Künstler aus dem Umkreis zweier Akademien

Die erste Ausstellung seit der Schließung wegen Corona wird in der Galerie im Backnanger Helferhaus eröffnet. Unter dem Titel „AnsLicht“ zeigt der Heimat- und Kunstverein einen Querschnitt von Neuerwerbungen aus seiner Grafiksammlung.

„Der dunkle Krug“ von Wilhelm Laage.

„Der dunkle Krug“ von Wilhelm Laage.

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Der Heimat- und Kunstverein Backnang ist im Besitz einer Grafiksammlung mit Werken von Künstlern aus Südwestdeutschland. Gesammelt wird vor allem Druckgrafik wie Radierungen, Holzschnitte und Lithografien. Die Sammlung wird von Rudi Limbach und Wolfgang Uhlig betreut, die die neue Werkschau konzipiert haben.

Eigentlich waren andere Ausstellungen geplant, doch sie mussten verschoben oder ganz abgesagt werden. Nun hat man sich kurzfristig für die Grafikwerkschau „AnsLicht“ entschieden: „Wir geben damit den in dunklen Grafikschränken schlummernden Exponaten erstmals die Gelegenheit, etwas Luft zu schnappen und sich zu präsentieren“, so Rudi Limbach. Eine Vernissage kann aus gegebenen Umständen nicht stattfinden.

Rudi Limbach gibt einen Überblick über die Entstehung der Grafiksammlung. Den Grundstock legte der Murrhardter Künstler Reinhold Nägele (1884 bis 1972), der 1968 dem Verein rund drei Dutzend seiner Radierungen vermachte. Weitere Stiftungen folgten. So kamen etwa Werke der Backnanger Künstler Willy Riexinger, Werner Lehmann und dessen Vater Willy Lehmann, einem Mitbegründer des Vereins, in die Sammlung. Das umfangreichste Konvolut stiftete Ernst Hövelborn, langjähriger Vorsitzender des Heimat- und Kunstvereins, mit eigenen Werken und zahlreichen Blättern seiner Künstlerkollegen.

Seit 1984 wird die Sammlung durch gezielte Ankäufe stetig erweitert. Schwerpunkte bilden die für die Kunstgeschichte des Südwestens bedeutenden Künstler aus dem Umkreis der Kunstakademien in Stuttgart und Karlsruhe. Aber es seien auch Künstler aus der „zweiten Reihe“ dabei, deren Werke infolge politischer Umstände zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind, informiert Rudi Limbach. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der aktuellen Grafikproduktion von Künstlern, die sich diesem Medium in besonderer Weise annehmen.

Der zeitliche Rahmen setzt dabei ein mit Grafik um 1800 aus der Produktion der Stuttgarter Hohen Karlsschule. Ein Vertreter ist Johann Gotthard von Müller (1747 bis 1830). In der Ausstellung ist von ihm eine Reproduktionsgrafik nach einem Selbstbildnis der französischen Malerin Louise Elisabeth Vigée le Brun zu sehen. Außerdem wurde ein Reproduktionsstich (1802 bis 1804) nach Raffaels berühmtem Gemälde „Madonna della Sedia“ ausgewählt, als Beitrag zu Raffaels 500. Todestag in diesem Jahr. Carl von Häberlin (1832 bis 1911) hat auf einer Nordafrikareise fünf mit Ocker lavierte Bleistiftzeichnungen geschaffen. „Tunis und Umgebung“ (um 1880) heißt die Reihe in der Ausstellung. Von dem in Backnang geborenen Leonhard Schmidt (1892 bis 1978) wird eine Bleistiftzeichnung gezeigt, ein Damenbildnis von 1925. Schmidt war einer der bedeutendsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Während der NS-Zeit galten seine Werke als „entartet“. Arbeiten von Alfred Hrdlicka (1928 bis 2009) oder Peter Grau (1928 bis 2016) sind dabei, wie eine Radierung mit dem Maurischen Turm in der Wilhelma in düsterer Stimmung. Ebenfalls vertreten sind die Künstler Moritz Baumgartl und Wilhelm Laage.

Aktuell wirkt das Thema der Strichätzung „Noli me tangere“, was „Berühre mich nicht“ bedeutet, von Patrick Fauck. Der 1970 geborene Künstler stellt eine Frau in grellem Grün in einem Blumentopf sitzend dar, die mit ihren Stacheln wie ein Kaktus wirkt. Der in Leipzig lebende Künstler, der 2019 im Helferhaus ausgestellt hat, arbeitet auch in der seltenen Lichtdruck-Technik wie beim Bild „Stromanbieter“. Die in Backnang lebende Dortmunderin Barbara Kastin (geboren 1965) zeigt zwei mit Acrylfarben über Stoff gemalte Industrieszenen aus Backnang aus ihrer Reihe „Jede Stadt braucht ihre vergessenen Viertel“. Ulrich Olpp, erster Vorsitzender des Heimat- und Kunstvereins, hat das Triptychon „Megawatt“ beigetragen, eine Radierung auf drei Blättern in unterschiedlichen Druckzuständen. Auf zwei Stockwerken ist der vielseitige Querschnitt von Werken aus der Grafiksammlung zu sehen.

Die Serigrafie von Moritz Baumgartl zeigt drei Grazien und einen Uniformierten bei Nacht. Baumgartl studierte an der Stuttgarter Akademie, von 1976 bis 2000 unterrichtete er dort selbst. Fotos: P. Wolf

Die Serigrafie von Moritz Baumgartl zeigt drei Grazien und einen Uniformierten bei Nacht. Baumgartl studierte an der Stuttgarter Akademie, von 1976 bis 2000 unterrichtete er dort selbst. Fotos: P. Wolf

Info

Die Ausstellung „Ans Licht“ kann von Sonntag, 7. Juni, bis Samstag, 27. Juni, im Backnanger Helferhaus, Petrus-Jacobi-Weg 5, besichtigt werden.

Zeitgleich wird die neue Ausstellung mit historischen Fotos unter dem Titel „Von der Bleichwiese zum Freibad“ aus der Reihe „Backnang im Zeitspiegel“ des Hobbyhistorikers und Fotodesigners Peter Wolf aus Backnang im Kabinett des Helferhauses eröffnet.

Öffnungszeiten sind: Dienstag bis Freitag von 17 bis 19 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 14 bis 19 Uhr.

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Erstellt:
5. Juni 2020, 06:00 Uhr

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