750-Jahr-Jubiläums der Stadt Backnang entstand die Idee eines Skulpturenpfads am Ölberg. Die Backnanger Künstlergruppe realisierte das Vorhaben.

Bekanntlich hat eine Erfolgsgeschichte in der Regel viele Väter. Dass sich der Heimat- und Kunstverein aber bald so vital und vielseitig zeigte und sich immer wieder erneuerte, liegt nicht zuletzt daran, dass deren Vorsitzender das Engagement von Spezialisten auf unterschiedlichen Gebieten förderte. Ein Beispiel dafür war die kontinuierliche Entwicklung der Heimatabteilung unter der Leitung von Heiner Kirschmer und der anschließenden Gründung des Arbeitskreises Geologie und Archäologie. Ausstellungen zu diesen Themengebieten wurden konzipiert und Feldbegehungen unternommen. Da es aber keine Nachfolger gibt, existiert der Arbeitskreis praktisch nur noch auf dem Papier. Die damaligen Aktiven treffen sich nach den Worten Kirschmers gerade mal alle drei Monate.

Eines Tages wurde das Museum im ersten Obergeschoss des Helferhauses aufgelöst, „zumal sich die Schwerpunkte durch den industriellen Wandel in Backnang Anfang der 1990er-Jahre auf die Techniksammlung verlegten, die besonders von den ,Motoren‘ Heinz Wollenhaupt und Gustav Burgel angetrieben wurde und nun im Technikforum eine endgültige und überregionale Wirkungsstätte gefunden hat“, führt der mehrfach ausgezeichnete Vorsitzende aus – im Jahr 2000 erhielt er den Backnanger Teller, 2001 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet und 2010 bekam er die Backnanger Kanne. War das eine abgeschlossen, kam stets ein Neuanfang. Hövelborn sah Veränderungen als Weiterentwicklung und Herausforderung. Der Fokus im Heimatbereich liegt jetzt neben den Altstadtstammtischen etwa auf den kleinen, aber feinen Kabinettausstellungen mit historischen Fotografien von Backnang zu unterschiedlichen Themenbereichen und den dazu veröffentlichten Büchern. „Im neuen Jahrhundert kamen die Ausstellungen von Peter Wolf zum alten Stadtbild im Kabinett dazu, die im Augenblick ein echter Frequenzbringer sind“, weiß Hövelborn. Bei ihm hatte der Fotodesigner und Hobbyhistoriker mit seinem Projekt offene Türen eingerannt. Dass der Heimat- und Kunstverein neben der Kunst mit dem Heimataspekt im Gespräch bleibt, ist dem Vorsitzenden wichtig.

Arbeitskreis „Erinnern und Gedenken“

Als Neuzugang bezeichnet Hövelborn den Arbeitskreis „Erinnern und Gedenken“, der sich 2015 nach der Renovierung der Friedhofkapelle unter der Leitung von Roland Idler formierte. Mit unterschiedlichen Veranstaltungen wird die Gedenk- und Erinnerungsstätte Friedhofkapelle seither bespielt. Wie zum Beispiel am 27. Januar mit einer Veranstaltung zur Erinnerung und zum Gedenken an die Befreiung von Auschwitz und Herta Lehmann. Im Backnanger Jahrbuch 2018 hat Stadtarchivar Bernhard Trefz das Schicksal der Backnanger Jüdin Lehmann beschrieben – so kommt ein Bereich zum anderen, Synergieeffekte ergeben sich. Auch im Arbeitskreis „Erinnern und Gedenken“ ist Hövelborn stark engagiert. Zusammen mit seinem Sohn Clemens und den Künstlerkollegen Herbert Seybold und Ernst Keller hat er es sogar verstanden, durch die in der Friedhofkapelle gezeigten Bildtexttafeln zum Thema Holocaust die Bereiche Kunst und Heimat zusammenzuführen. Der Künstler Hövelborn stellt überdies auch Kontakte zu anderen Künstlern her, die dann im Helferhaus ausstellen. Schon unzählige denkwürdige Einführungsreden hat er bei den Vernissagen gehalten.

