Filmcrew im Bandhaus-Theater

Dreharbeiten für die Werkeinführung „Über Faust“ sind in dem Backnanger Haus der darstellenden Künste in vollem Gange. Die Theaterleiterinnen Jasmin Meindl und Juliane Putzmann gehen neue Wege. Sie arbeiten an ihrer ersten digitalen Premiere.

Bei der Videoproduktion „Über Faust“ im Bandhaus-Theater: Regisseur Oliver Karbus (rechts) und Juliane Putzmann. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Bei der Videoproduktion „Über Faust“ im Bandhaus-Theater: Regisseur Oliver Karbus (rechts) und Juliane Putzmann. Foto: A. Becher

Von Marina Heidrich

BACKNANG. Die junge Frau liegt auf den Knien. Verzweifelt umklammert sie ein zerknülltes Stück Stoff, wiegt es hin und her, summt leise. Gerade hat sie ihr Kind getötet und nun, während sie auf die Vollstreckung ihrer Strafe wartet, gleitet sie mehr und mehr in den Wahnsinn. Ihr Geliebter, Vater des ermordeten Säuglings, versucht vergebens, sie aus dem Gefängnis zu retten. Nach einem leidenschaftlichen Geständnis ihrer Schuld ist es totenstill. „Und Cut!“ Regisseur Oliver Karbus ist zufrieden. „Zeit für einen Maskenwechsel“, klinkt sich ein junger Mann ein, Mitarbeiter des Filmteams der Filmhochschule Ludwigsburg, und verteilt an die Anwesenden im Zuschauerbereich des Bandhaus-Theaters frischen Einweg-Mund-Nasen-Schutz. Unter strenger Einhaltung der Coronaschutzbestimmungen finden in Backnang die Proben für ein neues Projekt statt: die inszenierte Werkeinführung „Über Faust“ verbindet Szenen aus Goethes Meisterwerk „Faust“ mit Erzählungen und Hintergrundinformationen aus seinem Leben und der Geschichte des Bühnenstücks.

Ihre Arbeiten werden erstmals von einem Filmteam begleitet.

Für Jasmin Meindl und Juliane Putzmann, die Theaterchefinnen, ist es eine Premiere, denn zum ersten Mal werden die Arbeiten von einem Filmteam begleitet und aufgezeichnet. Ein komplettes Wochenende lang leisten Filmteam, Schauspieler und Regisseur einen wahren Drehmarathon. Ein zirka halbstündiger Auszug aus der Inszenierung soll dann nach vollendeter Bearbeitung auf der Website des Theaters kostenlos für jeden abrufbar sein. Ein ordentlicher Appetithappen, der Lust auf mehr macht und in naher Zukunft, wenn das Theater wieder öffnen darf, dann auch live und in voller Länge genossen werden kann.

Leslie Röhm, die gerade noch völlig in der Rolle der Kindsmörderin Gretchen aufgegangen ist, freut sich über die für sie neue Erfahrung, mit einer Filmcrew zu arbeiten. Zwar konnte die sympathische blonde ausgebildete Schauspielerin und Theaterpädagogin bereits auf vielen Bühnen Erfolge feiern, doch die Arbeitsbedingungen beim Film, die Licht- und Tonproben sind noch einmal etwas anderes. Sie ist begeistert über die Professionalität des jungen Drehteams. Auch der österreichische Regisseur Oliver Karbus nickt anerkennend. Ob Meraner Festspiele oder Inszenierung am Backnanger Bandhaus, das spielt für den Mann mit der sonoren Stimme keine Rolle – es geht um das Werk. Seine Begeisterung über Goethe als letztes großes Universalgenie und speziell für den Faust ist überzeugend und ansteckend. Mit dieser Inszenierung will er auch Anfängern die Genialität des für ihn größten deutschen Dichters vermitteln.

Uwe-Peter Spinner spielt die Titelrolle und ist Stammbesetzung in Stuttgarter Ensembles. Ihn, der sowohl im experimentellen als auch im klassischen Theater zu Hause ist, fasziniert die Genauigkeit von Goethes Sprache, dieser präzise Einsatz der Worte, die nicht einfach ausgetauscht werden können. „Das macht es uns als Schauspieler leicht, den Text zu lernen und die Sprache mit Leben zu erfüllen“, lautet sein Fazit. Bühnenpartnerin Leslie Röhm nickt. „Gerade im Faust steckt so viel Aktuelles. Auch heute verkaufen Menschen ihre Seelen.“ Die Geschichte über den Mann, der alles studiert, alles ausprobiert hat und doch nie zufrieden ist, der nie zum Augenblick, zur Situation sagen kann „Verweile doch, du bist so schön“ und von einem Genusserlebnis zum nächsten taumelt, weil er keine dauerhafte Befriedigung findet, sie ist zeitloser denn je.

Jasmin Meindl und Juliane Putzmann sind gespannt, wie das filmische Bonbon am Ende sein wird. Sie sind froh über ihren Entschluss, neue Wege zu gehen. Zumindest war so die ganze Probenarbeit nicht vergebens, und wenn alles so klappt, wie es sich die beiden Bandhaus-Betreiberinnen vorstellen, kommt der Film über die Werkeinführung sogar noch rechtzeitig als Weihnachtsgeschenk an die Theaterfans. Einfach immer mal wieder auf die Homepage schauen.

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Erstellt:
18. Dezember 2020, 06:00 Uhr

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