Wolfgang Niedecken

„Ich genieße mein jetziges Alter“

Niedeckens BAP gehen auf „Zeitreise“: Auf dem aktuellen Album blickt Wolfgang Niedecken in aufsehenerregenden Neu-Arrangements auf die frühen Achtziger zurück, im Interview erinnert er sich an ein besonderes Konzerterlebnis in Stuttgart – und lobt Taylor Swift.

Im Herbst spielt  sich Wolfgang Niedecken (73)  wieder  live quer durch die Republik – diese Mal mit seiner „Zeitreise“-Tournee.

© IMAGO///Marc John

Im Herbst spielt sich Wolfgang Niedecken (73) wieder live quer durch die Republik – diese Mal mit seiner „Zeitreise“-Tournee.

Von Björn Springorum

Vor wenigen Wochen ist Wolfgang Niedecken 73 Jahre jung geworden. Noch immer steht er auf der Bühne, noch immer spielt er dreistündige Konzerte. Im Herbst führt ihn die „Zeitreise“-Tournee wieder mal durch die Republik. Prämisse: Kein Lied darf jünger sein als 40 Jahre. Im Gespräch über das aktuelle Album erinnert er sich an ein besonderes Konzerterlebnis in Stuttgart – und lobt Taylor Swift.

Herr Niedecken, Ihre Tournee im Herbst ist schon jetzt praktisch ausverkauft. Wie fühlt sich das an?

Es ist ein wunderschönes Gefühl, etwas zu machen, bei dem man spürt, dass es den Menschen sehr willkommen ist. Dass sich viele danach gesehnt haben. Das spüren wir beim Vorverkauf, und das ist gerade in der heutigen Zeit alles andere als selbstverständlich. Mit BAP haben wir ja auch die Zeit der großen Umsätze in der Musik miterlebt. Unsere beiden Alben „für usszeschnigge“ und „vun drinne noh drusse“ verkauften sich in den frühen Achtzigern jeweils über eine Million Mal, das muss man sich mal vorstellen – noch dazu bei einer Band, die auf Kölsch singt! Das waren unfassbare Zeiten.

Die Sie auch schon sehr früh nach Stuttgart geführt haben – 1981 muss das gewesen sein, oder?

Aber ja, das werden wir nie vergessen. In Stuttgart haben wir zum ersten Mal in der Mausefalle gespielt – vor ungefähr 50 zahlenden Gästen. Den Laden gibt es wahrscheinlich längst nicht mehr, oder?

Leider nein. Dort haben eine Menge legendärer Bands gespielt...

Es war aber auch ein seltsamer Laden. In der ersten Etage befand sich ein merkwürdiges Animier-Etablissement, in der zweiten Etage haben wir gespielt. Sensationell. Einquartiert wurden wir dann bei Hausbesetzern, die übers Wochenende verreist waren.

Erinnerungen und Anekdoten, davon handelt ja auch Ihr aktuelles, neu arrangiertes Album „Zeitreise – Live im Sartory“. Aufgenommen in den legendären Kölner Sartory-Sälen, eng verzahnt mit der Biografie von BAP.

Erstmals haben wir dort im November 1980 gespielt. Für uns war es damals das erste Mal, dass wir uns in einen derart großen Saal gewagt haben. 2000 Leute, das war unglaublich für uns. So ging es bis 1985 weiter, bis wir irgendwann einsehen mussten, dass die Location zu klein für uns wurde. Wir haben uns aber lange geweigert, in den großen Hallen zu spielen, weil ich übertrieben gesagt immer noch das Weiße in den Augen der Zuschauer sehen wollte. Aber wir merkten bald, dass das auch in einem größeren Rahmen klappte. Ich kann mich aber auch ganz allgemein an unglaublich viele Auftritte erinnern.

Ist das eine Inselbegabung – oder schon Nostalgie?