Zu den jüngsten Projekten gehört die Restaurierung der Höchel-Zinnkrüge. „Die Höchel-Zinnkrüge sind eigentlich eines der wenigen authentischen Zeugnisse aus der älteren Geschichte Backnangs, da die Zinngießer Höchel in Backnang gearbeitet haben“, weiß Hövelborn. Sie wurden vom Stuttgarter Restaurator Patrick Decker aufpoliert, die Kosten dafür hat ein Sponsor übernommen.

Und dann ist da noch die vom Heimat- und Kunstverein konzipierte Ausstellung im Stadtturm mit Exponaten aus dem Sammlungsbestand des Vereins. Zurzeit werde über eine neue Konzeption nachgedacht, lässt Hövelborn wissen. Wobei immer noch die Vorstellung von einem Stadtmuseum im Raume stehe. Eine entsprechende Initiative startete der Verein, als die Obere Apotheke renoviert war und dem Verein und der Stadt zur Miete angeboten wurde. Die Stadt habe aber dafür kein Geld übrig gehabt.

„Mein Prinzip und meine Tätigkeit bestand als mitwirkender Vorsitzender darin, Impulse aufzunehmen und sie in eine Kontinuität zu überführen. Und wenn sich Bereiche wie die Schriftenreihe oder die Techniksammlung in einer guten Verfassung befinden, diese zur Weiterentwicklung und Konstituierung in professionelle Hände zu legen“, beschreibt Hövelborn seine Haltung. „Kontinuität und Flexibilität im Hinblick auf Themen, Personen und Veränderungen im Zeitgeist beziehungsweise im Anspruchsniveau der Mitglieder und Besucher mögen die Punkte sein, die meine 40-jährige und eigentlich stressfreie Tätigkeit im Sinne eines heiteren Durchwurstelns, ohne sich selbst zu wichtig zu nehmen, also meine stets tätige Tätigkeit im Heimat- und Kunstverein, geprägt haben.“ Dass es nicht immer so entspannt war vor der Ära Hövelborn, daran kann sich Heiner Kirschmer noch erinnern. Vor allem mit der Einmütigkeit habe es gehapert. „Durch seine Toleranz hat Ernst einen harmonischen Verein geführt.“

Info
Stimmen von Wegbegleitern

Bernhard Trefz: „Ernst ist ein äußerst sympathischer und unaufgeregter Zeitgenosse, den scheinbar nichts aus der Ruhe bringt. Wenn man ihn braucht, wie etwa für einen Vortrag im Jubiläumsjahr 2018, ist er sofort bereit, zu helfen. Außerdem ist sein ehrenamtliches Engagement natürlich herausragend und ein Vorbild für andere.“

Gerhard Fritz: „Ich kenne Ernst Hövelborn schon weit über die 40 Jahre Vorsitz im Heimat- und Kunstverein hinaus. Er war mein Kunstlehrer. Als ich als Lehrer ans Max-Born-Gymnasium zurückkam, war er 23 Jahre lang mein Kollege. Er fiel immer durch seine ruhige, ausgleichende Art auf. Er hat niemandem etwas vorgeschrieben. Den Führungsstil hat er auch im Heimat - und Kunstverein gepflegt. Den Ideen, die an ihn herangetragen wurden, hat er in der Regel begeistert zugestimmt und die Projekte dann auch unterstützt.“

Heiner Kirschmer: „Ernst Hövelborn hat es immer wieder verstanden, neue Leute für den Heimat- und Kunstverein zu gewinnen. Das ist eine Stärke. Er hat einem immer freie Hand gelassen, er hat sich nie eingemischt, aber alles gefördert und positiv gesehen.“

Peter Wolf: „Ernst Hövelborn hält den Verein zusammen und am Laufen.“

Edda Ebert: „Für mich ist er der Meister aller Klassen. Überwältigend sind sein Wissen, sein Können, seine Bescheidenheit und seine Einsatzfreude. Er ist ein Juwel und ein Seltenheitsexemplar. Er ist klug, über alle Maßen gebildet und ruht in sich.“

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Erstellt:
19. Februar 2019, 06:00 Uhr

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