Eindrückliche Tanzszenen in der Galerie

Der Unterweissacher Regisseur und Choreograf Alexander Grünwald realisiert mit dem Tänzer Johannes Blattner, dem Pianisten Boris Ritter und dem Backnanger Kameramann Bruno Maurice Spieth in Backnang den Kurzfilm „Intimate“.

Alexander Grünwald hat die „Intimate“-Musik komponiert. Foto: privat

Alexander Grünwald hat die „Intimate“-Musik komponiert. Foto: privat

Von Thomas Roth

BACKNANG/WEISSACH IM TAL. Alexander Grünwald, beheimatet in Unterweissach, ist künstlerischer Leiter des Palladium-Theaters Stuttgart. Er zeichnet verantwortlich für die Choreografien und führt Regie. Doch Corona hat auch die Welt des Musicals zum Stillstand gebracht. Nun gilt es, die frei gewordene Zeit mit kreativen Ideen zu gestalten.

Alexander Grünwald ist einer, der gerne immer wieder neue Herausforderungen annimmt. Sein jüngstes künstlerisches Engagement ging in der Galerie der Stadt Backnang über die Bühne. Das Ergebnis soll später auf verschiedenen Videoplattformen gezeigt werden.

Bei dem Projekt „Intimate“ ist Alexander Grünwald mehrfacher Ideengeber. Idee Nummer 1 ist sicher seine Komposition „Schneekristall“ aus dem Zyklus „Fragments and pieces“, das Grünwald als sehr intimes, emotionales und zartes Musikstück beschreibt. Idee Nummer 2: das Stück tanzen zu lassen. Idee Nummer 3: beides zusammen in einen Kurzfilm zu packen. Idee Nummer 4: den Film im Gotischen Chor der Galerie Backnang zu drehen. Regie im üblichen Sinne führt Alexander Grünwald bei diesem Projekt allerdings nicht. Das Playback hat Boris Ritter, musikalischer Leiter des Palladium-Theaters Stuttgart, Pianist und Komponist, eingespielt. Zu dieser Musik tanzt Johannes Blattner. Nach keiner vorgegebenen Choreografie, sondern frei, improvisierend, spontan, abgesehen von ein paar choreografischen Fixpunkten. Grünwald nennt diese Art des Tanzens „zeitgenössischen Tanz“.

Die Kameraführung nimmt zusammen mit der Musik


Einfluss auf die Bewegung.

Der Raum ist weiß gestaltet, ganz schlicht, ausgelegt mit weißem Stoff, der in die Performance einbezogen wird. Von draußen wird der Raum mal mehr, mal weniger mit Licht durchflutet. „Es war leider kein so sonniger Tag, die Lichtverhältnisse waren häufig wechselnd“, beschreibt Grünwald die Aufnahmesituation: „Da war Spontaneität gefragt“.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist Bruno Maurice Spieths Umgang mit der Kamera: Mal steht der Tänzer und die Kamera „umtanzt“ denselben, mal steht die Kamera und der Tänzer tanzt um sie herum. Weniger gefragt ist hier die Totale, die stets frontale Sicht, die Theaterguckkasten-Perspektive. Vielmehr filmt der Backnanger Bruno Maurice Spieth auch mal von der obersten Etage hinunter auf die Szenerie. Grünwald beschreibt seine Idee so: „Die Kameraführung ist Teil der Inszenierung – sie nimmt zusammen mit der Musik Einfluss auf die Bewegung und bringt diese auch mal zum Stillstand. So kann es sein, dass sich bisweilen nur das Kamerabild bewegt und dann wieder der Tänzer. Es soll eine Wechselbeziehung entstehen, gegenseitige Stimulation. Musik, Bewegung und Bild sollen zu einer ästhetischen Einheit verschmelzen.“

Der Titel „Intimate“ ist durchaus in Zusammenhang mit der aktuellen pandemischen Zeit zu sehen. Das Musikstück, so Grünwald, sei eigentlich eine ziemlich einfache, schlichte und relativ kurze Melodie. Ursprünglich hieß es, wie gesagt, „Schneekristall“. Der Komponist: „Ich hatte einen in der Sonne tanzenden Schneekristall vor Augen. Positiv verloren.“ Über diesen doch intimen Aspekt des allein tänzelnden Schneekristalls („Der Tänzer sollte ganz bei sich sein“) und dem Gedanken an das aktuelle „Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-Sein“ schlug Grünwald die Brücke zum Titel „Intimate“. Es hat schon mit Corona zu tun, „ist aber kein konkretes Coronaprojekt, auch wenn es passt. Man muss es ja nicht überanalysieren“, sagt Grünwald.

