Gemeinsam musizieren gegen Corona

Auf der Facebook-Seite „Backnang musiziert“ haben sich viele regionale Musiker zusammengefunden, um während der Coronakrise Videos ihrer Musik mit der Bevölkerung zu teilen.

Zahlreiche Künstler aus unterschiedlichen musikalischen Stilrichtungen präsentieren sich und ihre Musik auf der Facebook-Seite „Backnang musiziert“. Collage: S. Horn

Zahlreiche Künstler aus unterschiedlichen musikalischen Stilrichtungen präsentieren sich und ihre Musik auf der Facebook-Seite „Backnang musiziert“. Collage: S. Horn

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Kirchenmusik, Jazz, Blasmusik, Hip-Hop, Punk, Country und viele weitere Musikrichtungen haben auf der Facebook-Seite „Backnang musiziert“ eine gemeinsame Plattform gefunden. Obwohl die Musikrichtungen nicht viel miteinander zu tun haben, verbindet in der Coronakrise eines die Musiker der unterschiedlichsten Genres: Die Auftritte, Band- und Chorproben fallen aus. Um Musiker trotzdem zum kreativen Arbeiten anzuregen und den Menschen, die zu Hause sitzen, eine Freude zu bereiten, hat der Stadtjugendring Backnang eine Facebook-Seite für Musiker gegründet. Auf „Backnang musiziert“ können sie Videos ihrer eigenen Songs oder von Covern online stellen, die sie während der Zeit zu Hause aufgenommen haben.

38 Künstler, fast 100 Videos und über 500 Abonnenten

Seit dem 26. März gibt es die Seite nun, Armin Holp ist sehr zufrieden damit, wie sie sich bisher entwickelt hat. Bereits über 500 Likes und Abonnenten konnten die Akteure für sich gewinnen. „Them Muddy Brothers“, „Lay Down Layla“ und „Mamatoo“ sind nur ein paar Beispiele der mittlerweile 38 beteiligten Künstler. Und auch immer neue und bekanntere Backnanger Musiker stoßen dazu. „Mittlerweile ist die Seite fast ein Selbstläufer. Nur hin und wieder schreibe ich die Musiker noch an und animiere sie dazu, etwas Neues zu posten“, so Holp. Die Musiker nehmen sich zum Teil alleine in ihrem Wohnzimmer auf, zu zweit im Garten mit genug Abstand zueinander oder sogar mit mehreren Bandmitgliedern über Videokonferenzen online. So hat die Band Mamatoo zum Beispiel per Videokonferenz sogar mit sechs Personen musiziert.

Die Idee kam dem Stadtjugendring bereits am Anfang des Lockdowns. Eigentlich wollten die Macher Hilfen für Kranke oder Menschen in Quarantäne anbieten, haben aber schnell festgestellt, dass es dafür bereits mehr Angebote gab, als benötigt wurden. „Wir wollten dann denjenigen helfen, die einfach nur daheim sitzen“, sagt Holp. „Ihnen wollten wir mit etwas Musik eine Freude machen.“ Auch wollten sie den Künstlern eine Plattform bieten, da diese nun sehr unter den fehlenden Auftritten und Veranstaltungen leiden. „Zuerst wollten wir die Musik live streamen, aber das war organisatorisch und rechtlich sehr schwierig.“ Die Wohnzimmervideos haben sich als schnellere und einfachere Lösung angeboten und waren leichter zu organisieren. Zunächst habe Holp viele Musiker animieren müssen, mittlerweile funktioniere die Seite von alleine. Mehrere neue Videos werden pro Tag gepostet. „Am Anfang war die Seite sehr von Rockmusikern geprägt, mittlerweile sind alle Musikrichtungen vertreten.“ Denn die Organisatoren haben nicht nachgelassen und weitere Musiker angeschrieben. Nicht nur Solokünstler oder Bands, auch Kirchenchöre oder Blasmusiker wollten sie animieren.

