In szenisches Licht getauchte Bildwelten

Neo-Rauch-Meisterschüler Titus Schade stellt unter dem Titel „Werkstadt“ bis 9. Februar 2020 in der Galerie der Stadt Backnang aus

Bei der Malerei von Titus Schade geht es um kulissenartige Inszenierungen. In der Galerie der Stadt Backnang zeigt der Leipziger unter dem Titel „Werkstadt“ seine Bildwelten zwischen Modell und Bühnensituation mit eigentümlichem Charme in kleinen und großen Formaten. Vernissage ist heute um 20 Uhr.

Titus Schade kreiert in sich geschlossene Parallelwelten, die zeitlos erscheinen. Fotos: P. Wolf

© Peter Wolf

Titus Schade kreiert in sich geschlossene Parallelwelten, die zeitlos erscheinen. Fotos: P. Wolf

Von Ingrid Knack

BACKNANG. Titus Schade ist ein waschechter Leipziger. 1984 ist er dort geboren, von 2004 bis 2009 studierte er in seiner Heimatstadt Malerei und Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. 2009 machte er das Diplom bei Professor Neo Rauch, der vom 20. November 1998 bis 10. Januar 1999 in der Galerie der Stadt Backnang ausgestellt hat – also in einer Zeit, in der der zwischenzeitlich weltberühmte Shootingstar der Neuen Leipziger Schule noch ein Geheimtipp war. Von 2011 bis 2013 war Titus Schade Rauchs Meisterschüler. Seine Bildsprache ist aber eine ganz andere als die seines Hochschullehrers. „Bei mir sind die Architektur und der Raum das Hauptthema, bei Neo Rauch geht es um die Figuren“, sagt Titus Schade in einem Vorabrundgang durch die Ausstellung. Und er fügt an: „Mir wurde von meinem Vater viel mitgegeben.“ Sein Vater ist der Giebichenstein-Kunstprofessor und erfolgreiche Maler, Grafiker und Cartoonist Rainer Schade.

Doch zunächst konnte sich der Sohn nicht vorstellen, als freier Künstler sein Geld zu verdienen. „Ich habe gedacht, dass ich in eine angewandte Richtung gehe.“ Dabei hatte er die Berufe Bühnenbildner oder Architekt im Blick. Dann aber sah er sich doch nicht als Teamplayer. Jetzt, als freier Künstler, kann er sein Tempo selbst bestimmen. „Das Schöne daran ist, dass man von Anfang bis Ende für alles zuständig ist.“

Das Thema „Bühnenbild“ wurde übrigens dennoch Teil seiner Arbeit als freier Künstler. Sein Gemälde „Der Kiosk“ ist die Vorlage für die Kulissen bei der Inszenierung am Schauspiel Leipzig von Elfriede Jelineks „Wolken.Heim“. Schade arbeitete dafür eng mit der Bühnenbildnerin Marialena Lapata zusammen.

Auf seinem Weg hat Titus Schade ganz offensichtlich schnell seinen ganz eigenen Stil gefunden, sein Bildkosmos hat etwas Unverwechselbares. Auf Inspirationsquellen angesprochen meint er: „Ich versuche, sehr viel aus mir selbst zu schöpfen.“ Am augenfälligsten ist, dass die auf schwarzem Grund gemalten Bilder zwar düster daherkommen, dies aber eher formelle denn inhaltliche Gründe hat: „Ich versuche, Spannungen zu erzeugen. Die finden sich oft in der Dunkelheit. Die Kontraste erhöhen sich und es gibt mehr Plastizität“, erklärt der Künstler. „Die Kategorie des Eigentümlichen im positiven Sinne gefüllt zu haben, können die Bilder des Titus Schade ohne Weiteres für sich in Anspruch nehmen“, kommentierte Neo Rauch einmal das Werk seines einstigen Meisterschülers.

Mittlerweile ist Schade, für dessen Werke man auf jeden Fall eine fünfstellige Summe hinlegen muss – über Preise spricht der Künstler eher ungern – auch offizieller Künstler der renommierten Galerie Eigen & Art in Leipzig. Dort stellt er parallel zur Backnanger Werkschau bis 19. Dezember unter dem Titel „Altstadt“ aus.