Nostalgie ist die Sehnsucht nach einer verklärten Vergangenheit, gern in einem Sepiaton. Ich lebe aber sehr gern in der Gegenwart, genieße auch mein jetziges Alter. Ich bin 73, habe vier erwachsene Kinder und drei Enkel. Sicher, wer sagt, er wäre nicht lieber wieder jung, lügt, aber ich liebe mein Leben und bin sehr dankbar dafür.

„Zeitreise“ besteht aus behutsam umarrangierten Versionen einiger Ihrer ältesten Songs. Welcher politische Niedecken ist Ihnen in diesen alten Stücken begegnet?

Ich telefoniere gerade aus dem Auto und parke mitten in der Kölner Südstadt. Damals war das Sanierungsgebiet, ein Viertel, in dem man sich Wohnungen noch leisten konnte. Das war bald danach nicht mehr so, und dagegen haben wir uns aufgelehnt. Besetzte Häuser, Demonstrationen. Damals haben wir uns gegen den Nato-Doppelbeschluss engagiert und für Abrüstung demonstriert. Ich muss aber sagen: Zum Glück konnten wir damals nicht verhindern, wogegen wir demonstriert haben. Das atomare Gleichgewicht hat letztlich den Frieden gebracht. Hätte die Ukraine nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht auf Atomwaffen verzichtet, hätte Putin sie nie überfallen. Damals war es gut und richtig, aber es ist auch gut und richtig, 40 Jahre später einzusehen, dass man sich damals geirrt hat.

Wird man als Musiker anders älter als die restliche Gesellschaft?

Ich weiß nicht. Ich stamme aus einer Zeit, in der der Spruch „Trau keinem über 30“ verbreitet war. Oder als Mick Jagger sagte, das Ding mit den Stones noch fünf oder sechs Jahre durchzuziehen. Ich dachte mir damals immer schon: Was ist das denn für ein Quatsch? Rockmusik ist die Volksmusik der Fünfziger und Sechziger und wir können nur dankbar sein, dass sie bis heute überdauert hat. Diese Musik ist kein Trend, sie verbindet Generationen. Hendrix, Led Zeppelin oder mein großes Idol Dylan... das sind Monolithen, die nie vergehen werden. Da frage ich mich häufig, wer von den heutigen Künstlern überdauern wird.

Wie wäre es mit Taylor Swift?

Gutes Beispiel. Absolut großartige Künstlerin. Ich finde es beeindruckend, wie sie für ihre Werte einsteht.

Wolfgang Niedecken ist also ein Swiftie?

Ich finde das Wort nicht so toll, aber warum nicht...? (lacht) Ich meine, sie macht sogar die Republikaner nervös, das finde ich sensationell.

Erfolgreiche Band

Das Album „Zeitreise – Live im Sartory“ erscheint am Freitag, den 26. April 2024. Das Album wurde an vier Abenden in den Kölner Sartory-Sälen mitgeschnitten und enthält viele Songs, die BAP noch nie oder sehr selten live gespielt haben. Am 30. November 2024 stellt die Band das Album in der Liederhalle vor. Das Konzert ist ausverkauft.

Die BandBAP gründen sich 1976 in Köln. Trotz ihres Auftretens als kölsche Mundart-Band werden sie zu einer der erfolgreichsten Rockbands des Landes. Insgesamt können sie mehr als sechs Millionen Tonträger verkaufen.

Der FrontmannWolfgang Niedecken ist das einzig verbliebene Gründungsmitglied von BAP. Seit 2014 tritt er unter dem Namen Niedeckens BAP auf. Neben seiner Band hat er zahlreiche Soloalben veröffentlicht und 2021 in „Wolfgang Niedecken über Bob Dylan“ seine Bewunderung des US-Liedermachers in Buchform veröffentlicht.

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Erstellt:
25. April 2024, 12:00 Uhr
Aktualisiert:
30. April 2024, 08:54 Uhr

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