Fundtier Emil ist der Hahn im Korb
Der lautstarke Gockel ist in Spiegelberg bekannt wie ein bunter Hund – Von seinem Besitzer fehlt aber jede Spur
Schon kurz vor Weihnachten stolziert Gockel Emil durch Spiegelberg – taucht plötzlich auf und verschwindet dann wieder. Woher er kommt, weiß niemand. Nun hat der tierische Streuner im Hühnerstall der Familie Übele übergangsweise ein Zuhause gefunden. Von seinem Besitzer fehlt jedoch jede Spur.

© Jörg Fiedler
Von Bianca Walf
SPIEGELBERG. „Auf einmal stand er da“, erinnert sich Patrick Übele aus Spiegelberg an seine erste Begegnung mit Fundhahn Emil. Es war am späten Abend vor zwei Wochen. Patrick und seine Freundin Helen Heinold sind mit dem Auto zwischen Spiegelberg und Großhöchberg unterwegs, als der eigensinnige Vogel ihren Weg kreuzt. „Erst dachte ich, ich sehe nicht richtig. Wir haben extra noch mal umgedreht“, so Patrick Übele. Emil steht immer noch da. Wie angewurzelt verharrt der Hahn im Dunkeln.
Helen Heinold, die als Tierarzthelferin arbeitet, nähert sich ihm beherzt. „Wir hatten Angst, dass ihn der Fuchs erwischt. Als meine Freundin ihn einfangen wollte, ist er aber abgehauen.“ Trotzig verschwindet Emil im Wald. Helen Heinold lässt der Vorfall keine Ruhe. „Später ist sie mit meinem Bruder noch mal losgefahren und hat ihn tatsächlich wiedergefunden“, erzählt Patrick Übele.
Große Freiheit: Federvieh
trotzt Schnee und Eis
„Meine Oma hat schon immer einen ganzen Stall voller Hühner. Da haben wir ihn dann erst mal untergebracht.“ Bei dieser Gelegenheit kam Emil auch zu seinem Namen. Oma Übele kennt sich aus mit Federvieh. Einen Hahn habe die 82-Jährige aber eigentlich nie gewollt – wegen des lautstarken Krähens und des nicht unerheblichen Stressfaktors für die etablierte Damenrunde im Stall.
„Wir haben uns dann gleich ans Rathaus gewendet, damit der Hahn bei den Fundsachen ausgeschrieben wird“, so Patrick Übele. Dann die Überraschung: Emil ist bereits seit Monaten stadtbekannt. Das erste Mal sei er bereits vor Weihnachten gesichtet worden. Damals stolzierte er munter über den Spiegelberger Marktplatz. Kurz darauf jedoch taucht der clevere Vagabund wieder unter und hält sich wochenlang bedeckt.
Wie er es die kalten Wintermonate über im Freien ausgehalten hat, ist selbst Patrick Übeles Oma, der Hühnerexpertin, ein Rätsel. Der Besitzer habe sich nie gemeldet. Auch nicht, nachdem die Übeles Emils Fall im Spiegelberger Nachrichtenblatt veröffentlicht haben – gleich neben einem olivgrünen Parka, der im Nassacher Schulhaus liegen geblieben ist. Patrick Übele meint: „Anscheinend sucht niemand nach dem Hahn.“
Kein Dauergast, doch der
Fundhahn spielt auf Zeit
Ohnehin scheint Emil seine Heimat – wo immer die auch liegen mag – bereits hinter sich gelassen zu haben. Nach ein paar Tagen Einzelunterbringung gelingt es ihm dank breiter Brust und reichlich Charme, sich in der Weiberwirtschaft, bestehend aus fünf mehr oder weniger betagten Hennen, beliebt zu machen. „Das war erstaunlich“, so Großmutter Übele. „Hätte ich eine fremde Henne mit hineingesetzt, hätte das gleich Ärger gegeben, aber bei dem Hahn haben die Tiere sich friedlich verhalten.“ Fast mutet es an, als hätten die Hennen nur auf Herrenbesuch gewartet. Und auch Emil fühlt sich sichtlich wohl.
Zum Dauergast soll er trotzdem nicht werden – zumindest, wenn es nach den Übeles geht: „Wir bemühen uns weiterhin darum, den Besitzer zu finden“, betont Patrick Übele. Seiner Großmutter seien ihre fünf Hennen genug. „Früher hat man die Hähne ja gerne geschlachtet“, erinnert sich Oma Übele. „Aber das bringe ich nicht über mich.“ Auch ins Tierheim wolle sie den Gockel nicht geben. „Die können ja auch nicht wirklich, was mit ihm anfangen und hier hat er es gut, bis sich jemand meldet.“
Was aber wird, wenn Emils Besitzer verschollen bleibt? Großmutter und Enkel sind ratlos – Emil scheint auf Zeit zu spielen. Sieht man ihn munter zwischen seinen gefiederten Gefährtinnen umherhüpfen, drängt sich der Verdacht auf, er habe die große Freiheit ganz bewusst an den Nagel gehängt und sich sein Zuhause nun einfach selbst ausgesucht.
Wer kennt diesen Hahn? Informationen über die Herkunft des Fundhahns oder seinen Besitzer nimmt die Familie Übele unter der Rufnummer 07194/8813 entgegen.