Impressionistische Klangfluten
Stuttgarter Philharmoniker und Edna Prochnik sorgen im Backnanger Bürgerhaus für ein faszinierend-berührendes Konzert
Ein wahres Fest zur Lobpreisung des französischen Impressionismus mit Debussys „La mer“ und Ernest Chaussons „Poème de l’amour et de la mer“ feierten die Stuttgarter Philharmoniker und die Mezzosopranistin Edna Prochnik im Backnanger Bürgerhaus. Sie präsentierten faszinierende „Klangfluten“.

© Tobias Sellmaier
Die israelische Mezzosopranistin Edna Prochnik überzeugt durch ihre einfühlsame Interpretation der Kompositionen und ihre warme, kraftvolle, dunkle Stimme.Fotos: T. Sellmaier
Von Thomas Roth
BACKNANG. Da sich alles an diesem Abend um das Thema Wasser drehte, passte da Tan Duns „Water Concerto“ sehr gut dazu. Klangcollagen der besonderen Art, Musik im Sinne von Ton(erzeugungs)kunst, treibt der chinesische Komponist Tan Dun in diesem Opus so recht auf die Spitze. Nicht nur die Orchestermusiker spielen auf ihren Instrumenten Dinge, für die sie eigentlich zunächst einmal gar nicht so gedacht waren. Da wird schon mal mit der flachen Hand auf das Griffbrett des Streichinstruments gehauen oder hinter dem Steg gezupft, auch Holz- und Blechfraktion entlocken ihren Instrumenten Tiergeräusche, Wind pur oder Kindergeschrei. Im Mittelpunkt allerdings stehen drei Perkussionisten vor mit Wasser gefüllten Schüsseln, garniert von allerlei Schalen und Rohren. Mit Filzschlegel, Bassbögen, bloßen Händen und einzelnen Fingern kreieren sie damit Töne, ja sphärische anmutende Klänge, die zum Teil auch aus dem Weltall kommen könnten, fast ufoesk. Dabei verschiedene Tonhöhen zu erzeugen, gut zu intonieren, also passend zum Orchester mit 443 Hertz, ist rein technisch schon mal eine herausragende Leistung. Neben Martin Homann und Boris Müller brilliert beim „Wasserspiel“ vor allem Adam Weisman. Die beiden Kollegen sind sozusagen seine „Wasserträger“. Die Klänge des Elementes Wasser in komplexe Musik zu verwandeln, durch Tun Dans Erinnerungen an seine Heimatstadt Hunan inspiriert, ist der Plot des Stücks. Das Ganze, mit seinen vielen Improvisationsteilen zu einem homogenen Ganzen zu formen, ist Dan Ettingers Werk. Der Chefdirigent steht wie gewohnt auch hier unerschütterlich als Fels in der Brandung.
Von Richard Wagners Musik hingerissen war der hier eher weniger bekannte französische Komponist Ernest Chausson. Begeisterung für eine Sache oder Person prägt oft das eigene Tun, und so hört man bei seiner Vertonung von Maurice Bouchors lyrischem Text „Poème de l’amour et de la mer“ durchaus manchmal wagnerianische Harmoniewendungen heraus. Allerdings dann doch weniger pathetisch als dieser komponiert Chausson dann doch, ohne es an Tiefe, an Emotion fehlen zu lassen. Um erloschene Liebe, Abschied und letztlich den Tod geht es in diesem Text. Das Meer dient dem Dichter, wie die Natur im Allgemeinen, als Metapher. Leidenschaftlich intensiv, doch künstlerisch trotz der sehr anspruchsvollen Gesangspartie immer „Frau der Lage“, durchlebt Edna Prochnik diese Komposition, dass einem ob der Tragik, ob dieser resignativen Todesstimmung, schon ein kalter Schauer über den Rücken laufen kann. Dem dunklen Timbre von Prochniks Stimme, ihrer ungeheuren Kraft, auch in den Mezzavoce-Passagen, kann man sich nicht entziehen. Sowohl bereits kompositorisch angelegt, erlaubt Dan Ettingers Dynamik ihr auch in Pianissimo-Stellen klare Präsenz.
Im sonnigen Burgund beschließt Claude Debussy, seine Erinnerungen und Assoziationen, die er mit dem Meer an sich verbindet, in Töne zu fassen. Das Ergebnis ist hinlänglich bekannt. Einen „Impressionismus-Kracher“ schlechthin servieren die souverän spielenden Stuttgarter Philharmoniker am Ende dieses fast alle emotionalen Facetten berührenden Konzertabends. Und dann das Meer in der Erinnerung Debussys: leise, mittellaut, laut, bedrohlich laut, Paukenschlag, Schluss, aus: „La mer“ – come il faut.

© Tobias Sellmaier
Adam Weisman beim „Wasserspiel“.