Aus seiner Zeit als Vorsitzender des Juze kennt Holp sich in der Musikszene aus und hat noch einige Kontakte. Vor allem in den ersten Tagen der Facebook-Seite hat er viele seiner Bekannten angeschrieben, ihnen das Projekt erklärt und sie zum Mitmachen aufgefordert. So auch Joachim Michalewski, der Teil der Band „Michael&the Hoes“ ist. Eigentlich spielt er am liebsten Straßenmusik. Sich selbst mit Videos im Internet zu präsentieren, war zunächst eine Überwindung. „Eigentlich mag ich so was nicht, aber ich habe mich von Anfang an gefragt, was ich machen kann“, sagt Michalewski. Zuerst hat er auf Instagram unter dem Hashtag Quarantine Covers jeden Tag einen neuen Song einer anderen Band eingeübt und ein Video davon gepostet. Als Armin Holp ihn auf „Backnang musiziert“ aufmerksam gemacht hat, hat er seine Videos auch dort gepostet. Ihm habe das Filmen unglaublich viel Spaß gemacht, und auch die Reaktionen seien sehr gut gewesen. „Wenn man von einem vollkommen Fremden einen positiven Kommentar und ein Like bekommt, ist das schon etwas Tolles“, sagt Michalewski. Durch die Online-Videos habe er mittlerweile auch schon ein paar neue Fans auf seine Musik aufmerksam machen können, über Instagram konnte er sogar Follower aus dem Ausland gewinnen. Nun hat er auch begonnen, Videos seiner beiden Bandkollegen auf „Backnang musiziert“ hochzuladen, in der Hoffnung, mit den Videos genug Likes zu generieren, um den Backnang-musiziert-Award (siehe Infokasten) und damit einen Bandauftritt auf der Bühne des Backnanger Autokinos zu gewinnen.

Einige Musiker versuchen sich an neuen Musikrichtungen.

Besonders begeistert ist Holp davon, dass Musiker über die Facebook-Seite neue Kontakte knüpfen und neue Musikrichtungen ausprobieren. So haben zum Beispiel auch Solisten miteinander musiziert, die vorher noch nie zusammen gearbeitet haben. Andere haben bekannten Liedern ein neues Genre verpasst, wie zum Beispiel Wolfgang Gutmann, der Liedern aller Musikrichtungen einen Jazzcharakter gibt. Und obwohl sich die Seite vor allem an Musiker richtet, haben auch andere Künste ihren Platz gefunden. So hat zum Beispiel Jessica „James“ Dunst ein Bild in Echtzeit gezeichnet, während sie mit Gons Bob gesungen hat. Holp hofft nun trotz der Lockerungen auf viele weitere kreative Ideen.

Der Backnang-musiziert-Award

Der Stadtjugendring hat einen Wettbewerb für alle Musiker auf „Backnang musiziert“ ausgerufen. Der Wettbewerb soll bis Sonntag gehen, der Künstler oder die Band mit den meisten Likes auf seine Videos gewinnt den Backnang-musiziert-Award und damit ein Konzert auf der Bühne des Backnanger Autokinos, das ebenfalls vom Stadtjugendring organisiert wird. Einzige Voraussetzung ist, dass die Lieder beziehungsweise die Videos während der Zeit der Coronakrise produziert worden sind.

„Wir wollen den Künstlern, die in den vergangenen Wochen ihre Musik gepostet haben, um den Leuten zu Hause tolle Musik zu bieten, auch etwas zurückgeben“, sagt Armin Holp vom Stadtjugendring. Die Musiker sollen mit dem Auftritt als Preis vor Augen außerdem einen Anreiz haben, um Videos auf der Seite zu posten und ihre Fans zum Liken der Beiträge zu animieren.

Wann genau der Auftritt im Autokino stattfinden wird, ist noch unklar und hängt auch von den Gewinnern ab. „Wenn zum Beispiel Blasmusiker gewinnen, könnte es für die Nachbarn zu laut werden, wenn sie am Abend spielen. Da müssen wir mit den Künstlern einen geeigneten Termin finden.“

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Erstellt:
22. Mai 2020, 06:00 Uhr

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