Neues Tanzstück „tacet“

Eva Baumann denkt über den Lärm unserer Zeit nach

In ihrer Trilogie „Zeit/Geist“ ging es bereits ums Miteinander, um Krieg und Flucht. Zum Finale lädt die Choreografin Eva Baumann in lauten Zeiten zum Durchatmen ein.

Die Choreografin Eva Baumann sieht „tacet“ als Gegenentwurf zu einer schnelllebigen Zeit.

© Zoia Domaskina

Die Choreografin Eva Baumann sieht „tacet“ als Gegenentwurf zu einer schnelllebigen Zeit.

Von Andrea Kachelrieß

Mit einem Tanzstück über die Stille beschließt Eva Baumann ihre Trilogie „Zeit/Geist“. Bei den beiden ersten Teilen „alieNation“ (2023) und „Nadezhda“ (2024) lag der Fokus auf dem Figurentheater; der dritte, „tacet“, setzt in der Zusammenarbeit mit der Cellistin Céline Papion auf die Musik. Zusammen mit den vier Performerinnen Aurora Bonetti, Bar Gonen, Yen Lee und Susanna Ylikoski wird in lauten Zeiten die Lautlosigkeit befragt. Premiere ist am 30. Mai im Kunstverein Wagenhalle.

„Zeit/Geist“ heißt die Trilogie, die Sie nun beschließen. Welches Phänomen hat sie zu „tacet“ inspiriert?

Impulsgeber ist für mich die Schnelllebigkeit unserer Zeit und die sich überschlagenden Weltereignisse. Sie prallen in einem so hohen Tempo auf uns, das es unmöglich macht, sie einordnen zu können. Ich nehme die Gegenwart als dystopisch wahr, „tacet“ ist mein Gegenentwurf.

Wie funktioniert er?

Ich lade dazu ein, bewusst stehen zu bleiben und still zu sein. Mit vier Performerinnen und einer Cellistin will ich künstlerisch einen Kontrapunkt und den Raum schaffen für das, was uns wichtig ist wie zum Beispiel gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Stille und Stillstand – für die Bühnenkunst nicht so cool, oder?

Was wir als Stille und Stillstand wahrnehmen, ist ja sehr individuell. In „tacet“ gibt es sehr viel zu hören und zu sehen. Das Konzept der Pause in Musik und Tanz will, dass man auch im vermeintlichen Nichtstun präsent ist, um seinen Einsatz nicht zu verpassen. Mir geht es darum, die Sinne zu öffnen für verschiedene Nuancen von Stille und zu zeigen, wie Musik und Tanz zusammen funktionieren.

Ihr neues Stück ist eine „immersive Musik-Tanz-Performance“. Was ist das Immersive daran?

In erster Linie, dass das Publikum in einer S-förmigen Anordnung mitten im Raum sitzt und die Performerinnen, also Sound und Bewegung, ihm sehr nahe kommen. Ich habe das bei den Proben als sehr berührend empfunden. Manchmal nicht zu wissen, wo der Klang überhaupt herkommt, hat eine unglaubliche Sogwirkung. Die wir übrigens komplett analog herstellen.

Reden ist Silber, Schweigen Gold, sagt der Volksmund. Wie sehen Sie das nach der Arbeit an „tacet“?

Ich mag diese Redewendung gar nicht. Sie hat meines Erachtens mit „verschweigen“ zu tun, wenn man etwas unter den Teppich kehrt. Mir geht es ja gerade um Begegnung und Dialog. Ich fände es schön, wenn das Publikum den Aspekt des Zuhörens im Sinne von Bernhard Pörksen neu entdeckt: als Akt der Freiheit, der Autonomie voraussetzt, und als ein Geschenk.

Vorführungen jetzt und im September

PremiereDie Uraufführung von „tacet“ ist am 30. Mai um 20 Uhr im Kunstverein Wagenhalle. Zwei weitere Vorstellungen gibt es am 31. Mai und 1. Juni (19 Uhr).

WiederaufnahmeAnfang September ist „tacet“ nochmals zu sehen – in der „Humbase-partout“, Eckartshaldenweg. Der Kulturort, der dank einer Projektförderung durch die Stadt Stuttgart kostenlos von der Freien Szene genutzt werden kann, wurde im Wettbewerb „Creative Spaces Region Stuttgart“ 2024 mit dem Sonderpreis Soziokultureller Impuls ausgezeichnet.

TicketsKarten im Vorverkauf gibt es bei Rausgegangen.de. Mail-Reservierungen an office.cie.zeitgeist@gmail.com. Da die Plätze limitiert sind, empfiehlt sich der Online-Kartenkauf. Restkarten nur gegen Barzahlung an der Abendkasse ab 45 Minuten vor der Vorstellung.

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Erstellt:
26. Mai 2025, 12:22 Uhr

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