Dass Galerieleiter Martin Schick außergewöhnlichen Experimenten offen gegenübersteht, ist bekannt. Schon in früheren Zeiten stand im Chor auch schon mal ein Orgelpositiv, das der Backnanger Kirchenmusiker Reiner Schulte spielte. Neben alter Musik erklang in der Galerie auch Neue Musik von John Cage. So kompromisslos Martin Schick ist, wenn es um Inhalte und Qualität seiner Ausstellungen geht, so freizügig gewährt er andererseits Künstlern wie Alexander Grünwald Einlass in die Galerieräume. Dabei lässt er sich auch gerne überraschen. Denn wie bei diesem Projekt, das auf Improvisation setzt, kann man das Ergebnis ja nicht vorher bewerten. „Tanz war noch nie da“, sagt Schick und freut sich über die Bereicherung auch für die Galerie gerade in diesen Zeiten. Denn die Kooperation hat auch den Effekt, dass die im Moment mit der Ausstellung der Künstlerin Uta Zaumseil aus Thüringen gestalteten Galerieräume mit neuem Leben erfüllt werden.

Während der Film zur Zaumseil-Ausstellung immer noch jederzeit im Netz zu sehen ist, wird der Film „Intimate“ ab Anfang oder Mitte März ins Netz gestellt. Einen Link dazu wird es auf der Homepage der Galerie geben.

Tänzer Johannes Blattner, Projektleiter und Ideengeber Alexander Grünwald sowie Bruno Spieth (von links) beim Dreh in der Galerie. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Tänzer Johannes Blattner, Projektleiter und Ideengeber Alexander Grünwald sowie Bruno Spieth (von links) beim Dreh in der Galerie. Foto: A. Becher

Ein starkes Team

Alexander Grünwald arbeitet seit vielen Jahren als künstlerischer Leiter großer Musicalproduktionen am Stage-Palladium-Theater Stuttgart. Der gebürtige Backnanger ist außerdem Regisseur und Choreograf. Sofern die Zeit es zulässt, komponiert er auch und setzt unterschiedliche Kunstprojekte um. Mit „Intimate“ hat er erstmals einen kurzen Film realisiert. Alexander Grünwald weist darauf hin, dass sich die Musicals in Stuttgart noch im Lockdown befinden. „Die Situation ist für unsere Firma schwieriger als bei staatlich geförderten Theatern, da wir ja nicht subventioniert arbeiten. Wir brauchen eine recht hohe Mindestbesucherzahl, damit sich der Spielbetrieb überhaupt rechnet. Die Produktion ,Tanz der Vampire‘ steht aber in den Startlöchern.“ Grünwald hat in Wien „Musikalisches Unterhaltungstheater“ studiert. Bevor er künstlerischer Leiter am StagePalladium-Theater Stuttgart wurde, war er auch Tänzer und Musicaldarsteller.

Johannes Blattner ist Bühnentänzer, Choreograf und Tanzpädagoge. Seine Ausbildung erhielt der Stuttgarter an der „freiburger akademie für tanz“ und in New York. Nach vier Jahren als Tänzer des Ballett-Theaters Pforzheim arbeitet er derzeit hauptsächlich in freien Projekten. Er choreografiert eigene Stücke und kooperiert genreübergreifend zum Beispiel mit Schauspiel oder Figurentheater. Sein neuestes Projekt heißt „Die gemütliche Wahrheit“ und wird am 27. März um 20 Uhr von der Homepage www.multipluralwesen.de gestreamt.

Boris Ritter aus Ditzingen arbeitet seit 2004 für Stage Entertainment Deutschland. Seit fast drei Jahren ist er der musikalische Leiter des Stage-Palladium-Theaters Stuttgart. Er dirigierte unter anderem die Deutschland Premiere von „Anastasia – Das Musical“. Als Pianist, Dirigent, Keyboarder, Arrangeur und Komponist ist er in vielen Genres zu Hause und hat im Februar sein eigenes Crossover-Soloprogramm „Grenzgänger“ aufgeführt.

Bruno Maurice Spieth hat Film und Video an der Merz-Akademie in Stuttgart studiert. Der Backnanger arbeitet als Filmproduzent, Kameramann und Fotograf.

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Erstellt:
26. Februar 2021, 06:00 Uhr

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