Ausstellung Hans-Peter Feldmann
Einer der witzigsten Künstler
Hans-Peter Feldmann war einer der humorvollsten Künstler. Deshalb ist seine Retrospektive in Düsseldorf ein Höhepunkt auf dem derzeitigen Kunstkalender.

© VG Bild-Kunst, Bonn 2025/Foto Jan Windszus
Hans-Peter Feldmanns: „Familie mit roten Nasen“ von 2015
Von Adrienne Braun
Einzuparken ist eine Kunst. Dieser Fahrer scheint sich aber besonders dusselig angestellt zu haben. Denn sein Wagen ist zwar ordentlich zwischen anderen Autos abgestellt, allerdings liegt er auf dem Dach – und das so, als wäre es das Selbstverständlichste im Straßenverkehr. Aber Hans-Peter Feldmann hat die Welt eben gern mal auf den Kopf gestellt und das hinterfragt, was unsereiner für normal hält. Deshalb hat er auch einer gewissen Birgit ein komplettes Buch gewidmet, in dem man Seite für Seite auf Fotos zuschauen kann, wie sich Birgit vor einem kleinen Spiegel schminkt.
Großes Sammelsurium an Kunst und Gegenständen
Große Kunst steckt manchmal in kleinen, beiläufigen Alltagssituationen – das versuchte der Künstler Hans-Peter Feldmann sein Leben lang immer wieder zu beweisen. Und die erste große Werkschau nach seinem Tod vor zwei Jahren lässt keinen Zweifel, dass er recht hatte. Denn dieses kunterbunte Sammelsurium aus Fotos und Zeitungsanzeigen, Haushaltsgegenständen oder überpinselten Gemälden vom Flohmarkt: Feldmann war nicht nur witzig und sehr originell, er konnte mit völlig abwegigen Dingen auch große, gefühlvolle Geschichten über uns Menschen erzählen.
Deshalb sollte man sich die „Kunstausstellung“ im Düsseldorfer Kunstpalast eigentlich nicht entgehen lassen – weniger, weil der Künstler selbst an den ersten Planungen noch beteiligt war, sondern weil seine Kunst extrem zugänglich ist und sich ohne lange Lektüre erschließt. Die „Kleider einer Frau“, die er auf 70 Fotos zeigte, wirken nur auf den ersten Blick austauschbar. So, wie die Skistiefel auf einen gewissen Wohlstand schließen lassen, lässt sich en passant auch ablesen, wie Kleider Leute machen.
Hans-Peter Feldmann liebte es, genauer hinzuschauen. Deshalb hing er schon als junger Mann wie ein Spanner am Fenster und fotografierte wieder und wieder das Haus gegenüber – solange, bis seine Nachbarin irgendwann ihr Fenster öffnete und es putzte. Im Kunstpalast hängen die kleinen, alten Schwarzweiß-Fotos nun nebeneinander und finden sich viele weitere alltägliche Momente, die doch beredt sind wie seine Sammlung von Schuhfotos.
Es sind neue und ausgelatschte darunter, bequeme und elegante – und so beiläufig sie wirken, steckt doch hinter jedem Paar ein Individuum, ein Leben und ein Schicksal.
In Düsseldorf wurde Hans-Peter Feldmann, 1941 geboren, heimisch, ausgerechnet dort, wo man ihn an der Kunstakademie ablehnte. Also studierte er in Linz Malerei. Aber obwohl seine frühen Bilder handwerkliches Können verraten, haderte er mit seinem Talent und begann, die Rückseiten seiner Gemälde mit Werbefotos aus Zeitschriften zu bekleben. Diese bunten Collagen spiegeln Moden und Lebensgefühl im aufstrebenden Nachkriegsdeutschland mit Blendax-Zahnpasta für strahlend weiße Zähne und Revlon-Kosmetik für die gepflegte Gattin.
Fans bis nach Australien und Südafrika
Obwohl Feldmann 1972 und 1977 zur Documenta in Kassel eingeladen war, gelang ihm nicht der große Durchbruch, weshalb er sich 1980 enttäuscht vom Kunstbetrieb abwandte und sein Geld fortan mit einem Antiquitäten- und Souvenirladen in der Düsseldorfer Altstadt verdiente sowie mit einem Versandhandel für Fingerhüte. Die Auswahl an irrwitzigen wie kunstvollen Fingerhüten in der Ausstellung lässt verstehen, warum er sogar in Australien und Südafrika Kundschaft hatte. Letztlich kehrte er aber doch zur Kunst zurück – und hat so viele verschiedene wie schöne Arbeiten konzipiert wie die Skulpturen aus Haushaltsgegenständen, Spülschwämmen, Lesebrillen oder Tesafilm-Abrollern. Besonders anrührend ist seine Fotoserie „100 Jahre“, für die er Personen im Alter von ein bis hundert Jahren fotografierte. An dem bunten Kaleidoskop an Individuen lässt sich vieles ablesen – ob es die typischen Namen bestimmter Generationen sind oder ob es der Friedhof ist, auf dem sich der 57-jährige Werner hat fotografieren lassen, weil er hier vermutlich häufig jemanden besucht.
Hans-Peter Feldmann war ein Sammler durch und durch. Bei seinem „Schattenspiel“ von 2002 werfen allerhand Gegenstände auf sich drehenden Unterlagen Schatten an die Wand – und es ist höchst poetisch, wie Spülbürste und Blechspielzeug, Püppchen und Gartenzwerg sich wie bei einer lebendigen Straßenszene begegnen.
Bei all dem ging es Feldmann immer darum, zu hinterfragen, was Kunst ist und wer definiert, was Bedeutung hat. Dabei arbeitete er sich auf seine Weise an der Malerei ab, indem er alte Bilder kaufte und veränderte. Auf Seestücken löschte er die Schiffe und kratzte auch frech am Mythos der Kunst, indem er der Nackten auf Gustave Courbets Skandalbild „Der Ursprung der Welt“ einen Bikinistreifen malte.
So machte er sich immer wieder lustig über den Kunstbetrieb, konnte aber auch sehr ernsthaft sein. Über Jahre sammelte er die Titelseiten, die von 9/11 und dem Anschlag auf das World Trade Center in New York berichteten. Der Vergleich ist durchaus aufschlussreich. Die meisten Blätter griffen zu reißerischen Schlagzeilen wie „Das ist Krieg“, „Die Welt in Angst“ oder „Die Welt ist gelähmt“ – während nur wenige Blätter wie die Stuttgarter Zeitung oder der Daily Sport daran erinnerten, dass bei dem Angriff mehrere Tausend Menschen ihr Leben verloren.
Übrigens: Mit seiner Frechheit macht er sich einen Namen: Das bekannteste Werk von Hans-Peter Feldmann ist ein historisches Familienporträt, bei dem er den ernst blickenden Kindern rote Clownsnasen malte. Auch George Washington verpasste er eine Clownsnase – auf einer 1-Dollar-Note.
Hans-Peter Feldmann – Kunstausstellung, Kunstpalast Düsseldorf, bis 11. Januar, geöffnet Di bis So 11 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr, www.kunstpalast.de
Mit Clownsnasen berühmt geworden
Frechheit Das bekannteste Werk von Hans-Peter Feldmann ist ein historische Familienporträt, bei dem er den ernst blickenden Kindern rote Clownsnasen malte. Auch George Washington verpasste er eine Clownsnase – auf einer 1-Dollar-Note.
Ausstellungbis 11. Januar, geöffnet Di bis So 11 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr. adr