Titus Schades Szenerien entstehen direkt auf der Leinwand. „Es gibt keine Vorarbeit am Computer“, macht der Maler deutlich. Er arbeitet mit Klebeband, um die geraden Linien und scharfen Kanten zu erreichen, wodurch starke Kontraste zu den natürlich gemalten Stellen entstehen und Künstlichkeit erzielt wird, die an Computergrafiken und Videospiele erinnert. Die in den Bildern auftauchenden Häuser mit und ohne Fachwerk, Mühlen, Scheiterhaufen, Kerzen, Treppen oder Kirchen sind uns eigentlich vertraut, kommen dann aber doch irgendwie fremd daher. Sie sind allesamt Versatzstücke eines in sich geschlossenen Paralleluniversums, in der geometrische Formen, das Spiel mit Perspektiven und eine barocke Lichtregie Hauptrollen spielen. Das Aufeinandertreffen von alledem ergibt ganz spezielle Bildräume. Einmal erinnern die Arbeiten an Theaterkulissen oder Filmsets, ein andermal an den guten alten Setzkasten. In Regalbildern reiht Schade Architektonisches aneinander, innere Strukturen werden nach außen hin sichtbar. Und dann zitiert sich Schade auch selbst. Das Motiv eines Bildes, das als Großformat für sich steht, findet sich mitunter in einem anderen Werk viel kleiner und als eines von mehreren Elementen wieder.

Die Arbeiten sind menschenleer, allenfalls gibt es Menschen als Bild im Bild, womit der Leipziger gerne arbeitet. „Ich habe mich dazu entschieden, die Figur auszugliedern. Das ermöglicht dem Betrachter eine betretbare Kulisse. Es geht mir darum, dass der Betrachter zur handelnden Figur wird und sich im Bild verliert.“ Aber es existiert noch eine weitere Dimension. Menschen sind sozusagen durch die Hintertür anwesend, ohne sichtbar zu sein. Es sind Fahrzeuge zu sehen oder Reliquien – und die Häuser sind von Menschen gebaut, die aber gerade im Moment etwas anderes zu tun haben.

Titus Schade arbeitet vorwiegend mit Acryl, „um die schnelle Schichtung hinzubekommen. Ölfarbe ist träge im Trocknungsprozess“. Letztere verwendet er bei den natürlichen Formen wie Wald oder Wolken, die zwischen Romantik und Bedrohung schwanken. Trotz solcher Szenerien liegt der Schwerpunkt eines Bildes in der Regel auf der geometrischen Abstraktion, die Landschaftsmotive werden von den harten, geometrischen Formen gebrochen. In seinen Wolkenlandschaften jedoch löst Schade diese Malweise auf, auch das Klebeband braucht er hier nicht. Selbst das omnipräsente Thema der Zweidimensionalität wird kurz in den Hintergrund gedrängt.

Die Modelltische, die in einigen der kleineren Formate Schades auftauchen, sind für diesen das Sinnbild für die Leinwand und Mittel zum Zweck, um etwas zu präsentieren. Auf solchen Sockeln türmt sich wiederum Kulissenhaftes auf. „Mir geht es um das Spielerische, um den Modellcharakter“, so Schade. „Kinder malen Bilder, um sich ihre Umwelt zu erschließen. Die meisten Menschen hören irgendwann damit auf. Als Maler bleibt man dabei. Mit einer gewissen Neugier.“ Doch leicht kommt die Kunst Schades nicht daher. „Wenn ich Filme machen würde, wäre es keine flapsige Vorabendgeschichte, sondern die Story würde im späten Abendprogramm laufen.“

Titus Schade

© Peter Wolf

Titus Schade

Eine Kulisse türmt sich auf einem Modelltisch auf.

© Peter Wolf

Eine Kulisse türmt sich auf einem Modelltisch auf.

Info
Künstlergespräch

Die Vernissage zur Ausstellung mit Arbeiten von Titus Schade in der Galerie der Stadt Backnang ist heute um 20 Uhr.

Zu einem Künstlergespräch mit Titus Schade und Rundgang durch die Ausstellung wird am Samstag, 23. November, um 12 Uhr eingeladen.

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Erstellt:
22. November 2019, 11:30 Uhr

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